Matthias Tenthoff - Matzdrums - Als Schlagzeuglehrer eine Art Berufung

  • Die wichtigeste Sache der Welt
    Matthias Tenthoff oder vielmehr Matzdrums ist sicherlich vielen von Euch schon länger bekannt, man könnte ihn als eine Art Urgestein des Forums bezeichnen. Mit Rat, Tat und einer eigenen Meinung, die er zu vertreten weiss, ist er als DFler aktiv. Besonders seine Musicfiles, die er in der Hörzone bereitstellt, beweisen die Qualität seiner Kunstfertigkeit. Bei zahlreichen Treffen in Astheim bot sich immer die Gelegenheit mit ihm entweder zu fachsimplen oder einfach nur Spass zu haben. So ist es denn auch nicht erstaunlich, dass Matzdrums auch auf meiner Wunschliste der Interviewpartner aus dem Drummerforum zu finden war.



    DF: Wann ging es los mit dem Schlagzeug?
    MT: Los mit der Musik so mit 8 oder 9, wenn ich mich recht entsinne. Mein Cousin hatte dieses Schlagzeug, da habe ich schon als 4-jähriger drauf rumgeklopft. Meine erste Handlung bestand darin einen kaputten Stick durchs Snare-Fell zu kloppen. Irgendwann hat der mir dann dieses Set geschenkt und es konnte losgehen.


    DF: Warum gerade dieses Instrument, was bedeutet es für dich?
    MT: Nun, ich glaube das das Schlagzeug das Instrument mit der größten dynamischen Bandbreite ist. Ich kann mich am Schlagzeug am besten musikalisch ausdrücken. Für mich ist Musik die wichtigste Sache auf der Welt. Und da mein Instrument das Schlagzeug ist, ist Schlagzeugspielen für mich eben die wichtigste Sache auf der Welt.


    DF: Ab wann professionell? Was sind die Vorteile und die Nachteile des "Jobs"?
    MT: Ich hab mit 9 als Trompeter in einer Marschkapelle auf dem St. Martins-Umzug meiner Schule mitgemacht und dafür 20 Mark bekommen. Davon konnte ich mir eine Schallplatte kaufen (ich glaube es wurde eine von „Kiss“). Da war mir klar, was ich werden wollte. Professionell bedeutet für mich, mit Schlagzeugspielen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist bei mir so seit 1997, glaube ich. Mein Beruf macht mir einen Riesenspaß, allerdings hat man nie dann Freizeit, wenn das Gros der Mitmenschen Freizeit hat. Dafür kann man morgens ausschlafen, das kommt mir als absoluter Nachteule ziemlich entgegen. Problematisch ist auch die Einkommenssituation. Einen Grundstock habe ich natürlich durch den Unterricht, aber Einnahmen durch Konzerte etc. sind halt schwer planbar. Und Reich wird man auf die Tour garantiert nicht. Aber ich habe alles, was ich brauche. Es gibt auch niemals diesen Alltagstrott. Jeder Tag läuft anders, das empfinde ich als großes Geschenk. Ich bin bis jetzt noch niemals Mittags aufgestanden und habe meinen „Job“ gehasst, das ist doch was.


    DF: Wie siehst du die Funktion / Rolle des Drummers innerhalb einer Band / eines Projektes?
    MT: Ich denke das der Drummer (und damit meine ich der Einfachheit halber auch weibliche Schlagzeuger) DAS Bindeglied ist. Es gibt sicherlich schlechte Bands mit guten Schlagzeugern, aber es gibt keine gute Band mit einem schlechten Schlagzeuger. Als Schlagzeuger habe ich so viele Möglichkeiten auf die anderen Musiker einzuwirken wie niemand sonst. Ich kann auf einen Solisten reagieren oder selber agieren und dadurch Solisten fordern. Ich kann eine Melodie unterstützen oder sie zerstören. In einer Big-Band zb. gibt es einen Leader, in einem Orchester gibt es einen Dirigenten, aber wenn der Schlagzeuger eine andere Idee von der Musik hat wird die Band folgen. Das finde ich einerseits grossartig, andererseits ist das natürlich eine ganz schöne Verantwortung. Wenn der vierte Hornist in einer Symphonie Grütze spielt merkt das kaum einer. Wenn der Solopauker sich verdaddelt hört das jeder.


    DF: : Wie wichtig ist die zwischenmenschliche Kommunikation und sollte man einen ausgleichenden Charakter haben?
    MT: Musik funktioniert nur über Kommunikation. Mit manchen Menschen funktioniert das besser als mit anderen. Mit jemandem, den ich persönlich gut kenne, kann ich viel besser zusammenspielen, weil ich weiss, was er denkt und derjenige weiss, was ich denke. Diese Form von non-verbaler Kommunikation hab ich schon mit einigen Leuten erlebt und wundere mich doch jedes Mal darüber. Das sind dann die Momente, wo das Ego geht und die Musik kommt. Ich bin ein ziemlich harmoniesüchtiger Mensch, aber es hat schon einige Situationen gegeben, in denen ich einfach den Kram hingeschmissen habe. Bei Gigs ist es manchmal absolut von Nöten zu vermitteln, weil es im Publikum nun wirklich niemanden interessiert, ob der Basser den Pianisten nicht gut leiden kann. Auf der anderen Seite lasse ich mir bestimmt nicht alles bieten, Geschissen auf Geld und Ruhm, wenn die Chemie nicht stimmt entsteht auch keine Musik.


    DF: Wie siehst du die Zukunft der Musikindustrie und was bedeutet dabei das Medium Internet?
    MT: Ich habe mit der Musikindustrie gottlob nicht viel am Hut. Was ich aber sehe ist, dass Musik heutzutage genauso produziert und verkauft wir wie Waschpulver oder Schuhe. Niemand geht Risiken ein, niemand investiert in junge Bands. Das ist der absolute Todesstoss. Ein Label verlangt heutzutage Demos in einer Qualität, die man nur noch auf CD pressen muss Aber die Technologie ist halt da. Jeder und seine Mutter hat mit einem Aldi-PC und einem Internetzugang die Möglichkeit sendefähiges Material zu produzieren. Das ist einerseits fantastisch, andererseits ist dadurch die Erwartungshaltung der Labels extrem hoch. Musik verkaufen hat heutzutage in erster Linie mit Halbwertzeiten zu tun. Das Demo muss 3 Hit-Singles haben, Budgets werden nicht mehr für Studiozeit sondern für Medienschmiere und Video-Rotationen rausgehauen und alle wollen schnell Geld verdienen. Wenn man sich z.B. die ersten Alben von U2 oder die erste Police-Platte anhört, so etwas fliegt beim A&R heutzutage nach 10 Sekunden in die Tonne. Billiger Trash wird in die Charts gehievt, Künstler kommen entweder fertig zum Label oder gar nicht, es geht um Titten und Ärsche und den aktuellen Trend. Musik an sich findet ja quasi nur noch als Subkultur statt, der Song ist Beigabe zum visuellen Spektakel. Das Internet als Vertriebsweg ist sicherlich eine fantastische Sache, aber da trennt niemand die Spreu vom Weizen und die Perlen die es gibt muss jeder mühsam finden und sich dabei durch pop-up verseuchte Müllseiten kämpfen. Wer hält das aus? Oder durch? Musik ist eine Ware, die man inzwischen frei haus bekommt, quasi nebenbei. Ich kenne Leute, die haben 400 gebrannte Scheiben im Regal und bezeichnen sich selbst als „Musikfans“. Das geht gar nicht. Ein Künstler hat das Recht für seine Leistung bezahlt zu werden. Leider werden im Moment meist Pappnasen fürs Hüftwackeln entlohnt.


    DF: Was bedeutet es für dich als Lehrer zu arbeiten und mit welchem Ansatz
    vermittelst du dein Wissen und dein Können?

    MT: Ich unterrichte gerne, ich glaube das ist eine Art Berufung. Ich versuche zu jedem Schüler einen individuellen Zugang zu finden, um jedem auf seine Art zu zeigen, wie großartig es ist Musik zu machen. Das bedeutet z.B. das ich nicht nach „Schema F“ verfahren kann, weil bei jedem Schüler die Gewichtung eine andere sein muss. Ich habe auch einige Schüler mit ADS (Anmerkung DF: Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom), da muss ich mich entsprechend drauf einstellen. Oft ist es so, dass eine Schlagzeugstunde quasi zur Therapiestunde wird, weil meine Schüler natürlich auch ihre persönlichen Probleme und Schwierigkeiten mit zum Unterricht bringen. Da sind dann häufig ganz andere Qualitäten gefragt als das Erklären von Paradiddles.


    DF: Den Tipp für das DF?
    MT: Weniger Diskussionen um Marken und mehr Diskussionen um Musik fände ich prima. Klaut soviel wie möglich Ideen bei anderen Schlagzeugern und seid offen für Neues. Und hängt nicht so viel vor dem Rechner sondern geht auch mal ne Runde üben ;)


    Dank an Matzdrums für das schnelle Beantworten der Fragen.



    Immer wieder ein Earcatcher: MT bei Workshops auf den Forums-Treffen ....................... und zusammen mit Ulf Stricker beim GigPig Tauglichkeits-Test

    2 Mal editiert, zuletzt von ipo ()

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