Merkwürdiger Umgang mit Urheberrechten

  • Hallo!


    Aus gegebenem Anlass möchte ich hier mal eine kleine Diskussion anzetteln. Und zwar geht es darum, dass sich eine gewisse Piratenpartei verstärkt mit Bürgerrechten, Privatsphäre usw. beschäftigt. Erschreckend ist, dass viele junge Menschen (auch aus meinem Bekanntenkreis) sich offen zu dieser Partei bekennen - ohne in den meisten Fällen auch nur mal die Nase in das Parteiprogramm gesteckt zu haben. Viele finden den Namen witzig und verstehen das als jugendliche Rebellion gegen die etablierten großen Parteien. Als ich diverse Gerüchte über den Background einiger Parteimitglieder hörte und als dann am Wochenende auch noch meine Mutter ankam und den Wahlkampfslogan "Klarmachen zum Ändern" ulkig fand, musste ich mich mit den Freibeutern mal beschäftigen. In deren Parteiprogramm stehen einige sehr merkwürdige Sachen, die besonders für Musiker Relevanz haben könnten:



    Wie bitte??? Förderung von Kultur bei praktischer Abschaffung von Kopierschutz und Herabsetzung des Wertes von "geistigem Eigentum"? Ich weiß nicht, was ihr davon haltet - aber die ganze Sache macht auf mich den Eindruck, als wäre das eine erneute Laberpartei, die zwar im Ansatz schöne Ideen vorzuweisen hat, aber letzten Endes keine genauen Vorstellungen davon geben können, wie sie ihre Ziele erreichen wollen.


    Entschuldigt, wenn ich hier zu Offtopic werde, aber ich wäre sehr interessiert daran, mit anderen Leuten (und auch Berufsmusikern) darüber zu reden. Übrigens gehöre ich weder dieser noch anderen Parteien an oder sympathisiere mit irgendwelchen solchen - dies hier soll also keine Hetze gegen die Piraten noch sonstwen sein.

  • als wäre das eine erneute Laberpartei, die zwar im Ansatz schöne Ideen vorzuweisen hat, aber letzten Endes keine genauen Vorstellungen davon geben können, wie sie ihre Ziele erreichen wollen


    Das trifft's wohl ziemlich genau. Soweit ich das sehen kann, besteht das Parteiprogramm im Wesentlichen aus einigen mehr oder weniger (s.o.) durchdachten Anregungen im Bereich Informationstechnologie. Alles andere wird vage bis gar nicht abgehandelt. Damit meine ich so Sachen wie Innere Sicherheit, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, soziale Absicherung usw. 8|


    Meine Meinung: Krawallpartei, aber nicht für Jugendliche, sondern für Geeks!


    bg, S.

  • Ich habe mich damals mit der die Kulturflatrate auseinandergesetzt und finde das einen interessanten Ansatz. Darauf fußt das PP-Konzept ja und ich muss sagen - so wenig ich mit einer solchen Klientelpartei anfangen kann (wobei die Piratenpartei wirklich ein sehr interessantes politologisches Phänomen ist und nicht auf "Krawallmacher" und "Freaks" reduziert werden sollte) - finde ich die Idee von freiem Zugang zu Informationen ideologisch durchaus sinnvoll. Das ist weit mehr als das bloße legalisieren von Illegalem, bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
    Dann ist da aktuell einfach das Problem, dass sich in der digitalen Welt eine Umsonstkultur etabliert hat und es mMn sinnvoller wäre, hier irgendwie die Urheber zu entlohnen. Kriminalisieren kann es nicht sein. Schwierigkeit ist hier ein gerechtes Entlohnungssystem (die Abgabe auf jede Internetverbindung wäre eine Möglichkeit - und bevor jetzt jemand aufschreit: Das ist bei Brennern, Kopierern etc. auch schon so), aber ich halte das mittelfristig für machbar. Zur Zeit schadet die Situation beiden Seiten: Die einen verlieren Einnahmen, die anderen werden kriminalisiert.


    Man muss sich klar sein, dass das Urheberrecht letztlich eine abstrakte Norm ist; d.h. nicht, dass die sich immer nach dem kurzfristigen Zeitgeist richtet, aber gewisse Entwicklungen fordern zumindest eine Reform.


    Grüße, Philip


    PS: Vielleicht besser in Off-Topic parken - das gibt bei dem Thema sonst ne Riesenfetzerei :D :D :D ...

  • Das ist ein grundschwieriges Thema. Die extreme Haltung der Piratenpartei teile ich nicht, aber heisse die derzeitigen Verhältnisse auch nicht gut, schon garnicht die Art und Weise, wie die GEMA mit den Kleinen umgeht oder auch wie eine Pharmaindustrie Patente auf lebenswichtige Medikamente zu Lasten von Menschenleben vergoldet. Oder wie Apple und Microsoft z.B. Patente auf den Ladebalken oder Displays mit Gestenbedienung en masse anmelden. Urheber- und Patentrecht, da hängen ja ganze Industriezweige von ab und damit auch Existenzen. Einerseits möchte ich ja schon gefragt werden, wenn jemand Parodien auf meine Songs macht oder Teile meines Quellcodes für seine eigene Software verwendet, andererseits lasse ich mich ja auch von bestehendem inspirieren, bewusst oder unbewusst. Ich könnte mir vorstellen, daß es im Urheber- und Patentrecht kürzere Fristen gibt, bevor ein Werk z.B. in die Creativ Commons Lizenz überführt wird. Innerhalb dieser Frist kann der Schaffende seinen wirtschaftlichen Benfit daraus ziehen, anschliessend wird es -unter gewissen Bedingungen- eben Public Domain.


    Meine Meinung lautet daher unmissverständlich: Ich weiss doch auch nich'....

  • Ich finde solche Diskussionen immer zum "jetzt könnt ihr euch irgendwas denken, weil ich keine schlimmen Worte hier reinschreiben will", weil das Problem ist immer, dass die jenigen die eine Abschaffung von diesen Regeln befürworten, in der Regel gar nichts damit zutun haben. So eine Regelung wäre das Grab für jede Firma, die ne Entwicklungsabteilung hat. In jedem Patent steckt ne ganze Stange Geld und Entwicklungsarbeit, da würde eine Firma das Geld lieber verbrennen, als es der Konkurrenz in den Rachen zu werfen.

  • Politikinteresse ist super. Aber lohnt es sich wirklich, sich mit dem Parteiprogramm einer Partei zu beschäftigen die vielleicht 1 - 1,5% der Stimmen bekommt? Kann man sicher machen, wenn es einen interessiert. Und das ist ja auch gut, wenn man sich alle zur Wahl stehenden Parteien mal genauer anschaut. Politisches Interesse ist immer gut. Aber ehrlich, da sind so viele von diesen "Sonstigen" wie sie immer so schön genannt werden, das wäre mir zu viel. Von daher finde ich eine Diskussion darüber, was da geplant wird, etwas weit hergeholt. Meine Meinung.


    Bei den Jugendlichen Wählern kommen die allerdings ja wohl ganz gut an, wenn man sich die Umfragen dieser "Jugendwahl" ansieht. Von daher ist es schon gut, wenn man die Ziele dieser Parteien, oder speziell dieser Piratenpartei aufzeigt. Nach dem Motto: Schaut mal was ihr da wählen würdet. Obwohl ich mal behaupten würde, das viele dieser "Jungwähler" allein schon wegen dem Namen und des Auftritts diese Partei wählen würden, ohne sich speziell mit dem Wahlprogramm beschäftigt zu haben.

  • Achtung, Politikdiskussion. :)


    ...zu der du offensichtlich viel beizutragen hast.


    @ Moigus & Junior: Darum geht es ja - ich bezweifle, dass die Verfasser des Parteiprogramms wirklich eine Vorstellung davon haben, was sie mit solchen Änderungen "erreichen" könnten. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wem man seine Stimme für was gibt. Denn wie schon gesagt, sehe ich in dem lustigen Parteinamen die Inkarnation des Protestwählerkugelschreiberkreuzmagneten überdeutlich.


    Ich finde es bedenklich, wieviele Bekannte von mir mit denen sympathisieren, ohne einen Plan von dem zu haben, was sie damit unterstützen (und viele von denen dürfen zum ersten Mal wählen am nächsten Wochenende).

  • Ich glaube du unterschätzt die Piratenpartei gewaltig: In ihrem Bereich haben Sie ganz sicher genug fachliche Kompetenzen und Konzepte.
    Hier den Untergang des Abendlandes heraufzubeschwören halte ich für einen Mangel an Kreativität. Marktgesetze sind übrigens keine Naturgesetze. Man darf übrigens darauf hinweisen, dass z. B. das bisherige Patentrecht in Afrika Leben kostet...

  • ...zu der du offensichtlich viel beizutragen hast.


    Och, das Thema interessiert mich schon. Ich bin nur gespannt, wann der Thread den Weg der Seinen in diesem Forum folgt. Die letzte Diskussion mit politischem Hintergrund wurde mit der Begründung geschlossen, politische Diskussionen seien hier nicht erwünscht. Immerhin sei dies ein Fachforum etc pp. Wir kennen das ja.

  • ... bisherige Patentrecht in Afrika Leben kostet...


    und ob da die Politik der katholischen Kirche nicht durchgreifender wirkt...??!

    ..."meine" Musik: Jazz (Big Band bis Free), brasil. Musik, Avantgarde, hin+wieder Klassik ->am Drumset, an den Percussions, am Schlagwerk

  • Zitat

    Politikinteresse ist super. Aber lohnt es sich wirklich, sich mit dem
    Parteiprogramm einer Partei zu beschäftigen die vielleicht 1 - 1,5% der
    Stimmen bekommt?

    Jede gültige Stimme beschert einer Partei 70 Cent. Wenn die Piratenpartei auf 1,5% der Wählerstimmen kommen kassieren sie rund 1/2 Mio Euro. Das ist durchaus ein Machtmittel für die weitere Entwicklung einer Partei. Von daher finde ich lohnt es sich sich schlau zu machen, wem ich meine 70 Cent Steuergelder in den Rachen werfe und wem nicht
    Wenn ich mir ein Drumset kaufe ist das auch eine investition für die nächsten Jahre. Und dann vergleiche ich nicht 2 sondern soviele Kandidaten wie möglich

  • Tschuldigung, aber was ist das für eine komische Umkehrfrage :huh: : Entscheidend ist, dass durch günstige Generika oder den Verzicht auf Patentschutz Menschenleben hätten gerettet werden können!


    viel entscheidender ist, daß durch die starre Haltung der Kirche dieser Medikamenteneinsatz gar nicht in diesem Umfang nötig gewesen wäre!


    ...aber davon leben ja viele Industriezweige recht fett, daß sie an den Symtomen rumkurierien und die Ursachen hegen und pflegen.

    ..."meine" Musik: Jazz (Big Band bis Free), brasil. Musik, Avantgarde, hin+wieder Klassik ->am Drumset, an den Percussions, am Schlagwerk

  • Ich sehe hier (momentan) keinen Grund warum der Thread geschlossen werden sollte. Urheberrecht ist für Musiker prinzipiell ontopic. Wenn das aber hier zu sehr entgleitet, dann kommt es nach "offtopic".
    Also weg von den armen Kindern in Afrika und wieder hin zu dem Topic "Was bedeutet eine radikale Änderung des UR für Musiker und Kulturschaffende?".


    Abschließend OT zu den Pharmafirmen. Wenn die nicht die Möglichkeit hätten ihre neuen Patente über gewisse Zeit als alleiniger Besitzer auszubeuten, dann würden die auch nichts Neues entwickeln. Damit ginge es uns und den armen Afrikanern noch dreckiger. Nicht dass ich die Art und Weise wie die Gesundheitspolitik im Komplex Arzt/Pharmahersteller/Versicherung/Patient läuft besonders toll finde, aber das sollte man trotzdem immer vor dem geistigen Auge haben: kein Anreiz - dann auch keine Neuentwicklung. Und Patentschutz ist ein ziemlich großer Anreiz.

    Clean living under difficult circumstances.

  • Ich sehe hier (momentan) keinen Grund warum der Thread geschlossen werden sollte. Urheberrecht ist für Musiker prinzipiell ontopic. Wenn das aber hier zu sehr entgleitet, dann kommt es nach "offtopic".


    Danke, genau aus diesem Grund habe ich das Thema auch aufgemacht. Nach "Allgemein" habe ich es gepackt, weil der GEMA-Petitions-Thread auch dort stand (und die Suche nach "Urheberrecht" verweist auf diesen).

  • Das die Leistungsschutzrechte und das Urheberrecht eine Überarbeitung brauchen, ist völlig unstrittig, auch bei Musikern, also den Leuten, die am meisten unter der illegalen Download Geschichte leiden.


    Nur was die Piratenpartei vertritt bzw. welchen geistes Kind diese Gruppierung ist, wird schnell klar, wenn man den Protagonisten genauer zuhört bzw. die Aussagen sehr genau hinterfragt.
    Hinter der Piratenpartei versteckt sich imho hauptsächlich die Klientel der Internetuser, die grundsätzlich erst mal alles frei verfügbar und kostenlos haben wollen.
    Dies erkennt man an solchen Aussagen, das man sozusagen ein natürliches Recht auf freien Zugang auf urheberrechtlich geschützte Werke habe, also im Klartext: ich muss z.b.alles an Musik einfach und frei bekommen können.
    Woher leiten diese Leute diesen Anspruch ab?
    Grundsätzlich ist es doch wohl so, das der Urheber das Recht hat zu entscheiden, in welcher Form er dem Endverbraucher seine geistigen Werke zur Verfügung stellt.
    Er hat das Recht zu entscheiden, ob er Geld dafür haben will oder ob er es kostenlos anbietet und nicht derjenige, der die Musik gerne konsumieren möchte.
    Mich ärgert an diesem Haufen, das die sich mit keinem einzigen Satz mal in der Form geäussert haben, das es zunächst mal nicht in Ordnung ist, wenn im grossen Stil illegal runtergeladen wird.
    Es wird als gottgegeben akzeptiert und nur weil es geht, ist es halt so. Hinterher wird dann höchstens der mitleidige Satz geschoben, das man die armen Künstler ja doch nicht ganz vergessen darf und man deshalb irgendeine (welche?) Regelung finden muss, wie die irgendwie noch ein paar Euro bekommen, damit sie sich ne Scheibe Brot kaufen können, um weiterhin für die Piraten Programm liefern zu können.
    So kann man nicht mit diesem Thema umgehen, wenn man als Aussage nur vertritt, gebt alles frei, aber keinen einzigen ernstzunehmenden Lösungsansatz bietet.


    Interessanterweise sind in den essentiellen Fragen der Freiheit des Internets genügend andere Parteien vorhanden, die in diesem Punkt vernünftige und grösstenteils diesbezüglich nahezu mit der Piratenpartei deckungsgleiche Positionen vertreten (natürlich nicht diese Angie/von der Leyen Partei). wie gesagt, mir scheint, das diese Piratenpartei grösstenteils ein Sprachrohr der Filesharer und Torrent Fraktion ist, deren Festplatten vor Filmen und Musik überquellen...
    Auf der anderen Seite ist auch mal gut, das mal diese Computer Nerds wieder an die frische Luft kommen und für Wahlwerbung auf Plätzen unter freiem Himmel ihre Zettelchen verteilen.
    Die meisten von denen haben doch immer eine so ungesunde Hautfarbe und ernähren sich nur von Pizza und Coca Cola :whistling: (wäre für so einen Satz nicht normalerweise JürgenK zuständig? :wacko: )

  • Jede gültige Stimme beschert einer Partei 70 Cent. Wenn die Piratenpartei auf 1,5% der Wählerstimmen kommen kassieren sie rund 1/2 Mio Euro. Das ist durchaus ein Machtmittel für die weitere Entwicklung einer Partei. Von daher finde ich lohnt es sich sich schlau zu machen, wem ich meine 70 Cent Steuergelder in den Rachen werfe und wem nicht
    Wenn ich mir ein Drumset kaufe ist das auch eine investition für die nächsten Jahre. Und dann vergleiche ich nicht 2 sondern soviele Kandidaten wie möglich


    Na klar, schlau machen ist nicht schlecht. Bloss willst Du Dich deswegen mit den Parteiprogrammen aller Partein beschäftigen die jenseits der 5%-Marke existieren? Ich habe da keinen genauen Überblick wieviele das sind, aber wenn man dazu Lust und Interesse hat, nur zu. Ich mach´s nicht.
    Das mit den 70 Cent steht ja auch wieder auf einem ganz anderen Blatt. Sollte aber doch kein Argument für eine Wahlentscheidung sein. Ich geh ja nicht zur Wahl und sage ich gebe meine Stimme Partei X damit Y nicht "meine" 70 Cent bekommt.

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