Ian Paice war im Colos-Saal!

  • Gestern war schon Weihnachten und beschert wurde ein Ian-Paice-Workshop mit anschließendem Konzert, bei dem IP bei der Deep-Purple-Coverband Purpendicular die Trommel rührte. Aber der Reihe nach.


    Der Workshop fand statt im Colos-Saal in Aschaffenburg und Veranstalter war Musik-Service. Mein Trommelkumpel Mr. Geiberger und seines Zeichens Trommelschäff des Musik-Service war so freundlich und ließ mich während des Soundchecks in die heiligen Hallen und ich konnte mir die Vorbereitungen in aller Ruhe zu Gemüte führen. Das war sehr interessant und ein seltener Genuß. Wann bekommt man schon mal IPs Set unverstärkt aus 3 Metern Abstand zu hören? - thx@MG


    Soundcheck
    Das Set war dem aktuellen Tourset sehr ähnlich: 26/10/12/13/14/15/16/18 + IP-Snare, 2 Crashes, Ride, HH, China, alles Paiste 2002 und richtig große Teller, außer der HH. Schlagfelle coated, Reso clear, was genau weiß ich nicht. Das Set war sehr offen und resonant gestimmt. Ein sehr natürlicher, obertonreicher Sound, Die Bassdrum war gedämpft mit ordentlich Kick. IP spielte zum Soundcheck minutenlang Grooves mit HH, BD & Snare. Und danach hätte ich eigentlich schon gehen können. DAS IST'S!!! Das groovt, nein das SWINGT wie die Hölle! Egal ob eher straight, vertrackt, mit Verschiebern, mit richtig Dampf oder ppp: Alles hat den unnachahmlichen Paicey-Swing. Für mich persönlich einfach nur ergreifend.


    Workshop
    En gut gelaunter Herr Paice betrat die Bühne und erklärte, daß er von Trommeltheorie und dergleichen eigentlich keine Ahnung hätte und auch nicht wüßte, wie man einen Workshop "richtig" machen würde. Alles was er kann, hat sich mehr oder minder natürlich entwickelt und es freut ihn, daß das Ergebnis ganz o.k. ist und das sein Spiel auch anderen gefällt. Danach kletterte er hinter die Burg und gab ein super typisches Paicey-Solo zum besten mit allen Zutaten, die wir kennen und lieben: immer in Time, Zentrum des Spiels ist die Snare, die Akzente werden von hier ausgehend auf Toms und BD verteilt und mit einem call-and-response-artigen Akzentgewebe baut sich ein immer dichter werdender Trommelwald auf, der zum Schluß hin mit heftigen BD-Snare-Tom-Kombis - fast immer triolisch - und eingeflochtenen Crashes aufgelöst wird. So ein bißchen Mule ist immer dabei .-)


    IP spielte drei, vier Soli, alle ohne Begleitung oder Playback, am Ende ein nettes Snaresolo am Bühnenrand und führte auf Publikumswunsch ein paar Schmankerln aus dem DP-Repertoire vor, als da wären: natürlich das Fireball-Intro, die Black-Night-Breaks, das Pictures-Of-Home-Intro, den Groove von I Got Your Number...


    Beim "Frage- und Antwortspiel" zeigte sich Ian als prima Anekdotenerzähler mit britischem Humor. Er gewährte Einblicke über seine Philosophie des Musikmachens und -hörens. Drumming ist ihm wichtig, aber Musikmachen ist das, worum's eigentlich geht. Hier einige Sachen, die wir doch schon immer wissen wollten :)


    Fireball Nein, es waren zwei Bassdrums. Die zwote wurde kurzerhand Keith Moons Set entliehen, der im gleichen Studio mit The Who aufnahm.
    Made In Japan Ja, es war tatsächlich 16 * 10 Hängetom, 18 und 20 Standtoms mit einer 26er Bassdrum
    Burn Wie kam's zum " very busy playing"? Als die Band den Song wieder und wieder probte, hat Ian irgendwann aus Langeweile rumgedaddelt und etwas soliert, während die Restband den Gesangspart probte. Irgendwann meinten diese, daß das toll und sehr passend wäre. Daraufhin wurde der Song aufgenommen. Version 1 gefiel ihm nicht, Version 2 war gut und Ian dachte, daß er das noch besser könnte. Konnte er aber nicht und so blieb Version 3 im Archiv und Nummer zwo ist die LP-Version.
    Pictures Of Home Die Aufnahme war im Kasten, doch Ian war mit dem Intro-Fill unzufrieden. Alle anderen fanden es passend. Doch er bestand auf einen weiteren Versuch, der auch auf der Platte landete. Als vor einigen Jahren die remasterte Machine-Head-Version gemixt wurde, legte Roger Glover beide Versionen übereinander. Sie waren absolut identisch...


    Fazit
    Für mich war das von der ersten bis zur letzten Sekunde ein Genuß. Tolles, typisches Drumming und ein netter, sehr persönlich rüber kommender Herr Paice, der eloquent über Gott und die Welt, Musik und Drumming erzählte und philosophierte. Außerdem habe ich jetzt eine echte IP-Signature Snare :)


    Konzert
    Vor ein paar Wochen konnte ich den Meister mit DP in der Festhalle begutachten. Das war prima. Gestern war das Drumming genau so gut, nur war ich noch näher dran und ich konnte das Ganze besser hören und beurteilen, weil der Gesamtsound gut und der Trommelsound sehr gut waren. Und die Location kenne ich wirklich sehr gut. Die Band hat einen prima Job gemacht und der heimliche Star des Abends war der Gitarrist. Mei lieber Scholli, das war erste Sahne, wie der junge Herr da souverän durchs Programm ritt und auch nicht vor den gitarristischen Monstertaten eines Herrn Morse zurückschreckte, sondern - im Gegenteil - hier sehr selbstbewußt die wichtigen Sachen spielte und sich ansonsten den Freiraum nahm, stilsicher seine Version zum Besten zu geben. Daß der Kerl höllenmäßig spielen kann, muß nicht erwähnt werden. Der Sänger machte seine Sache gut und hatte nach einigen Blauen bei Highwaystar die Songs meist sicher im Griff. Vor allem die Gillan-typischen Schreie kamen überzeugend und fast immer in tune. Neben vielen MK II-, gab's auch einige MK III-Nummern, wie Mistreated und Stormbringer, was dem Sänger nicht ganz so lag (er war eher der Shouter als der Soulige), aber den seltenen Genuß bot, Paicey diese Nummern mal wieder spielen zu hören, denn im DP-Programm wird's nie Coverdale-Material geben, das Gillan singen wird. Stormbringer war die Wucht - im wahrsten Sinne des Wortes. Das hat richtig geballert. Weiter im Programm waren: Emeretta, Hush, Black Night, SOTW, Lazy, Child In Time, The Mule, Never Before, Perfect Stranger, eine Nummer von House Of Blue Lights und drei oder vier der Morse-Ära (tolle Nummern, deren Titel ich mir nicht merken kann). Das obligatorische Solo gab's bei The Mule mit den bereits oben erwähnten Zutaten, allerdings in der - im Vergleich zu MIJ - short Version. Trotzdem prima. Das riesen Set mit sieben Toms braucht IP eigentlich nicht, denn im Grunde spielt er 98 % aller Tomgeschichten auf 13/16/18. Der Rest schmeichelt wohl seinen Augen. Nicht verschwiegen werden soll, daß IP einige Böcke produziert hat, wo er wohl ein anderes Arrangement als der Rest der Band im Kopf hatte. So holperten zwo, drei Übergänge und drei, vier Schlüsse mußten mit Routine gerettet werden. O.k., das war jetzt wirklich Erbsenzählerei.


    Special Guest
    Besonders schön war die Gesellschaft und die Fachsimpelei mit den Herren hueni und Öko-Obi. Und wenn Gernot noch gekommen wäre, hätte der DF Rentnerstammtisch e. V. seine Jahreshauptversammlung abhalten können. Das kann ja noch kommen...


    Wie singt Badesalz: Das war ein dufter Ahabend... Jou!
    fwdrums



    Edith: Oh Mann, viele Fehler!!!

    nontoxic: kurze lange CD-Pause

    Einmal editiert, zuletzt von fwdrums ()

  • dem ist nicht viel hinzuzufügen: die nächtliche heimfahrt bei dem sauwetter hatte sich gelohnt. das war echt ein deal von fwdrums, den guten ian zur weihnachtsfeier des AH stammtischs zu engagieren. schade, dass ein "stammspieler" nicht dabei sein konnte. kann immer noch nicht glauben, dass es sich um ne 26" fusshupe gehandelt haben soll. dem wumms nach, hatte sie aber den hubraum ....

    now, this little number is in thirteen. it's subdivided 5 8 and 4 4, if you wanna clap your hands: one two one two three one two three four .... pretty good! FZ (1940 - 1993)
    Mein Spielzeug im Einsatz Hueni for Sale

  • Ergänzen möchte ich, dass ich mir meine Ohrenstöpsel mitnahm und somit, nach einem kurzweiligen "Begrüßungsplausch" ganz vor die Bühne bin. Somit waren es knapp 5 meter zwischen Ian und mir.


    Ich kenne ihn nunmehr seit ca. 35 Jahren und habe ihn ab 1980 vielfach livehaftig mit DP alt/ neu, Whitesnake (stand immer am Bühnenrand) und Gary Moore gesehen. Mehrfach durfte ich ihn auch auf der MM aus aller Nächste Nähe erleben. Im kleinen, leider schwach besetzten Club (dennoch prima Stimmung) entging mir aber keine Grimasse, des mit einem schlabberigen, verwaschenen T-Shirt (würde meine LG entsorgen) locker gekleideten sechszig jährigen Meisters. Wir haben ja einen extra Thread dazu. Meine Kamera blieb zuhause, daher hier nur ein verlinktes "normales" Bild.




    Er nickte nonstop im Takt, betonte viele Akzente mit aufgerissenen Augen und holte nicht selten wie ein Karpfen Luft, als wenn er die für den nächsten Break brauchte - sehr unterhaltsam. Mir fiel von Anfang an besonders auf, dass er fortlaufend die Achtel auf der Hi-Hat mittrat (z.T. auch während des Beats mit der linken Hand auf der Hihat) . Aber so gewaltig, dass diese ständig hin und her schwankte. Dadurch konnte er sich erlauben manchen Achtelschlag auf Ride oder Hihat auszulassen. Dies ging bis kurz vor Schluss gut. Doch vor dem (unnötigen und hier nicht ausgesprochenen) "SMOTW" verlangte die Kraft ihren Tribut: der Splint oder ähnliches über dem Pedal brach und konnte vom Roadie auch nicht mehr behoben werden (ich hätte es mit Draht und Gaffa versucht). Somit spielte er diesen Song und die beiden Zugabe-Lieder auf herunter gelassenen, leicht scheppernden, Hihat-Becken, bzw. teilweise auf der Snare.


    Mancher Schlag auf`s weit entfernte China ging daneben, schien ihn aber nicht zu kümmern, am Set wurde nichts korrigiert. Am Ende des Gig`s entschuldigte er sich nochmals für seine Verhauer. Jede(r) im Publikum verzieh ihm großzügig... Was er an Becken hängen hatte, würden andere Gongs nennen und das sonst übliche Splash auf der Bass fehlte.


    Für mich ebenfalls überraschend war, dass am Ende des uralten "Mule"-Solo er den Fuss plötzlich nach innen wechselte und kurz auf 2 FuMas ratterte!
    Ich dachte, das gäbe es bei ihm nicht - braucht er eigentlich auch nicht.


    Und dass er den ersten Teil der Stormbringer-Strophe auf der Hi-Hat Sechzehntel (einhändig) spielte. Das hört man gar nicht, kann man aber sehen (ziemliche Verschwendung)...



    Wie immer im Colossaal, alles sehr schön, Supersound, tolle Band, gute Songs - aber bis auf "Child in Time" waren meine Purple-Favs nicht dabei!
    Zurück bleibt das Wissen, einen der immer noch besten Drummer der Welt (und einen der Erfinder des Rockdrumming), mal wieder gesehen zu haben:
    Je oller - umso doller


    http://www.drummerworld.com/drummers/Ian_Paice2.html

  • Immer wieder schön zu lesen und noch schöner zu erleben:


    Ein Mensch der Spass vermittelt wahnsinnig gut spielt traumhaft den Rock zum swingen bringt UND seine eigene Begeisterung auf das Publikum übertragen kann - immer jeden Cent wert !!!


    Hab´s auch nie bereut "mit Ihm" viele viele Stunden meiner Jugend verbrahcht zu haben, als ich zu DP, Whitesnake,PAL und Gary Moore Scheiben trommelte !!!

  • danke fwdrums und öko-obi für die ausführliche und unterhaltsame berichterstattung direkt aus dem schützengraben! freu mich schon auf heute abend, denn da spielt der meister in innsbruck und ich darf dabei sein! durch eure zeilen ist meine vorfreude ungebremst...! ;)


    lg
    mike

  • Jetzt kann ich mich ja outen, bin nur nicht erschienen, weil ich sonst beim nächsten MHS bei den Rentnern hätte sitzen müssen.
    Nee, im Ernst, wenn wieder mal so etwas ansteht, dann mal Bescheid geben, bitte. Vielleicht kann der Hueni mich ja mitnehmen...

    Wer leichter glaubt, wird schwerer klug!

  • Schöner Bericht, da habe ich wohl (wie nicht anders zu erwarten) was verpasst.
    Aber sobald mein Rollator wieder aus der Werkstatt kommt, bin ich wieder einsatzbereit.
    Und mit meinem neuen Hüftgelenk kann ich dann auch wieder mit euch Pogo tanzen. ;)

  • Danke fwdrums und Öko-Obi,
    kann euren Enthusiasmus förmlich zwischen den Zeilen riechen, leider durfte ich ihn noch nicht live erleben. Aber er ist der Held meiner Jugend - auch heute noch.



    stiegl

    Denk mal nach!


    Und, heute schon geübt? =)





    Meins

  • Schöner Bericht - danke.


    Angefixt vom hiesigen Fred hatte ich auf der Röhre Reminiszenzen gesucht, und hab in Sachen IP eine kleines Schmankerl entdeckt, was ich noch nicht kannte (ist ähnlich wie die Made in Japan Version, aber doch anders).


    To whom it may concern:


    http://www.youtube.com/watch?v=C0mc5TX_Fo4


    Nebenbei hübscher Anschauungsunterricht in Sachen Paice'schem Drummen:


    1. In der gejammten Eingangssequenz zeigt IP, was Groove ist: Kuhglocke, Snare und Trethupe, dazu getretene HH und 'n bißchen Paradiddle, der Rest ist Feeling: fertig ist der Todesgroove......... (ich hörs grad nochmal: scheiße, ist das cool, selbst nach 36 Jahren Drumentwicklung, die ins Land gegangen sind. Für diese kleine Sequenz schmeiß ich vieles weg, was meinen Plattenschank so ziert).


    2. Er ist einer besten Rock-Shuffle-Spieler aller Zeiten, vielleicht sogar der Größte. Habe bei keinem anderen Drummer so ein ausgeschlafenes und trotzdem treibendes Shuffle-Feeling gehört. Wenn IP seine Buben auf 5:06 wieder ins Spiel führt, dann groovt es derart, dass es fast weh tut.


    3. Seine Bass ist einfach unnachahmlich, seine Bass-Drum-Doubles auf 3:32 sind schon ziemlich böse.


    4. Er weiß, dass Dynamik ein musikalischer Begriff ist.


    5. Er ist kein Poser, er ist cool.


    6. IP zeigt, dass man ein guter, treibender und auch zuweilen lauter Drummer sein und trotzdem locker spielen kann, ohne sonderlich reinzuhauen oder Baumstämme zu bewegen.


    Gleichwohl: ich fand ihn mit Gary Moore jetzt auch nicht so scheiße, wie er sich nach dem Zitat offensichtlich selbst, aber ich denke, dass dieser spezielle Groove bei der legendären Purple Formation 1972/73 das Gesamtergebnis aller Protagonisten ist, insbesondere des auch so oft unterschätzten Roger Glover (DP und die Zep's sind ohnhein die beiden am besten groovenden Rockformationen aller Zeiten). Paice hat mit DP immer am besten gegroovt. Was wieder zu der These führt, dass der gelungene Groove einer Band eine glückliche Chemie aus dem Einzeltiming der jeweiligen einzelnen Mitgleidern ist, ohne das man exakt herleiten kann, woher es kommt.


    See

    "Pommes/currywurst hat einfach seine eigenen Gesetze."
    (c) by frint / 2008


    "Es macht so viel Spaß, ein Mann zu sein, das können sich Frauen gar nicht
    vorstellen!" (c) by Lippe / 2006

    2 Mal editiert, zuletzt von Seelanne ()

  • Ian Paice ist in seiner Abteilung unantastbar, selbst der über alles gehypte Herr Bonzo konnte einen derart coolen Rockshuffle nicht toppen. Was mich hingegen erschreckt: Ian Gillan ist völlig fertig (runtergesoffen?), dabei ist dieser Clip gerade mal ca. 1 Jahr nach den legendären Japan-Mitschnitten entstanden. :huh:

    Das ist fein beobachtet!

  • .. ich denke auch, Ip ist der beste Shuffle-Player, wollte die Verdienste von Big Bonzo aber nicht so ohne Kommentar im Raum hängen lassen, wiewohl ich meine, Bonzo hatte den besseren Halftime-Shuffle.


    Ian's Augen sehen mehr nach weißem Pulver oder großer Friedenspfeife aus. Egal, der Historie zufolge war die Combo, insebsondere Gillan, zu dieser Zeit ausgepowert bis aufs Zahnfleisch, vielleicht deshalb. Irgendwie aber auch wieder bedenklich: Selbst diese dahingejammte - und geschluderte Version hat mehr balls als ..... . Ach lassen wir das, sonst wird dieser Fred wieder in der Folgezeit verunreinigt.


    Gruss ..............


    See

    "Pommes/currywurst hat einfach seine eigenen Gesetze."
    (c) by frint / 2008


    "Es macht so viel Spaß, ein Mann zu sein, das können sich Frauen gar nicht
    vorstellen!" (c) by Lippe / 2006

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