Martin Rüster - De' Maddin - Gefangen im Mainstream?

  • Seit über 20 Jahren mit dem Drummervirus infiziert
    De' Maddin, bürgerlich Martin Rüster, ist einer der Forumsmember, dessen Beiträge immer wieder gerne gelesen werden. Besonders seine Vorstellung in der Galerie hat hohen Unterhaltungswert. Er ist aber nicht der oberflächichge Entertainer, vielmehr hat er sich intensiv mit dem Instrument und die Rolle des Drummers in der Band auseinandergesetzt. Vielen Dank für die tollen Antworten und die schnelle Korrektur.



    DF: Seit wann spielst du Schlagzeug und warum ausgerechnet dieses Instrument?


    MR: Am Besten schaut man in meinem Galerieeintrag nach, hier nur die Kurzform. Also, im Fernsehen habe ich einen Bericht über einen Schlagzeuger gesehen. Da war ich so zwischen elf und zwölf Jahre alt. Ich wusste nicht, wer das ist, es war einfach nur geil, was er da gemacht hat. Dann fing ich an, am Schreibtisch mit zu trommeln. Meine Eltern jedoch waren strikt dagegen, dass ich mir ein Set kaufte. Das hat mich aber nicht weiter interessiert, denn ab 13 besuchte ich ein Internat und da wurde Musik gefördert. So kam ich dann doch an ein Set ran. Ich spiele also seit 1987/88 Schlagzeug.
    Am Schlagzeug fasziniert mich nach wie vor der Groove und die Rhythmik, die ich damit erzeugen kann. Ich mag lieber simpel, geradeaus gespielte Grooves als kompliziertes Gefrickel oder völlig schräge Takte. Es kommt darauf an, wenn du eine Band oder den Drummer einzeln hörst, dass das Feeling da ist und du mit dem Fuß automatisch mitgehst oder der Drang da ist, sich dazu zu bewegen. Das macht für mich immer noch das Schlagzeug aus.


    DF: Was bedeutet das Instrument für dich?


    MR: Ich mache das als Hobby zum Ausgleich zur Arbeit und dem Rest des Lebens. Es übt für mich noch immer dieselbe Faszination wie vor 20 Jahren aus. Ich bekomme nicht die Krise, wenn ich mal eine Woche nicht geübt oder gespielt habe. Aber, es macht mir eben eine Menge Spaß, auch, wenn ich meine beiden Schüler unterrichte. Mein Ehrgeiz hält sich allerdings in Grenzen. Die Cracks und Drummerheros beeindrucken mich, aber das ist nicht mein Ding. Ich habe nicht versucht ihnen nach zu eifern und auch nie daran gedacht das Ganze professionell auf zu ziehen. Ich hab ein bisschen Angst, meinen „Ausgleichssport“ und damit die Lust zu verlieren, wenn ich mehr machen würde.
    Allerdings muss ich so nach 20 Jahren zugeben, dass Rudiments zu beherrschen nicht das Schlechteste ist. So ein Paradiddle kann dir das Leben erleichtern, wenn du ihn gut spielen kannst. Aber, es gab bei mir nie den Punkt, an dem ich gesagt habe, das oder das muss ich auch können. Ich entwickle mich sicherlich weiter, aber im Vergleich zu anderen in einem Schneckentempo. Ich brauche aber ja auch nicht mehr zu können. Letztendlich wird von mir nichts anderes erwartet als das, was ich spiele. Die Hauptsache ist doch, es macht mir Spaß.


    DF: Tja, da sind wir dann ja schon beim Thema: Was macht für dich einen guten Drummer aus?


    MR: Oberste Priorität ist für mich, dass songdienlich und nicht zur Selbstdarstellung gespielt wird. Ein guter Schlagzeuger arbeitet für mich im Hintergrund ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Zusammen mit dem Bassisten schafft er die Basis, auf der sich die anderen Musiker austoben können. Einer hat mal gesagt, dass ein Lied erst dann gut ist, wenn man nichts mehr weglassen kann. Wenn du dir mal die Songs anschaust, mit denen du die breite Masse begeistern kannst, dann fällt dir auf, dass die meisten Songs nur aus drei Akkorden bestehen. Außerdem haben viele dieser Songs einen Lauf, der aus einem Dreiklang besteht. Dazu kommen dann relativ simple Grooves.
    Ich probiere dann auch mal, Fills an manchen Stellen in einem Songs zu spielen, aber das wird mit der Band geklärt, ob es passt oder nicht. Ein Running-Gag bei uns in der Band ist aber, dass ich es immer wieder schaffe, mit meinen Breaks den Bassisten zu verwirren und ihn so raus zu bringen. Das mache ich aber nur bei den Proben.
    Wir machen ja nur Rock-Pop-Cover und da finde ich, die Stücke sollten so gespielt werden, dass das Publikum sie wieder erkennen kann. Dadurch ergeben sich für mich ja auch etliche Vorgaben. Davor habe ich mit einer anderen Band eigene Stücke vor maximal 50 Leuten gespielt. Vor einem größeren Publikum und mal auf einem Stadtfest zu spielen war mit dieser Band nicht möglich.
    Ich hörte schon immer Mainstream, Schwerpunkt ’80er Jahre. Ich höre seit Mitte der 1990er Jahre kaum noch Radio, insofern weiß ich auch nicht, was denn so aktuell ist. Ich habe mal in der Heavy-Ecke gestöbert oder auch einige Sachen aus dem Jazz, aber das ist nichts für mich. Also, ich habe mich eigentlich musiktechnisch seit den ’80er nicht sonderlich weiterentwickelt.



    DF: Welche Rolle sollte ein Drummer in einer Band haben?


    MR: Der Drummer ist für mich ein Stück weit der Bandleader. Er gibt das Tempo vor und führt so die Band. Beim Gig hält der Drummer die Band zusammen, egal ob jemand seinen Einsatz verpennt. In anderen Bands hat diese Rolle aber auch der Sänger oder der Gittarist. Bei mir jedoch war und ist das schon immer so. Für mich ist Schlagzeug mehr als nur auf den Töpfen rum zu hauen. Das liegt aber sicher auch an meiner Persönlichkeit. Ich habe ja nun schon einige Drummer nicht nur durch das Forum kennen gelernt. Es gibt Drummer, die spielen stur nach ihren Click, schaffen es aber nicht, ihre Band zusammen zu halten, weil sie nicht darauf achten, was ihre Mitmusiker machen. Ich höre die gesamte Band und höre leider auch jeden Fehler. Das kann mir dann schon mal den Spaß rauben. Dann singe ich noch Backing Vocals, muss meine Sängerin ärgern und den Bassisten raus bringen, das ist ein Fulltimejob J.
    Gerade was das Tempo anbelangt, gibt es schon mal Grundsatzdiskussionen, dann probieren wir es schneller oder langsamer. Aber es gibt Songs, die können nicht 5 BPM schneller oder langsamer gespielt werden. Meine Aufgabe ist, das Richtige Tempo zu setzen. Ich spiele übrigens ohne Click, neige aber dazu, langsamer zu werden. Gerade live bringt es schon was, wenn du anziehst. Ich habe live versucht mit Click zu spielen, aber wenn dann der Teil kommt, in dem das Publikum mitsingt und klatscht, werde die automatisch schneller. Dann kannst du den Click vergessen.
    Ich habe zu jedem Song die Tempi rausgehört und mir notiert. Ich zähle aber nicht zum Click ein. Das geht auch gar nicht, denn unsere Pausen zwischen den Stücken sind extrem kurz.


    DF: Sollte ein Drummer einen ausgleichenden Charakter haben?


    MR: Bands sind wie Kindergärten und ich habe leider die A-Karte gezogen. Irgendeiner sagt was, ein anderer fast das falsch auf und dann geht es rund, oder die beiden reden nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander. Es ist schon faszinierend, wie kindisch sich erwachsene Leute benehmen können. Meine Aufgabe ist es dann zu vermitteln und dafür zu sorgen, dass es weitergehen kann. Ich glaube allerdings nicht, dass diese Aufgabe nur den Schlagzeugern zusteht. Es ist nur wichtig, dass einer diese Rolle hat, damit eine Band gut funktionieren kann. Das macht für mich einen guten Bandleader aus.
    Letztendlich ist es ja ein Zusammenarbeiten. In der Firma muss ich ja auch mit den Kollegen klarkommen. Auch in Firmen kracht es hin und wieder, weil zwei nicht miteinander können bzw. können wollen.


    DF: Wie siehst du die Zukunft der Musikindustrie?


    MR: Die haben für mich kollektiv eine Entwicklung verpennt. Das Medium Internet haben sie ignoriert. Ich finde es traurig, dass viele denken, dass sie für ein Produkt (Song) nichts bezahlen müssen. Saugen ist für viele ein Kavaliersdelikt. Das ist es aber nicht. Die Bands und Künstler verdienen ja auch am CD-Verkauf. Andererseits verstehe ich auch die hohen Preise hier in Deutschland nicht. Eine neue CD kostet hier um die 17 Euro. In den USA bezahle ich für die gleiche Scheibe um die 10 Dollar. Da stimmt was nicht. Es müsste ein vernünftiger Mittelweg gefunden werden, aber die sind ja alle so statisch. Ich gehöre noch zu den Leuten, die sich CDs kaufen.
    Was noch auffällt, ist das Revival der älteren Bands. Viele junge Bands bringen ein gutes Album raus, das zweite Album ist dann nicht mehr so doll vom Umsatz her und das war es denn. Entweder kündigt die Plattenfirma den Vertrag oder das Geld ist vorher schon weg. Früher wurden Bands langfristig aufgebaut, dafür scheint heute das Geld, aber auch der Wille zu fehlen. Der saugende Konsument denkt nur noch, nach mir die Sintflut, Geiz ist geil und die Industrie an das schnelle Geld.
    Ich mag sie nicht, aber Tokio Hotel ziehen ihr Ding durch und bleiben deswegen wahrscheinlich länger auf dem Markt als diese ganzen gecasteten Superstars. Die Haltbarkeit dieser Stars ist ja mal gerade eine Staffel der Sendung. Es wird interessant, ob die dritte TH-Scheibe auch noch erfolgreich ist und ihre Fans am Ball bleiben, bzw. sie neue Fans gewinnen können.
    Phil Collins hat mal gesagt, dass er heilfroh ist zu seiner Zeit gestartet zu haben, denn mit seiner Visage könnte er heute keinen Blumentopf beim Casten gewinnen. Mick Jagger hätte heute wahrscheinlich bei Bohlen und Co. keine Chance.
    Angefangen hat diese Entwicklung mit Madonna. Die hat nicht durch ihre Stimme sondern durch Provokation überzeugt. Mittlerweile kann sie wohl gute Musik machen, aber ihre Stimme mag ich nach wie vor nicht.
    Es ist für mich ein Irrtum, nicht langfristig den Erfolg einer Band oder eines Interpreten zu planen und auch zu fördern. Vielleicht kommen die Plattenbosse aber ja noch darauf. Ansonsten werden sie verschwinden.
    Ich bewege mich gerne in der Hörzone des Forums, ohne alles zu kommentieren. Das sind viele geile Stücke zu finden. Die hauen mich vom Hocker. Nur, die Chance damit raus zu kommen, ist zu gering. Ich glaube, dass diese Chance früher größer war. Herbert Grönemeyer ist da ein gutes Beispiel. Oder Marius Müller-Westernhagen, der brauchte neun Alben, bis er halbwegs bekannt war. Mit 18 hat er ja angefangen und erst mit 39 kam der Erfolg. Er war immer bei einer Plattenfirma, die an ihn geglaubt.


    DF: Dein Tipp für junge Schlagzeuger bzw. das DF?


    MR: Mehr spielen und weniger schreiben ;). Das sagt jetzt natürlich genau der Richtige. Kleiner Gruß an Scarlet Fade (grins).
    Ich finde das DF gut so wie es ist. Es gibt die Blastfraktion, die sich nicht nur mir auch noch in 20 Jahren nicht erschließen wird. Es gibt die Vintagefraktion, mhh, es freut mich, wenn sich Leute für etwas begeistern können ohne dass ich das auch nur ansatzweise verstehen kann. Es ist schon erstaunlich, dass 20 erwachsene Männer vor einem für mich potthässlichen Set stehen und es anhimmeln. Aber, solange alle glücklich sind, jeden Tierchen sein Pläsierchen! Diese Mischung macht das Forum aus, du hast eine große Bandbreite. Wenn mir etwas nicht gefällt, es zwingt mich doch keiner das zu lesen.
    Klar gibt es Reibereien und es scheppert auch mal, letztendlich jedoch kommen alle relativ gut miteinander aus. Wichtig ist aber, der Ton macht die Musik. Nicht jedem wurde von Zuhause aus die Grundregeln der Kommunikation mitgegeben. Da vermisse ich schon im Umgang miteinander die gute Kinderstube. Mir hat es trotzdem eine Menge gebracht, ich gehe soweit, dass ich bezweifle, dass ich heute ohne das DF noch spielen würde. Ich war an dem Punkt, dass ich so nach 16 Jahren die Lust am Spielen verloren hatte. Mir wurde ja immer gesagt, dass ich aufhören solle und lieber Schach spielen solle.
    Da war dann aber plötzlich eine virtuelle Gemeinschaft, die das alles Klasse fanden. Insofern finde ich das auch ein bisschen traurig bei neuen Membern. Das DF ist geballtes Wissen. Wenn ich vernünftig eine Frage stelle, dann wird mir auch geholfen.
    Die Treffen finde ich klasse, nicht umsonst habe ich den Mittelhessen-Stammtisch ins Leben gerufen. Wobei bei uns der Schwerpunkt ja eher auf das Zusammenspielen liegt.
    Ich kann den Leutn im DF nur als Tipp geben, dass hier eine kostenlose Fundgrube ist, die man respektieren aber auch für sich so nutzen können sollte. Das Tolle ist ja auch, dass diese Informationen sofort abrufbar sind. Ich muss nirgends hinfahren, ich kann das alles Zuhause erfahren.
    Aber, gewisse Dinge kann ich nur direkt raus finden. Keiner kann mir sagen, was ich für ein Becken kaufen soll. Allenfalls eine Vorauswahl anhand der Erfahrungen der anderen ist möglich. Für den Nachwuchs kann ich nur sagen: Dranbleiben und nicht aufhören! Ich bin das beste Beispiel dafür. Allerdings ist es schon wichtig, ein Gefühl für das Instrument und für den Groove zu entwickeln. Es reicht eben nicht, dass du nur spielst, weil es hip oder cool ist. Tja, ansonsten wiederholt nicht meinen Fehler, seid offen für andere Musik und erweitert euren Horizont. Mir fällt es mittlerweile schwer mich mit neuen Einflüssen auseinander zu setzen. Deswegen kann ich jedem nur raten, überall mal reinschnüffeln, denn es gibt soviel an gute Musik zu entdecken. Dann kommt auch die Vielseitigkeit, die ich bei mir manchmal vermisse.
    Ich werde allerdings auch in Zukunft gegen meinen Rat von wegen weniger schreiben und dafür mehr spielen verstoßen. :)

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