Das erste Doppelinterview - Andy Gillmann und Raphi Becker-Foss

  • Lehrer und Schüler
    Andy Gillmann und Raphi Becker-Foss zeigten unter anderem am Stand von "Drums & Percussion" auf der Frankfurter Musikmesse 2006, wie gekonnt ein Leher mit seinen Schüler zusammen spielen kann.
    Nach ihrer Vorführung hatte ich die Gelegenheit trotz Messetrubel Andy zu interviewen.
    Raphi ist auch im DF unterwegs und war so nett, die Fragen sofort per Mail zu beantworten. Vielen Dank!



    DF: Seit wann spielst du Schlagzeug und warum ausgerechnet dieses Instrument?


    AG: Ich bin jetzt 42 und spiele Schlagzeug, seit dem ich zehn bin, also 32 Jahre. Das ist auch eine lustige Frage, die gerne von Kindern gestellt wird. Wenn die dann hören, dass ich schon so lange spiele und sind vielleicht gerade erst zwölf, dann fallen die in Ohnmacht. Warum kann ich nicht so genau sagen, ich hatte einfach so eine Affinität zum Trommeln. Ich hatte zum Glück Eltern, die das unterstützt haben. Das ist jetzt nicht so spektakulär.


    RF:Ich habe im Alter von sechs Jahren mit Cello angefangen, konnte mich aber nie wirklich dafür begeistern. Das habe ich dann erstmal gemacht, hab mich aber mit zehn Jahren vor meine Eltern gestellt und verkündet, dass ich jetzt Schlagzeug spielen will. Die haben das dann noch zwei Jahre rauszögern können, aber mit zwölf Jahren hatte ich sie dann soweit.
    Ich bin dann zu meiner ersten Unterrichtsstunde an der Musikschule gegangen und als ich die beiden Schlagzeuge gesehen habe war es vorbei:)
    Im Nachhinein hat wohl eher das Schlagzeug mich ausgesucht als umgekehrt denn ich habe keine Ahnung wie ich auf diese Idee gekommen bin...Vier Jahre später hab ich das Cello an den Nagel gehängt um mehr Zeit für's Schlagzeug zu haben und hab mich von da an wirklich aufs Set konzentriert.


    DF: Was bedeutet das Instrument für dich?


    AG: Es ist ein Teil meines Ausdrucks, ein Teil meiner Persönlichkeit. Ich bin als Drummer sehr interessiert an Dynamik und Gestaltung. Ich mache so gut wie keine kommerziellen Projekte, verschaffe mir auch mal arbeitsfreie Phasen. Zum Glück läuft es in den letzten Jahren sehr gut. Ich mache das zwar sehr gerne, aber, ich bin auch froh, wenn ich mal nicht spiele. Nur noch für Projekte übe ich .Ich habe eigentlich nur Interesse Stücke zu schreiben, Projekte aufzubauen und anzuschieben. Das Üben läuft bei mir eigentlich nur noch über das Spielen.
    Ich habe überhaupt kein Interesse an Perkussion. Viele gehen davon aus, dass ein Drummer sich auch für diese Instrumente begeistern kann, das ist bei mir aber nicht der Fall. Ich spiele nebenbei noch Klavier und Bass.



    RB: Es fasziniert mich immer wieder wie individuell dieses Instrument ist. Schon allein durch die unendlich vielen Aufbaumöglichkeiten und Stimmungen hat das Schlagzeug unglaublich viele Facetten. Es ist ein sehr emotionales Instrument und es bringt Menschen zum Tanzen. Das gefällt mir. Ich bin jemand, der gern sagt wo's langgeht. Vom Schlagzeughocker aus kann ich die Musik sehr direkt beeinflussen.
    Für mich war eigentlich schon seit meinem 15/16 Lebensjahr klar, dass ich das beruflich machen wollte. Ich hab jeden Gig gespielt, den ich kriegen konnte. Von Jazz bis Rock war (und ist) da alles dabei. Ich hab sogar mal für Alexander Superstar im Fernsehen Playback gespielt. Sowas gehört auch dazu, und wenn das einzige, was man daraus lernt ist, dass man es nie wieder machen will:)
    Meinen ersten "großen" Job hatte ich im Dezember letzten Jahres. Ich habe durch den Andy Gillmann die Chance bekommen, beim Musical "Robin Hood" zu spielen. Eine sehr gute Erfahrung die mich wirklich weiter gebracht hat.
    Dann haben Andy und ich ja auf der Musikmesse unser Drumduo "DRUMHERUM" präsentiert. Das war natürlich sehr aufregend für mich und ich brauchte schon eine Zeit um mich daran zu gewöhnen, dass da 30 Schlagzeuger um mich rum stehen und mir auf die Finger schauen. Insgesamt hat es aber sehr viel Spaß gemacht und ich bin jetzt grade dabei Gigs zu organisieren, die Homepage zu designen, eine DVD Produktion auf die Beine zu stellen usw.. Bis es soweit ist gibt's alle Neuigkeiten auf meiner eigenen Seite http://www.raphibeckerfoss.de



    DF: Was magst du an deinem Job und was gefällt dir nicht?


    AG: Ich mache jetzt seit 20 Jahren professionell Musik und habe immer konsequent ausgemustert, ich habe alles probiert wie zum Beispiel Karnevalssitzungen, ich habe mit Andy Borg getourt in Amerika. Egal, was ich gemacht habe, konnte ich schnell feststellen, ob das was für mich ist. Dann habe ich konsequent aussortiert. Das war dann eben nur eine Karnevalssitzung, auf der ich gespielt habe. Die Tour mit Borg war gut, aber, danach war Schluss. Danach habe ich nie wieder Schlager gespielt und werde das wohl auch nie wieder machen.
    Was bei mir sehr gut läuft ist das Unterrichten. Das würde ich dann eher noch mehr machen als zum Beispiel mein Geld mit Tanzmusik zu verdienen. Aber, ich respektiere Leute, die das so machen, ich bin da nicht so dogmatisch und verurteile jemanden, der so sein Geld macht.
    Es gibt viele Wege zum Glück, nur, ich habe eben raus gefunden, was nicht zu mir passt. Natürlich kann ich mir nicht immer aussuchen, was ich mache, aber, eine klare Richtung kann ich schon vorgeben. Wir haben zwei Kinder, das dritte ist gerade unterwegs und ich verbringe viel Zeit mit ihnen. So habe ich eben nicht den ganzen Tag Zeit, mir Projekte auszudenken und mich nur mit mir selbst zu beschäftigen.
    Es ist aber phantastisch, dass ich mit dem, was mir richtig Spaß macht, mein Geld verdienen kann. Das ist ein Geschenk, für das ich aber auch hart gearbeitet habe.
    Musikalisch arbeite ich seit 15 Jahren fast nur mit den selben Leuten zusammen. Bei einem Projekt wie "Robin Hood" bin ich in der glücklichen Lage, dass ich nicht alle 30 Gigs spielen muss, sondern mir zehn aussuchen kann. Den Rest macht dann der Raphi. Ich habe also einen Subdrummer. Der Deal war, dass ich die Drumparts erarbeite, die Premiere mache und die anderen Drummer einarbeite. Die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, wissen, dass man sich bezüglich der Subdrummer auf mich verlassen kann.
    Ich unterrichte am Drummers Institute in Düsseldorf, daher kenne ich zum Beispiel Ulf Stricker, der ja im DF aktiv ist. Das Unterrichten in Kursen verhalf mir zu einer besseren Gestaltung meiner Workshops. Außerdem unterrichte ich an der Hochschule in Wuppertal. Ich bin da in einer tollen Situation, denn, wenn ich nicht mit jemanden klarkomme, dann brauche ich ihn nicht zu unterrichten.
    Ich mache das aber nicht als Mittel zum Zweck, sondern, ich unterrichte gerne. Durch den Unterricht haben sich schon schöne und auch persönliche Kontakte ergeben. Ich freue mich auf den Unterricht.


    RB: Der große Vorteil ist natürlich, dass das Trommeln einfach Spaß macht. Wenn man mich nicht an mein Schlagzeug lässt, werde ich ungenießbar, daher ist dieser Beruf schon recht ideal.
    Ein Nachteil ist das viele Unterwegssein. Das kann einen ganz schön schlauchen und bringt eben auch viele Probleme mit sich. Das Privatleben leidet da zeitweise doch sehr drunter. Man muss einfach aufpassen, dass man es nicht übertreibt und sich hin und wieder mal eine Auszeit nimmt um die Akkus wieder aufzuladen und Zeit mit seinen Freunden zu verbringen.


    DF: Was macht für dich einen guten Schlagzeuger aus?


    AG: Ein guter Schlagzeuger hat ein gutes Timing und einen guten Sound. Er vermittelt den Leuten ein gutes Gefühl ohne dass er seine Persönlichkeit dafür aufgibt. Wenn man mit irgendwelchen Profilneurotikern spielt, dann ist das schwierig. Ich hatte solche ein paar Mal und dann hat es immer sofort gekracht. Ich bekam immer Stress, wenn ich nicht den Platz bekommen habe, den ich brauche. Wenn ich jedoch den bekomme, dann kann ich anderen ein sehr gutes Spielgefühl geben.
    In einer professionellen Situation geht es um Timming, Sound und eventuell um Notenlesen. Du musst auch in der Lage sein zu führen. Es ist ein permanentes austarieren von Führen und wieder ein Stück locker lassen. Dazu müssen alle bereit sein, ihr Ego auch mal Zuhause zu lassen.



    RB: Der Schlagzeuger ist ja im Prinzip der Dirigent der Band, er ist verantwortlich für die Dynamik, das Tempo, das Feel. Der ganze Bandsound wird maßgeblich vom Schlagzeuger geprägt. Das ist eine große Verantwortung, gibt uns aber natürlich auch jede Menge Möglichkeiten, die Musik sehr direkt zu beeinflussen.
    Ich mag Schlagzeuger, die im Sinne der Musik spielen und ich finde es wichtig, dass ein Schagzeuger Charakter hat. Ich liebe unkoventionelle Schlagzeuger wie Stewart Copeland oder Jim Black.
    Oft wird musikalisches Spielen mit wenig spielen gleichgesetzt. Ich finde das kann man so pauschal nicht sagen. Ich finde eher, der Song sollte diktieren was man spielen sollte und was nicht.
    Es gibt Songs, die viel Schlagzeug brauchen, auf der anderen Seite natürlich auch solche, wo eine Hihat auf zwei und vier oder ein Shaker ausreichen. Nicht zu vergessen die Songs, die am besten ohne Schlagzeug klingen.
    Was nun im Sinne der Musik ist muss jeder selber entscheiden. Es gibt ja sehr viele Möglichkeiten einen Song zu interpretieren, da kommt eben wieder der Charakter des Spielers zum tragen. Bei alledem darf man aber den Punkt nicht verpassen, an dem man den Kopf einfach mal ausschalten sollte und tun, was der Bauch einem sagt. Der weiß meistens eh schon ganz gut, wo's langgeht.


    DF: Wie wichtig ist dabei die zwischenmenschliche Kommunikation?


    AG: Wahnsinnig wichtig, so war ich mit meinen Jazztrio letzte Woche in der Schweiz und da saßen wir mal ocker 10 Stunden zusammen im Auto. Es gibt dann zwei Möglichkeiten: entweder wir haben eine schöne Zeit oder es ist unangenehm. Wenn du dann mit den Leuten nicht klarkommst, dann geht so was nicht. Das machst du ein Mal und dann war es das, du suchst dir andere Musiker. Bei den meisten meiner Projekte habe ich die Sachen in der Hand. Ich genieße den Luxus, dass ich mir auswählen kann, mit wem ich was mache. Ich kenne zum Glück viele gute Musiker, mit denen es einfach stimmt. Ich bin da sicherlich nicht der typische Sideman. So Sachen wie Starlight Express sind nicht für mich. Wenn ich Musicals mache, dann, weil ich zum Beispiel den Komponisten kenne und der auf mich Rücksicht nimmt.


    RB: Kommunikation ist sehr wichtig für mich. Ich muss mich in einer Band wohl fühlen. Wenn die Chemie zwischen den Bandmitgliedern stimmt, tut das der Musik gut. Musik ist ja auch eine Art von Kommunikation. Das geht nun mal nur mit den anderen zusammen.
    Es ist immer gut, jemanden in der Band zu haben der einen ausgleichenden Charakter hat, oder jedenfalls so wirkt. Das kann der Drummer sein, muss aber nicht. Ich denke allerdings, dass es einem das Drummerleben einfacher machen kann, wenn man sich einigermaßen unter Kontrolle hat und nicht gleich bei jeder Kleinigkeit in die Luft geht. Spätestens bei Studiojobs etc. ist es wichtig, verlässlich zu sein und eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen.



    Andy Gillmann auf der Musikmesse 2006


    DF: Wie siehst du die Zukunft der Musikindustrie auch in Hinblick auf das Medium Internet?


    AG: Ich habe mich lange nicht mit dem Thema Internet beschäftigt. Ich habe gewartet und war nicht der Erste mit einem PC mit Internetanschluss. Seit zwei Jahren habe ich eine eigene Webside und erstaunt, wie viele Kontakte darüber entstehen und wie unkompliziert das ist. Gerade Emails zu schreiben ist mein Ding, dann brauche ich nicht telefonieren. Mein Glück ist, dass ich immer Schüler hatte und habe, die in Sachen Internet unheimlich fit sind. Die haben Spaß daran mir zu helfen, deshalb habe ich eine schöne Homepage und bekomme reichlich Feedback darüber. Allerdings hänge ich jetzt nicht stundenlang vorm Rechner und checke Seiten von Drummerkollegen aus.


    RB: Ich denke, dass sich im Moment grade hier in Deutschland einiges tut und es allen Grund gibt, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Der Musikmarkt reguliert sich ja anscheinend doch mehr oder weniger selbst und die Leute lassen sich eben doch nicht jeden Mist andrehen.
    Das haben nun auch die Plattenfirmen gemerkt und setzen offensichtlich wieder mehr auf Livebands. Klar gibt es immer noch eine Menge schlechter Musik da draußen, aber es gibt auch viel Gutes und eine sehr große Underground-Szene. Grad in Berlin ist da eine Menge los.
    Hier kommt dann auch das Internet ins Spiel. Das ist natürlich eine super Plattform für junge Musiker und Bands, um die Musik unter die Leute zu bringen. Das Problem der Raubkopien besteht natürlich nach wie vor aber das ist nun mal nicht zu ändern. Man kann nur an die Vernunft der Musikhörer appellieren und hoffen, dass sie die CDs kaufen und nicht brennen. Ansonsten muss man die Flucht nach vorne antreten und sich die positiven Eigenschaften des Internet zu nutze machen.


    DF: Dein Tipp für das Drummerforum?


    AG: Ein guter Lehrer kann die eigene Entwicklung sehr beschleunigen. Deswegen sollte man so früh wie möglich konsequent einen guten Lehrer suchen, der einen führt. Wenn die Zeit vorbei ist, dann muss man sagen, Vielen Dank, und geht zum Nächsten. Ich kenne das DF jetzt nicht so gut, aber, alleine die Tatsache, dass sich Drummer austauschen und einen Community bilden, ist toll. So was habe ich von andere Musikern noch nicht gehört. Aber, dass man Fragen sozusagen ins All schießen kann und eventuell eine kompetente Antwort bekommt ist phantastisch. Euer Vorteil ist sicherlich, dass die Antworten ohne die Industrie im Rücken erfolgen.


    RB: Hm, da gehör ich ja genaugenommen auch zu:)
    Man sollte immer an sich glauben. Das ist sehr wichtig und nicht so einfach wie es sich anhört. Aber man sollte sich immer vor Augen halten: Wenn man etwas wirklich will und bereit ist dafür zu arbeiten, kann man es auch schaffen.
    Außerdem, keine Angst haben, auch mal ins kalte Wasser springen und nicht vergessen, warum man das alles tut: weil's Spaß macht. Den sollte man sich auf keinen Fall nehmen lassen!


    Weitere Informationen: http://www.raphibeckerfoss.de und http://www.andygillmann.de

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