Andy Lindner - Trommeln als Traumberuf und Lebenselixier

  • Mitte Mai hatte ich zum bereits dritten Mal das große Vergnügen, mit Andy Lindner bei „Pop meets Classic“ in Göttingen für den Groove zu sorgen. Aufmerksame Leser der Zeitschrift „Drumheads“ kennen Andy bereits, da er seit der ersten Ausgabe einen Teil der Playalongs einspielt.
    Zeit für ein Interview mit diesem vorzüglichen Drummer und außerordentlich netten Menschen.



    Seit wann trommelst Du und wie kamst Du ausgerechnet zum Schlagzeug?


    Ich bekam mein erstes „Supermarkt-Schlagzeug“ mit 4 Jahren und trommelte immer zu der Musiksendung „Disco“ oder der „Hitparade“. Es gab keinen speziellen Auslöser, das Trommeln hat mich magisch angezogen. Im Alter von 8 Jahren bekam ich mein erstes „amtliches“ Drumset und von da an ging es bergauf!


    Soweit ich weiß, bist Du Autodidakt. Siehst Du das in irgendeiner Weise als Vor- oder Nachteil?


    Im Großen und Ganzen denke ich, ist es bei mir kein Nachteil gewesen. Ich habe sehr viel zu Platten gespielt und mir die Drummer, die mich faszinierten, entweder live oder im Fernsehen angeschaut! So lernte ich schon früh, wie Songs funktionieren und was die Aufgabe des Trommlers ist! Ich konnte so schneller Abläufe in der Musik erfassen und zuvor gehörtes relativ leicht reproduzieren.
    Ich sollte dann irgendwann Notenlesen lernen und das war mir stellenweise zu langweilig. Ich wollte immer mit Anderen Musik machen und so viel spielen wie möglich. Als ich mich entschied professionell Musik zu machen, merkte ich schnell, dass das Notenlesen doch sehr wichtig ist und fing an mich selber weiterzubilden. Heute lese ich ganz ok, bei schweren Dingen brauche ich aber auch schon mal ein wenig Zeit!
    Generell ist es jedoch schon sehr ratsam frühzeitig Unterricht zu nehmen, denn man kann dadurch viel Zeit sparen und schon in jungen Jahren technisch schneller vorwärtskommen.


    Wie kam es zu Deiner Entscheidung, das Trommeln professionell zu betreiben?


    Ich merkte nach dem Tod meines Vaters, wie wertvoll es ist, die Dinge zu tun, an die man glaubt und die einen glücklich machen. Ich wollte schon frühzeitig nix anderes machen als trommeln und verdiente ab meinem 12. Lebensjahr schon etwas Geld mit Tanzmusik, doch es kamen immer wieder Phasen wo ich an die finanzielle Sicherheit eines normalen Berufs gedacht habe und von daher wollte ich dann erst mal Pädagogik studieren und nebenbei Musik machen. Doch als in der Zeit mein Vater starb öffnete mir das die Augen und ich wusste man muss das tun was wirklich für einen selbst das wichtigste ist. Heute bin ich froh über diesen Schritt, auch wenn es finanziell immer wieder schmalere Zeiten gibt. Ich habe das Schlagzeug noch nie verflucht und es holt mich in allen Lebenslagen zu mir selbst zurück und daher ist das Trommeln mein Traumberuf und Lebenselixier!


    Wie gestaltete sich die Anfangsphase als Berufstrommler? Konntest Du von Beginn an davon leben, bist Du da „irgendwie reingerutscht“ oder hast Du Deine Karriere als Drummer gezielt aufgebaut?


    Ich hatte immer irgendwie Glück, es gab immer irgendwelche Tanzmucken zu spielen und nebenbei machte ich die Musik die mich erfüllte. Wenn es eng wurde ging irgendwo eine Tür für mich auf und ich hatte plötzlich eine gut gebuchte Rock-Cover-Band oder spielte plötzlich ein Musical. Ich unterrichtete schon immer mal hier und da ein paar Kids und hatte auch da Glück für gute Musikschulen arbeiten zu dürfen. So kam ich über die Runden und konnte mir von dem verdienten Geld gutes Equipment anschaffen. Ich hatte immer ein paar festgesteckte Ziele; eine Tour zu spielen und ’ne CD mit einer Band zu machen, die es dann so richtig im Laden zu kaufen gibt. Als das passierte war ich so glücklich, dass ich mir sagte: “Das will ich immer machen!“
    Ich bin also quasi immer irgendwie vorangekommen und ich hoffe das bleibt auch so.
    Allerdings musste ich trotzdem auch Niederlagen einstecken und Dreck fressen. Aber ich fand immer wieder nette Musiker die mir Mut machten und so ist es bis heute geblieben!



    Du bist vielen Drummern bekannt, da Du für die Zeitschrift „Drumheads“ einen Teil der Playalongs einspielst. Wie kamst Du an diesen Job?


    Freunde von mir, 2 Gitarristen (Sebastian Friebe und Uli Emskötter) die auch für das Magazin „Soundcheck“ diverse Testberichte und Hörbeispiele in ihrem Studio in Paderborn produzieren, bekamen eines Tages vom PPV-Medienverlag den Auftrag ein Drum-Magazin mit Playalongs zu versorgen und fragten mich ob ich nicht Lust hätte die Playalongs einzutrommeln! Ich sagte sofort zu und bin seitdem dabei. Es macht totalen Spaß und seitdem stieg mein Bekanntheitsgrad auch etwas an, obwohl ich ja nun nicht ein BIG-NAME bin. Aber das Feedback der Drummer ist durchweg positiv und viele benutzen die Playalongs für ihren Unterricht. Darauf bin ich sehr stolz.


    Es ist eine große Herausforderung, für ein Fachpublikum zum Teil doch sehr prägnante und auch anspruchsvolle Drumtracks mit dem Ziel einzuspielen, das Original so genau wie möglich zu reproduzieren. Wie viel Zeit hast Du für die Vorbereitung und wie sieht diese bei Dir aus?


    Ich bekomme die Transkriptionen etwa eine Woche vorher und dazu bereits die fertigen Playbacks. Meist mit programmierten Drums. Oder ich höre die Originale. Dann heißt es, die schwierigen Passagen üben und beten. J Das Gute ist, dass wir ein sehr gut aufeinander eingespieltes Team sind und meine Aufgabe ist neben dem Spielen, mich um gutes Equipment zu kümmern, was bedeutet diverse Snares für die unterschiedlichen Songs am Start zu haben und auch mehrere Becken usw.
    Sebi und Uli zaubern dann mit Mikrofonierung und dem anderen üblichen Studiokram für den guten Sound!
    So haben wir dann an einem Tag meistens die Songs im Kasten!


    Im Drummerforum liest man immer wieder, wie sich junge, aber auch erfahrene Drummer an manchen Songs die Zähne ausbeißen. Bist Du schon mal an einem Song, den Du einspielen solltest, verzweifelt?


    Ja, es gibt Momente, da ist man wie vernagelt und bekommt bestimmte Pattern nicht auf die Reihe. So geschehen beim Mittelteil von“ Jump“... Ich spiele den Song seit Jahren mit diversen TOP 40 Kapellen, aber natürlich spielt man ihn dann immer auf seine eigene Art und Weise und versucht, die charakteristischen Fills und Grooves zu erhalten, aber da stimmt dann nicht jede Beckenglocke und jede offene Hi-Hat!
    Hier muss man aber wirklich die transkribierten Noten spielen und da hatte ich schon etwas dran zu kauen. Obwohl ich schon schwerere Songs zu spielen hatte, wollte dieser Mittelteil nicht grooven und ich wurde immer hektischer und hatte einen totalen Frustrationsanfall.
    Alex van Halen spielt diesen Song auch nie eins zu eins und hat diesen Take aus dem Bauch aufs Band genagelt und ich saß da und war total am Ende und fragte den Gitarristen Seb,i ob er das nicht spielen wolle. J Er hat mich dann mal zehn Minuten rausgeschickt und ich musste mich mal einfach runterfahren und neu ansetzen. Der Part wurde neu gespielt und wenn ich es heute höre denke ich das es dann doch ganz gut geworden ist. Allerdings gibt es keinen „First Take“ meinerseits bei den Drumheads-Aufnahmen... Leider. J


    Wenn ja, was war Deine „Taktik“, den Song doch noch zu meistern?


    Im Studio heißt es immer irgendwie frisch zu sein, und wenn man merkt, man ist überspielt, sollte man einfach eine Pause einlegen und vielleicht erst mal einen anderen Song auflegen oder sogar den Song auf einen ganzen Tag später verschieben...


    Du bist als Drummer sehr aktiv, spielst beispielsweise bei Musicalproduktionen und in diversen Bands als festes Mitglied und auch als Aushilfe. Worauf kommt es im Umgang mit den Mitmusikern am meisten an?


    Es geht bei diesem Job vor allem um Teamfähigkeit, darum keine schlechten Vibes zu verbreiten und natürlich auch schon um das Musikalische. In all den Dingen, die bisher auf mich zugekommen sind, war nie etwas “überaus oberabgefahrenes“ gefragt. Es ging immer darum, für ein musikalisches Konzept zu spielen, in dem die Drums Begleitfunktion haben und das kam meinem Spiel zugute. Ich bin kein Solo-Athlet und ein Solo zu spielen, ist für mich schon eher unangenehm. Ich begleite lieber Songs und fühle mich damit am wohlsten. Ich bewundere Trommler, die all diesen technischen Krempel runternageln können und dazu noch famos grooven können. Mein Lieblingstrommler ist und bleibt Vinnie Colaiuta. Der kann einfach alles spielen und bei ihm bekomme ich Schweißausbrüche und feuchte Augen und Ohren. Er erfindet das Schlagzeugspielen immer wieder neu und man erkennt ihn am Sound und einfach an seiner großartigen Musikalität und seiner einzigartigen Technik.
    Ich denke was sehr wichtig ist, ist der Aspekt der Zuverlässigkeit, sowohl an den Drums, wie auch in der menschlichen Komponente. Als Trommler muss man eine gewisse Art von Sicherheit vermitteln, wie beim Fußball der Libero. Wenn man hinten sicher steht kann man zumindest schon mal nicht mehr verlieren! J


    Wie würdest Du Deine Rolle als Drummer in einer Band oder einer Produktion beschreiben und ist diese „typisch Schlagzeuger“ oder eher „typisch Andy“?


    Es muss vor allem grooven. Wenn das funktioniert verzeiht man einem Trommler auch fehlende Technik. Es tanzt niemand zu einem Zweiundreissigstel- Sechstolen-Fill, aber zu dem simpelsten Vier-Viertel-Groove bewegen sich plötzlich die Füße, wenn er gut gespielt ist!
    Hört Euch „Billie Jean“ an und alles ist gesagt! Der Beat geht los und in Takt zwei tanzt der ganze Saal...das ist die Magie des Grooves.
    Ein weiteres Phänomen ist Phil Rudd von AC/DC: Er spielt schnörkellose Rockgrooves so unfassbar groovig. Das strotzt vor Soul...Einfach unnachahmlich!
    Wenn man mich anruft, dann hoffe ich deshalb, weil es grooven soll....das würde ich mir wünschen!


    Was macht für Dich einen guten Schlagzeuger aus?


    Groove, Musikalität und gute Teamfähigkeit! Ein klein wenig Technik wäre nicht hinderlich!



    Foto: S. Mauritz


    Was waren für Dich die bisherigen Highlights in Deiner Karriere und was würdest Du Dir für die Zukunft noch wünschen?


    Eine Europatour mit Cunnie Williams, Pop meets Classic in Göttingen, meine Musicalproduktionen und ich freue mich total, mit meinen Freunden Musik zu machen und wenn ich richtig gute Leute kennen lerne. Das sind immer meine Highlights...
    Ich würde gerne wieder eine Band haben mit der man eigene Musik macht, in Ruhe arbeiten kann und zusammen an den großen Traum glaubt! So mit Bandbus rumreisen und für eine warme Mahlzeit spielen...das ist Musik machen pur....


    Zum Abschluss noch eine traditionelle DF-Interview Frage:
    Was sind Deine Tipps für die Drummer im Drummerforum?


    Schaut Euch viele Trommler an und lernt die für Euch wichtigen Dinge von jedem Einzelnen.
    Findet heraus, was für Euch wichtig ist und versucht immer viel zu spielen...
    Übt zu CDs, versucht immer konzentriert zu üben und vergeudet keine Zeit durch herumdaddeln.
    Seid immer zuverlässig und nehmt das Trommeln ernst.
    Seid musikalisch und versucht den Reiz des Einfachen zu erkennen.


    We’re all the same under the groove!



    http://www.andy-lindner.de
    http://www.pop-meets-classic.de

    "If you don't feel it, don't play it." James Jamerson

    2 Mal editiert, zuletzt von drumsandbeats ()

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