Fragen zu Urheberrecht und GEMA bei Noten und Aufführungen

  • Moin,


    hoffe, das ist okay, dass ich das hier frage, weil es hier bestimmt einige Erfahrungen gibt.


    1. Unterliegen Noten dem Urheberrecht?
    Das Person A eine schriftliche Notation (z.B. aus einem Buch eines Verlages) nicht kopieren darf, ist soweit klar. Wie ist es aber, wenn er die Notation z.B. in MuseScore abschreibt und veröffentlicht mit Hinweis auf Lied und Autor? Findet man ja oft im Internet - gratis aber auch gegen Geld. Unterliegen Noten da einer Schöpfungshöhe wie ein Buch? Die Noten selbst geben ja noch kein Inhalt - denke ich.


    2. Gelten Noten/Kompositionen 70 Jahre nach dem Tod immer als gemeinfrei?
    Das Urheberrecht sieht ja dieses auf 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers beschränkt. Gilt das immer - heißt 70 Jahre danach können z.B. Noten frei verwendet und veröffentlicht werden (aufbauend auf Frage 1)?


    3. Ab wann muss man GEMA für eine Aufführung bezahlen?
    Hier hat Person A in seiner Musikgruppe die Diskussion ob GEMA für Lieder, die anlehnend an Frage 2 als gemeinfrei gelten, ohne GEMA aufgeführt werden dürfen. Die Lieder befinden sich in verschiedenen Aufführungen/Interpretationen in der GEMA-Datenbank, der Künstler/Komponist ist aber seit 70 Jahren tot. Heißt für Person A eigentlich: selbst spielen darf er es - GEMA fällt nur an wenn er die Platte eines GEMA-Künstlers abspielt. Richtig? Bei anderen Musikgruppen gab es da wohl schon Probleme und Strafen (die damit umgangen werden jetzt, dass der Veranstalter die GEMA-Pflicht per Vertrag aufgebürgt wird und nicht der Musikgruppe).


    Vielen Dank für die Antworten.

    Roland TD-4KX | Basix Custom Short Stack Special Edition Bumblebee mit Sabian B8 | Vic Firth Bolero SD1 General

  • Hallo de50ae,


    das sind schon recht komplexe juristische Fragen. Der sicherste Weg ist der zu einem darauf spezialisierten Anwalt. Oder ein Blick in den "Praxiskommentar zum Urheberrecht", Becksche Reihe, ca. 2.600 Seiten: Was Dich wieder zu besagtem Anwalt führt ...


    Der Punkt ist, dass es in Rechtsfragen auf den Einzelfall ankommt: Da nützen allgemeinen Richtlinien mit Pech am Ende wenig. Die angedrohten Strafen und Erfüllungstatbestände im UrhG hast Du sicherlich gesehen?


    Grüße, Michael

    "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." (Wird Kurt Lewin zugeschrieben) // Was schlechte Theorien unbrauchbar macht ... //

  • Frag einfach die GEMA . Die werden dir sagen, was Jürgen K. sagt. Es geht ja schließich um deine Kohle und um da optimal ran zu kommen, hatte die GEMA genügend Zeit, sich zu optimieren, man kann sagen, seit der düstersten Zeit in D.


    Zitat aus Wikipedia:


    Zitat

    Die Reichsmusikkammer unter ihrem Präsidenten Richard Strauss hatte 1934 in ihren Richtlinien festgelegt, dass „Nichtarier grundsätzlich nicht als geeignete Träger und Verwalter deutschen Kulturguts anzusehen“ seien. Dies bedeutete das Berufsverbot für die damals etwa 8000 in der Reichsmusikkammer organisierten Juden. Die STAGMA war fest in das nationalsozialistische Machtgefüge eingebunden und die leitenden Mitglieder der STAGMA waren eingefleischte und freiwillige Nationalsozialisten. Geschäftsführer der Stagma wurde Leo Ritter, der dieses Amt schon seit 1928 bei der ursprünglichen GEMA innehatte und Hitlers Mein Kampf als Prämie für verdiente Mitarbeiter zu verschenken pflegte.[13]


    Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die STAGMA ihre Arbeit fort, ab dem 24. August 1947 allerdings unter der Bezeichnung GEMA, Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte.


    Ich hätte gern mal einen Link zu einer Entschuldigung dafür der GEMA.


    :thumbdown:


    FCK NZS

  • und ich dachte immer nur die Handwerkskammer
    und der Schornsteinfeger seien eine Erfindung der Nazis.



    zu Punkt 1 und 3 hat Jürgen recht
    bei 2 weiß ich nicht.


    Auch wenn der Künstler längst tot ist gehen die Rechte und damit die Tantiemen an die Erben über.
    Ich kann mir auch vorstellen das so mancher Künstler heute mehr verdient durch all die ganzen Coverbands als
    durch aktuelle Plattenverkäufe.

    don´t panic

  • Hallo,


    grundsätzlich kann man sich ja für den Einstieg mal das Gesetz besorgen, das geht heutzutage sogar virtuell:
    https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/


    Einen Kommentar dazu zu lesen, macht nur Sinn, wenn man konkreten Bedarf an der Vertiefung der ein oder
    anderen Vorschrift hat. Kein Mensch, auch kein Jurist liest einen Kommentar von vorne bis hinten, so etwas
    ist ein Nachschlagewerk. Wer die Materie studieren will, kauft sich ein Lehrbuch oder besser noch eins oder
    vielleicht auch drei oder vier oder ... je nachdem, wieviel Zeit man damit verbringen möchte.


    Diskussionen im Proberaum sind immer unerfreulich oder auch höchst erheiternd, je nach Humorverständnis,
    meistens fehlt es aber doch an genuinen Kenntnissen, obwohl meist alle Beteiligten ein Smarti in der Hand haben
    und darauf bestimmt auch die Wetter-, Börsen-, Fußball- und sonstwas-App drauf haben, schaffen sie es erstaunlicherweise
    nicht, mal nach "urhg" zu guggeln.
    Ein Blick ins Gesetz erspart viel Geschwätz.


    Leider ist die Standard-Antwort in der (Rechts-) Wissenschaft aber: "das kommt darauf an".


    Zu 1)
    Es wird ausnahmsweise auch Noten geben, die in der konkreten Ausgestaltung nicht dem Urheberrecht unterliegen,
    das dürfte sich dann aber auf belangloses Gekrakel beschränken. Grundsätzlich unterliegt alles dem Urheberrecht,
    was veröffentlicht ist.


    2. Gelten Noten/Kompositionen 70 Jahre nach dem Tod immer als gemeinfrei?


    Zwar erlischt hierzulande das Urheberrecht nach siebzig Jahren, wenn der Urheber das Zeitliche gesegnet hat (§ 64 UrhG), aber wenn der Laie das dann als
    Freibrief betrachtet, muss man ihn warnen: kennt denn der Laie auch den wirklichen Urheber? Gibt es beim konkreten Werk eventuell nennenswerte Veränderungen,
    die möglicherweise neue Urheber- oder vielleicht auch sonstige Rechte auslösen?
    Da sollte man dann doch lieber mal genauer hinsehen, anstatt nach dem dritten Bier zu sagen, das Lied über den Puff über dem Meer ist uralt, der Urheber ist
    definitiv selbst im Himmel schon zu Staub zerfallen, da können wir loslegen ...
    Geben wir das Lied mal ein: "Die Anzahl der gefundenen Treffer ist größer als 200" - ups. Was'n das?
    Nehmen wir die bekannteste Fassung der Tiere: siehe da, da ist doch glatt einer als Bearbeiter eingetragen und das heißt:
    wir haben aktuell tatsächlich einen, der ein Urheberrecht besitzt und der lebt.
    Das findet man dann schon, wenn man sich bis zur Hausnummer Drei vorgewagt hat, § 3 S. 3 UrhG, soweit kommen die meisten aber gar nicht, sondern
    versteifen sich auf das, was sie irgendwo mal gehört haben und verdrängen, dass jeder Fall anders ist.


    Zu 3)

    Hier hat Person A in seiner Musikgruppe die Diskussion ob GEMA für Lieder, die anlehnend an Frage 2 als gemeinfrei gelten, ohne GEMA aufgeführt werden dürfen. Die Lieder befinden sich in verschiedenen Aufführungen/Interpretationen in der GEMA-Datenbank, der Künstler/Komponist ist aber seit 70 Jahren tot.

    Hier ist der Widerspruch schon in der Frage: welches Werk ist denn gemeint?
    Mal praktisch heruntergerechnet auf das, was üblicherweise in Kapellen der Kreisklasse passiert: man nimmt eine Aufnahme und versucht, diese nachzuspielen, ggf. sie auch noch kreativ oder notwendigerweise zu verändern. Damit ist das relevant, was a) als Vorlage verwendet wird und b) hinten heraus kommt. Ist zwischen a) und b) ein Zusammenhang herstellbar und a) geschützt, dann ist das so und alle Herausredeversuche interessieren Profis nicht.

    Heißt für Person A eigentlich: selbst spielen darf er es - GEMA fällt nur an wenn er die Platte eines GEMA-Künstlers abspielt. Richtig?

    Nein, der darf es selbst spielen und wenn das öffentlich geschieht, darf der Veranstalter (das kann er auch selbst sein) die Gebühren bezahlen.

    Bei anderen Musikgruppen gab es da wohl schon Probleme und Strafen


    Das sollte man dann bei allen Windungsversuchen mal nüchtern zur Kenntnis nehmen.


    Wenn mein Kaffee (inzwischen habe ich das zweite "e" gefunden) noch gut war, müsste das so ungefähr hinhauen, aber es ist heiß und ich habe gerade Kaffeepause, daher selbstredend ohne Gewehr, wenn was nicht stimmt, liegt es am Wetter oder daran, dass ich die 2.600 Seiten nicht gelesen habe, vielleicht steht da ja noch etwas Erhellendes drin, wenn jemand Lust hat ...


    Grüße
    Jürgen


    PS
    Praxistipp:
    Liste der gespielten Lieder aufschreiben (optimalerweise nebst Autoren oder wenigstens Interpret) und dem Veranstalter zwecks Anhang zur Meldung überreichen.

  • Einen Kommentar dazu zu lesen, macht nur Sinn, wenn man konkreten Bedarf an der Vertiefung der ein oder
    anderen Vorschrift hat.


    Anmerkung:


    Jedes Gesetz enthält geregelte und offenen Teile. Die offenen Teile überlässt der Gesetzgeber bewusst der aktuellen Rechtssprechung. Verschiedene Gerichte können denselben Gesetzesabschnitt oder den dazugehörigen Fall unterschiedlich betrachten und somit zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Die Urteile selbst sind beispielsweise über dejure.org (z.B. UrhG) auffindbar, etwa zu § 2 UrhG Geschützte Werke (unten: alle 1193 Entscheidungen). Der Praxiskommentar eines Gesetzes fasst die gewonnenen Erkenntnisse etwas übersichtlicher zusammen.


    Man kann sagen: So ziemlich jeder Paragraph eines Gesetzes kann im Licht der Urteile einmal so, einmal so aussehen. Mitunter werden Gesetze zu einem späteren Zeitpunkt überarbeitet, etwa sobald sich Tendenzen für Urteile oder richterliche Auffassungen abzeichnen.


    Der Umfang des Kommentars bzw. die Anzahl Urteile je Paragraph zeigt ein wenig, wie komplex juristische Sachverhalte sind: Einzelfall versus Gesetz.



    Ob dann das Lehrbuchwissen oder Google-Ergebnisse zu einem beliebigen Gesetz ausreichen, Schaden von sich abzuwenden, mag Jede/r selbst entscheiden.


    Grüße, Michael

    "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." (Wird Kurt Lewin zugeschrieben) // Was schlechte Theorien unbrauchbar macht ... //

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  • Hallo,


    Man kann das Pferd von vorne und von hinten aufzäumen.


    Das Problem des Laien ist: er ist Laie.
    Deshalb müsste er zunächst mal ein Lehrbuch lesen, um überhaupt die Systematik zu verstehen.
    Einen Kommentar oder gar einzelne Urteile zu lesen, ohne von der Materie schon Ahnung zu haben,
    führt regelmäßig in die Irre, leider gibt es zahlreiche Laien, die genau das tun und ihren Anwalt
    dann mit nicht auf den Fall passenden Urteilen und ihren selbst gebildeten Vorurteilen malträtieren.


    Jeder darf lesen, was er möchte, aber man sollte schon noch mal einen Gedanken dafür verschwenden,
    warum ein Medizinstudium so lange dauert, wo man die Diagnose und den Behandlungsplan doch selbst
    via Nachschlagewerk binnen einer Stunde fertig hat.


    Wir haben übrigens in Deutschland kein case law (jedenfalls nicht im Urheberrecht), folglich ist die
    Herangehensweise über das Studium von zahlreichen Fällen eher ein Weg in die Irre.


    Grüße
    Jürgen

  • Jürgen,


    ich denke, wir sind uns darin einig, dass der Weg zum Spezialisten häufig der sinnvollere ist, sei es der Arzt oder der Anwalt.


    Das Problem des Laien ist: er ist Laie.


    das sind schon recht komplexe juristische Fragen. Der sicherste Weg ist der zu einem darauf spezialisierten Anwalt. Oder ein Blick in den "Praxiskommentar zum Urheberrecht", Becksche Reihe, ca. 2.600 Seiten: Was Dich wieder zu besagtem Anwalt führt ...


    Du erkennst sicher die feine Ironie der 2.600 Seiten in diesem Zusammenhang?


    Wir haben übrigens in Deutschland kein case law (jedenfalls nicht im Urheberrecht)


    Das ist richtig, das haben beispielsweise die USA und Gesetze werden erst viel später aus Einzelurteilen kondensiert. Was ich für DE darstellte, entwickelt sich auf einer Zeitskale, die eher in Jahrzehnten tickt.


    In DE folgen wir im Wesentlichen dem Ansatz Sachverhalt, daraus der argumentierende Fall auf Grundlage der in Betracht kommenden Gesetze und Verordnungen, daraus die logisch zwingende juristische Folge aus diesen Gesetzen und Verordnungen, wenn und nur wenn alle im Fall aufgeführten Bedingungen auch tatsächlich vorliegen. Ob diese notwendigen Bedingungen im konkreten Sachverhalt auch tatsächlich vorliegen, wird u.a. im Gericht geprüft. Die sind mal erfüllt und mal nicht. Damit der Spezialist das einschätzen kann und ggf. die Fallargumentation anpassen oder gar das Mandat niederlegen kann, dafür sind Urteile aus möglicherweise vergleichbaren Fällen für den Anwalt sinnvoll.


    Natürlich: Wenn von den Antworten auf die 3 Fragen, die ja den wahren Sachverhalt eisbergartig nur umschreiben, etwas abhängt, dann gibt es nur den sinnvollen Weg zu einem vertrauensvollen Anwalt für geistiges Eigentum in Verbindung mit Wirtschaftsrecht. Und davon gibt es mehr, als man vielleicht denkt :rolleyes:


    Grüße, Michael

    "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." (Wird Kurt Lewin zugeschrieben) // Was schlechte Theorien unbrauchbar macht ... //

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  • Wow, vielen Dank für die umfangreichen Antworten.


    Scheint doch komplexer zu sein. Warum sollte man auch Gesetze ohne Anwalt verstehen können :D


    Vielen Dank!!

    Roland TD-4KX | Basix Custom Short Stack Special Edition Bumblebee mit Sabian B8 | Vic Firth Bolero SD1 General

  • Hi,

    Scheint doch komplexer zu sein.

    es ist gar nicht so komplex, wie es scheint. Es gibt Daumenregeln: Falls etwas materiell von Wert ist, kannst Du sicher sein, dass Interessen (am Geldverdienen) im Raum sind. Will heißen: Gibt es ein Werk (Noten, Musik), das gemeinhin interessant ist, dann gibt es Menschen, die ein Interesse an der Rechteverwertung haben. Und sich dazu Gesellschaften wie der GEMA bedienen. Und die wiederum vertritt dann (mitunter energischer als man das als Veranstalter einer öffentlichen Fete denkt) genau diese Interessen.


    Kurzfassung: Geh davon aus, dass es nichts umsonst gibt. Und das ist auch gut so, denn Musik zu komponieren und zu notieren ist ein mühseliger, in jedem Fall wertvoller Beitrag zu unserer Kultur. Irgend wovon müssen Musiker und Komponisten leben.


    Beste Grüße von
    Hajo K (der auch mal erstaunt war, wie teuer Noten waren, bis dann das Big Band-Paket ankam und klar wurde, wieviel weniger Arbeit mit dem Arrangieren die Band jetzt hat)

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