Jan Burkamp - Blue Man Group

  • Mit dem ganzen Körper trommeln
    Jan Burkamp ist einer der Drummer/Percussionisten der Blue Man Group. Trotz eines nicht von ihm autorisierten Kurzinterviews eines DF-Users war er bereit, die von Tim Neuhaus weitergeleiteten Fragen zu beantworten, vielen Dank!!!


    DF: Wann ging es los mit dem Schlagzeug?


    JB: Mit 6 Jahren. Mein Vater hat mir selbst ein Schlagzeug gebaut. Es stand im Wohnzimmer meiner Eltern. Unglaublich! Ich bin den beiden echt dankbar. Mit 7 bekam ich mein erstes Kit. Ein Ludwig-Nachbau, 500 Mark, ne echte Investition für einen Pöks in dem Alter.


    DF: Warum gerade dieses Instrument?


    JB: Das frage ich mich auch, besonders wenn ich gerade Hardware von A nach B trage. Spaß beiseite: Ich habe immer das Gefühl, das Instrument hat sich mich ausgesucht, und nicht umgekehrt. Und ich hoffe immer, dass es sich nicht geirrt hat! Bisher verstehen wir uns sehr gut, auch wenn es manchmal seine Macht über mich missbraucht…


    DF: Seit wann professionell?


    JB: mmh… heißt professionell, dass man Geld verdient? Oder dass man ALL sein Geld damit verdient? Naja…seit etwa drei Jahren…?


    DF: Was magst du an deinem Job und was nicht?


    JB: Ich liebe, dass Musik so schön gegenstandslos und luftig ist, dass man sie mit dem Körper macht und deshalb eine unmittelbare Befriedigung erfährt, dass man dabei seinen Wahrnehmungsfokus auf “unendlich” stellen kann, dass man niemals zweimal GENAU das gleiche tun kann, dass Musik überall auf der Welt aber überall anders praktiziert wird, etc., etc.


    Ich mag nicht: Die Fixierung von Musikern auf einen einzigen Gesrpächsgegenstand, das wirtschaftliche Risiko, die manchmal unausweichliche Vernachlässigung des sozialen Umfeldes, die Schlepperei, die Poserei.



    DF: Wie siehst du die Funktion / Rolle des Drummers innerhalb einer Band/ eines Projektes?


    JB: Es fasziniert mich immer, dass ein guter Drummer die Gesamtqualität einer Band eher verbessern kann als ein guter Sänger oder Gitarrist. Außerdem sind viele Drummer –je nach Charisma- die heimlichen Führungskräfte einer Band. Allerdings hängt es sehr von der jeweiligen Musik ab, welche Rolle der Drummer einnimmt, und deshalb kann man diese Frage so nicht ohne weiteres beantworten, denke ich. Jedenfalls kann man seine Qualitäten immer nur dann ausleben und einbringen, wenn die anderen Musiker unterstützend wirken, was uns unmittelbar zur nächsten Frage führt:


    DF: Wie wichtig ist die zwischenmenschliche Kommunikation und sollte ein Schlagzeuger einen ausgleichenden Charakter haben?


    JB: Die zwischenmenschliche Kommunikation ist meines Erachtens so gut wie immer wichtiger als die Chops, wenn es darum geht, eine BAND zu sein. Es gibt jede Menge gute Musiker, aber ohne Spirit und ohne gemeinsam gefühltes Ziel bleibt das auf der Strecke, was man den Leuten eigentlich vermitteln will, nämlich Spaß und Kraft durch Gemeinsamkeit. Wenn man in der Lage ist, sich gemeinsam mit dem zu arrangieren was technisch machbar ist, dann ist man auch in der Lage, Qualität abzuliefern. Dabei ist die Kommunikation entscheidend. Eine Band entsteht nicht, indem 5 Leute in ihren Zimmern üben, sondern dadurch, dass sie sich treffen und versuchen, aufeinander einzugehen. Ein Musiker, der nicht wohlwollend und anregend kommuniziert, ist kein Musiker, sondern ein Poser. Musik ist nunmal Kommunikation. Wer das nicht versteht, soll Alleinunterhalter werden und sehen wo er bleibt. Natürlich sollte ein Schlagzeuger einen ausgleichenden Charakter haben, aber die anderen sollten das auch.
    Jeder Mensch sollte einen ausgleichenden Charakter haben.


    DF: Wie siehst du die Zukunft der Musikindustrie und was bedeutet dabei
    das Medium Internet?


    JB: Ich hoffe, dass durch das Internet und den Zugang zu aller möglichen Musik die Zuhörer wieder mehr Neugier, mehr Interesse an Unbekanntem entwickeln und auf diesem Umweg wieder mehr zu schätzen lernen, was z.B. ihre Local Heroes auf die Beine stellen. Das könnte einen Gewinn an Unabhängigkeit gegenüber Madonna, Michael Jackson und anderen Superstars bedeuten (das soll nichts über deren Qualitäten aussagen, aber Stardom birgt einen monokulturellen Aspekt, den so etwas wunderbares wie Musik nicht nötig hat), und vor allem gegenüber den gigantischen Infarstrukturen, die diesen Leuten zur Verfügung stehen, vielen anderen guten Musikern aber nicht.
    In ferner (?) Zukunft und nach sorgfältigem Überdenken der musikgeschichtlichen Zusammenhänge zwischen Medien und Musikformaten (z.B. Singels, Radio und die drei Minuten eines Songs) könnte ich mir darüberhinaus vorstellen, dass bestimmte Eigenschaften des Internets neue musikalische (Darbietungs-)Formen und Arrangementideen hervorrufen werden. Das wäre doch interessant! (Ich glaube Peter Gabriel –und vielleicht noch andere, die ich nicht kenne- haben das schon vor Jahren erkannt). Vielleicht lässt sich so das zunehmende Verschwinden des “Albums” als Form kompensieren…im Moment laden sich die Leute eher einzelne Titel herunter und vergessen schnell, von wem sie sind und aus welchem Kontext sie sie gerissen haben. Das finde ich bedauerlich, weil es die Konsumgeschwindigkeit noch weiter erhöht. In diesem Punkt ist das Internet nicht gerade hilfreich.

    Allerdings habe ich den Eindruck eines wachsenden Interesses an Live-Musik, was mich sehr freut. Das Bedürfnis der Menschen nach Echtheit beruhigt mich. Ich gebe zu, es gibt so manche Blase im Musikgeschäft, die ich gerne platzen sähe…



    DF: Den Tipp für das DF?


    JB: Lasst alle Regeln hinter Euch sobald ihr könnt. Denn es gibt in Wirklichkeit keine.
    Es gibt nur Hilfsmittel für und von Leuten, die das Gefühl haben, nicht anders zu einer runden Lösung kommen zu können. Selbstverständlich ist auch das eine gute Sache. Aber man verwechselt das nur allzuleicht mit Regeln, die jeder einfach befolgen MUSS. So etwas existiert nicht. Es ist wichtiger, seinen Weg zu finden und alles mal zu hinterfragen, was einem beigebracht wird.


    DF: Was machst doch noch außer der Blue Man Group?


    JB:Außer bei der Blue Man Group spiele ich noch in einer Band namens Boombaker. Zwei Schlagzeuger, ein Keyboarder und ein MC. Diese Musik ist zum tanzen da, und sie vermischt verschiedene Styles wie Drum and Bass, HipHop, Elektro, Industrial und Punk. Ansonsten habe ich gerade mit zwei verschiedenen Songwritern gearbeitet, die ich sehr vielversprechend finde: Billy Populos und Alani Hoff. Mal sehen! Abgesehen von der Musik habe ich Ethnologie studiert und bin gerade am überlegen, wie ich dafür sorgen kann, da irgendwie ein bisschen am Ball zu bleiben. Es ist ein schönes Fach, und was ich im Studium gelernt habe ist für mich immernoch sehr prägend und wichtig, obwohl man das angesichts meines jetzigen Jobs nicht vermuten würde.
    Ich suche weiterhin nach Möglichkeiten, Musik und Ethnologie zu verbinden.


    Weitere Infos: http://www.boombaker.de

    Einmal editiert, zuletzt von ipo ()

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