Frage : Wie wird man "kreativ" ?

  • Persönlich denke ich, dass Schlagzeug spielen manchmal zu einer rein handwerklichen Tätigkeit verkommt.
    Eigentlich ist ja alles Mathematik. Und dann sind die Möglichkeiten unendlich.
    Aber das tendiert zum Zirkustrommeln und hat irgendwie nicht so einen großen musikalischen Nährwert.
    Und trotzdem kommen dann einige Meyers, Nickels, Emigs, Rubows und Grebs um die Ecke und man glaubt das Trommeln wird neu erfunden.
    Woher kommt diese Kreativität? Nicht das es jetzt zu philosophisch wird, aber Ihr kennt das: da sagt der Mann im Video, seit kreativ und lasst euch selbst was einfallen.
    Aber die Frage ist, wie wird man kreativ? Woher bezieht ihr eure Kreativität? Wie fördert ihr sie oder besser: was inspiriert euch?

  • kreativ ist man, wenn man sein Instrument einigermaßen versteht, also v.a. sehr viel Spielerfahrung hat, dazu Ahnung vom arrangieren und am besten viele Leute um sich rum, die einen zu Neuem inspirieren, weil sie selbst kreativ sind. Das sind die notwendigen Bedingungen.


    Ob sie hinreichend sind, hängt aber von jedem selbst ab . Wenn einer in der Schule i.d.R. immer abgeschrieben hat und und die minimalen kreativen Anforderungen wie einen Aufsatz schreiben schon zu geistig und seelischer Überlastung führen, holt man sich am besten nen Dirigent in die Hütte oder einen Bandleiter, der für einen denkt.


    und generell: covern ist nicht kreativ

  • Die Kreativität beziehe ich nirgendwoher. Ich habe ein gewisses Vokabular/Handwerkszeug und aus diesen Möglichkeiten versuche ich bei meinen Bands das bestmögliche aus den Songs rauszuholen.


    Je mehr Du also kannst, desto mehr Möglichkeiten hast Du, auch logo. Aber auch mal was NICHT spielen, ist kreativ... ;)


    Du musst aber auch vieles probieren, wirst aber durch "trial and error" auch kreativ.


    Fakt ist: Kreativität ist nicht im Supermarkt zu kaufen ;) Spaß... Ich denke, man hat natürlich Vorgaben, von den Bands, die man mag... manchmal kommt die auch von selbst:
    Ich habe am WE paar Songs (wirklich mehr schlecht als recht) eingespielt und da völlig ausm Bauch raus was ungeplantes gespielt, was mir aber absolut gefiel, wieder "ein Wort mehr in meinem Drumvokabular" ;)


    Kreativität ist ein Reifeprozess, den kann Dir auch keiner beibrigen etc.pp.


    Spiel einfach, und probiere aus, dann kommt schon was raus...

    Wer beim Üben gut klingt, wird nicht besser. - Sinngemäß nach Jojo Mayer



    Meine Spielsachen

  • Super Thema!


    Ich denke, Kreativität hat damit zu tun, wie man die Dinge, die einem im Leben so passieren und die man fühlt, künstlerisch umsetzt. Je besser die Schnittstelle zwischen Geist und Körper trainiert ist, desto schöner klingt es.


    Früher haben mich Grooves sehr inspiriert, heute sind es meistens Melodien. Ich höre was, habe einen Ohrwurm davon, summe ihn vor mich hin und spiel dazu Schlagzeug. Was mich dann zu Grooves bringt, die ich vorher nicht kannte. An Vieles muss ich mich dann nochmal dransetzen, weil es nicht so klingt wie ich möchte. Aber im Grunde ist es das, wie ich kreativ arbeite.


    Manchmal ist es auch schlechte Laune oder starke Müdigkeit, die musikalische Dinge in mir erzeugen, die es vorher nicht gab. Stimmungen allgemein könnte man sagen.


    Ein interessanter Künstler ist für mich immer der, der es schafft, seine Gefühle technisch brilliant zu verpacken. Technische Brillianz alleine langweilt mich deswegen, weil man sie in Zeiten des Internets sehr oft zu sehen bekommt und mit steigendem Alter auch schon wahnsinnig oft gesehen hat. Es ist dann, wie du sagtest, wie Zirkus: wenn man das zehnte Mal drin war, findet man es nicht mehr so spannend.


    lg
    max

  • Ich bezeichne Kreativität als Umsetzung von Fähigkeiten in Variable. Dennoch ist die Bezeichnung Trommeln=Mathematik nur teilweise richtig. Kreatives Trommeln ist einzigartig und vom jeweiligen Trommler abhängig. Sozusagen ein Fingerabdruck und nicht 1:1 kopierbar; Die Ergebnisse sind ähnlich aber nicht gleich. Hinter dem Original steht/sitzt ein Mensch.
    Abgeschaut, um sich neu zu inspirieren, wird immer- und das ist auch gut so. Auf dem Weg zur Umsetzung (auch partiell) wird man kreativ und verleiht somit der Sache seinen eigenen Stil. Einfach locker spielen ist richtig. Unterschiedliche Umsetzung und Erfindergeist ist auch kreativ.

  • Sehr gutes Thema, ich würde dazu gerne die letzte Radioshow mit Kollege Drumdidi zitieren: "Wer nichts erlebt - hat auch nichts zu erzählen." radioschau 6 Dirk Leibenguth und der_kritische helge


    Ich kann mich erinnern, das es bei mir riesige Kreativitäts Impulse gab, als ich wusste, das ich bald Vater werde; auch eine Vietnam Reise über fast vier Wochen hat mich sehr inspiriert.


    Mir geht es inzwischen so, das sich für mich persönlich die Kreativität in meinem Spiel auf Band Geschichten konzentriert. Wenn ich alleine spiele, langweile ich mich auch manchmal ziemlich schnell und verfalle in irgendwelche Geräte, die ich eigentlich gar nicht mehr gut finde. Das wichtige ist auch, das man mit Leuten spielt, die inspiriert sind. Das ist glaube ich das allerschwerste, eben jene zu finden, mit denen regelmäßig zu spielen (z.B. Keith Carlock -erklärt das ganz gut auf seiner DVD) Und das dabei auch "gute" Musik herauskommt. Und nicht nur eine weitere genretypische Musik- Kopie, die zwar technisch super ist, aber im Grunde nichts besonderes darstellt.

  • Musikmachen ist ne Art von Selbstverwirklichung - beim Schlagzeug spielen genau das selbe. Um nicht zu sagen "Kunst" ...


    Kreativ ist man, wenn man sich selbst (und aus sich selbst heraus) mit seinen Ideen (im jew. Instrument) "auslebt", "verwirklicht", "umsetzt" - was auch immer ... dass dazu natürlich ein gewisses Grundverständnis des und Gefühl fürs Instruments gehört, ist klar. Aber imho können auch Anfänger durchaus kreativ sein.


    Mathematik ist nur die Kehrseite der Medaille. Bei einigen Metal-Abarten mag das irgendwie zutreffen - aber auch da kommt die individuelle Spielweise des Schlagzeugers mit ins Spiel. Ansonsten kann man da mit identischer Mathematik viel variieren - nämlich damit, wie Jemand die Sache spielt. WIE er groovt (Ghostnotes, Micro Timing -> "Gefühl"), WIE er das Set spielt, gestimmt hat, WELCHE Fills er wann einbaut etc. pp.

  • Wie man kreativ wird, kann ich auch nicht sagen. Was mich mehr interessiert ist, wie man die Realität derart zurechtbiegt, um seine eigene Kreativität auch umsetzen zu können. Die Realität schmeißt der Kreativität leider viel zu oft Knüppel zwischen die Beine.

  • besten viele Leute um sich rum, die einen zu Neuem inspirieren, weil sie selbst kreativ sind. Das sind die notwendigen Bedingungen.


    Ein Paradebeispiel ist für mich David Bowie. Der war und ist immer von genialen Mitmusikern umgeben, hat abgekupfert und weiter entwickelt und wirkte dabei immer so, als hätte er wieder was Neues erfunden.
    Das ging natürlich auch immer mit seiner Performance und Bühnenpräsenz einher.


    Ein anderes Beispiel, um wieder zum Trommelthema zu kommen, ist für mich so ein Typ wie der Holländer Renee Cremers, der mit seinem "Donganowé"-Solo etwas Geniales hinhaucht hat.
    http://www.youtube.com/watch?v=SrnZqmGtkmQ


    .

    Schöne Grüße - Rainer K. aus B. an der W.

  • Kreativität entsteht nicht im luftleeren Raum. Es ist imho das Verarbeiten von Einflüssen auf eine - im besten Falle - künstlerische Art & Weise. Technik kann dabei behilflich sein. Es ist auch der umgekehrte Fall möglich, nämlich, daß die Beschränktheit uns neue Wege finden läßt. Johnny Cash hatte in früher Zeit keinen Drummer, dafür ein Blatt Papier, das er zwischen die Saiten klemmte. Fertig war der berühmte Boom-Chicka-Boom-Sound. Wenn wir ein Set mit zwei anstatt fünf Toms bearbeiten, müssen wir uns etwas einfallen lassen, damit man nicht immer dasselbe spielt. Ein Kreativling kann andererseits aus mehreren Soundquellen Sachen rausholen, die mir nie & nimmer einfallen würden. Auch der bewußte Ideenklau in Kombination mit etwas anderem bereits bekannten, kann tolle Ergebnisse liefern, z. B. eine Cascara-Ridefigur über eine durchlaufende Doublebassdrum-Figur legen (ist nicht von mir, sondern von Rod Morgenstein). Gut klauen und verwursten zählt imho also auch dazu. Ich habe mal aus Interesse mal an einem Kreativitätsseminar teilgenommen (hatte nichts mit Musik zu tun). Dort wurden ganz systematisch verschiedene Techniken zur Erreichung des gleichen Ziels eingesetzt mit erstaunlichen Ergebnissen (Brainstorming, Mindmapping, alleine, in Gruppen - da war noch mehr mit dabei, fällt mir jetzt nicht ein). So etwas kann schon helfen. Mein musikalischer Kreativ-Output ist für die Nachwelt wohl verzichtbar, aber dennoch gibt es Situationen, die mein kleines Rinnsal positiv beeinflussen. Das ist zum einen das Musikmachen mit mich inspirierenden Musikanten (=Bandkollegen) und ebenso Musikhören und da vor allem das, was man nicht jeden Tag hört, sondern sich etwas abseits der eigenen Hörgewohnheiten bewegt. Das bringt das eigene "Weltbild" durcheinander und das ist oft nicht das Schlechteste.


    fwdrums

    nontoxic: kurze lange CD-Pause

  • Ich wollte eigentlich schrieben: hör dir kreative Schlagzeuger, aus allen Generationen, an, die Liste ist lang, es sinf aber andere Namen als die , die heute angesagt sind - Big SId Catlett, Max Roach, Elvin Jones, Max Roach, Mitch Mitchell, John Bonham, ...Bill Bruford, Billy Hart...immer eine sehr persönliche Angelegnheit, solche Listen, und nie vollständig.
    Dann aber dachte ich - evtl. wirst du damit auch nicht kreativer! Bei mir wars ein Bandleader, der mich ermutigt hat, eigene Sachen einzubringen - "spiel wie du selbst". Das war dann Anlass wirklich in mir drin nach Musik zu suchen, nicht nur bei den Großen.
    Obwohl ich meine, die Hörerfahrung mit Leuten wie aus der Liste oben braucht es , sonst hast du nicht genug Vokabular, um dich auszudrücken. Das eigene ist eher die Art, wie du die Dinge kombinierst, als völlig neue Patterns zu kreiern (kann aber auch Teil sein). Es hat keinen SInn, das Rad neu erfinden zu wollen. Einen eigenen Stil aber schon.
    Ich stimme zu, dass es mit Erfahrungen, Erlebenissen etc. zu tun hat, die einen inspirieren. Nach einem langweiligen 9 to 5 Job ist man wahrscheinlich weniger inspiriert als nach einer Reise, Konzert, gutem Essen, Film, Museumsbesuch... - Trommeln ist Musik, und Musik ist eine Kunst - ist sinnvoll, ein bisschen bei den anderen Künsten reinzuschauen, um sich inspirieren zu lassen

  • Moin,


    ein interessantes Thema, an dem man sich ja schön aufreiben kann- oder auch nicht.


    Für mich hat das Stefan Schütz sehr schön in seinem Buch zusamengefasst, in der Tat so schön, dass ich es zitieren möchte:


    "Kreativität ist die Fähigkeit, Bestehendes in einen neuen Zusammenhang zu bringen:"


    Lässt man sich das mal auf der Zunge zergehen, steckt da schon unendlich viel drin.


    LG

  • Das bedeutet aber auch, das man ohne die Fähigkeiten des Ausdrucks, was Technik, Sicherheit, Automatismen und sowas einbezieht, nicht kreativ sein kann, oder zumindest nur eingeschränkt.
    Für mich bedeutet das, dass man durch vermehrtes Üben kreatives Potential anhäuft. Ich denke das ist ein sehr gutes Zitat Reed.


    Gruß


    Fit

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  • Die Thematik finde ich auch interessant - und wie so häufig, eben deshalb auch schwierig. (2 x "sehr sehr" hätt' ich noch zufügen können)


    Zum Mann im Video : Man nimmt eben seine Übung und übt die sooo lange,bis einem die Faxen dick sind und man anfängt, frecherweise mit dem Zeug rumzuspielen und es abzuändern.


    Das wäre dann nebenher auch noch ein Weg sich mit Improvisation zu beschäftigen, bei der ja neben der "Kreativität" auch die "Routine"keine nachteilige Auswirkung haben sollte...naja, und wenn man sich abgedreht genug von der Ursprungsidee entfernt hat, kann man daraus dann vielleicht sogar eine Essenz bilden und dies dann als neue eigene WeltIdee selbst in einem Video verarbeiten....Also vielleicht doch alles gar nicht so schwer.


    Schwieriger sicher die Frage, was denn im Detail "kreativ" bedeutet. Ich schätze, hier gehen die Meinung in der Einzelfallbesprechung dann wieder deutlich auseinander.

  • Kreativität bedeutet für mich, Ideen umzusetzen, beispielsweise beim Trommeln:


    Im Urlaub war auf der Bühne unseres Hotels an einem Abend eine Band, sie haben POp und Rock Klassiker gespielt. Und Obwohl das normalerweise üüüüüberhauot gar nicht meine Musik ist, habe ich dieser Band zugeschaut, ich war auch auf Trommel Entzug und deshalb kam mir das gerade recht. Der Trommler dieser Band hat das Ride auf die Achtel durchgespielt und DIe Hi-Hat auf die Achtel getreten. jetzt hat er die Snare auf 2 und 4 gespielt, aber zwischendrin immer mal wieder au die Hi-Hat geschlagen, das hat einen extrem coolen und groovigen Effekt erzeugt.


    Der Urlaub war zu Ende, ich war eeeendlich wieder in unserer Waschküche :), ich setz mich hin und denk mir:


    "So, und jetzt spiel ich das mal", was ich auch getan habe. Ich habe ein wenig rumprobiert und gebastelt und siehe da: Jetzt beherrsche ich diesen "Trick" perfekt und kann ihn gut einsetzen. AUch das ist für mich eine Art von Kreativität.


    Oder ein anderes Beispiel:


    Ich produziere sehr gerne Filme. Als wir im Urlaub waren, waren da diese Metallenen Vögel, die man anschucken kann und dann wippen sie, fast 2 Minuten. Wenn man sie jetzt einmal kräftig anschuckt, dann wippen sie sehr... Ich dachte sofort: Black Metal drunterlegen... Also: Fotokamera meiner Mutter geholt (richtige hatte ich nicht dabei) und losgefilmt.


    Wieder daheim: gestern setze ich mich ran und schneide da von Cradle of Filth den Song Funeral in Carpathia drunter, ausserdem baue ich einige Effekte ein, sowie ein cooles Black Metal Intro :D


    Siehe da: Der Hammer :D Zwar kein Projekt, wie ich es normalerweise mache (Ich mache meistens Urlaubsfilme, davon aber schon 3 Stück, die aber auch schon relativ professionell sind) aber trotzdem: Den Leuten, die dabei waren und meinen anderen Freunden auf Facebook gefällts :D


    Auch das ist für mich Kreativität, spontan, zum Beispiel beim ANblick einer Sache oder eben eines Trommelvideos usw. eine Idee entwickeln und dann in Gedanken ewig daran herumarbeiten, was man aus dieser Idee macht. Schliesslich kann man diese Idee dann beim Schneiden(am Drumset, wie auch immer... einsetzen und perfektionieren.


    Also, Kreativität ist sehr vielseitig.


    Hoffe, das dieser Thread eine sehr gute Meinungsansammlung wird, ist nämlich ganz schön spannend.


    Liebe Grüße


    Patrick


    EDIT: Wer den Film auch mal sehen möchte, den mit dem Vögeln ^^, der schicke mir eine PN, man kann sich dann bei Facebook adden und dann dort den FIlm anschauen.

  • Vielleicht noch ein wichtiger Gesichtspunkt, auf den auch Unas anspielt, wirklich ausgesprochen hat ihn bisher noch keiner:
    der eigene Wortschatz. Wenn man Musik als Sprache betrachtet (was sie für mich durchaus ist), dann benötige ich auch genügend Wortschatz,
    um mich ausdrücken zu können. D.h. jetzt nicht zwingend gute Technik, sondern wie im "richtigen" Leben kann Wortschatz auch sehr einfach sein, muß aber direkt abgerufen werden können (im Bauch sein).
    Einfache Worte werden auch leichter verstanden, sind also sicher auch massenwirksamer.
    Eine Sprache muß man auch pflegen, am besten sprechen, was letztlich üben und spielen mit anderen Musikern bedeutet,
    wobei ich auch finde, daß, je "besser/ interressanter" die spielen, mehr kreatives entstehen kann. Letztlich kann ich aber nur "mitreden", wenn ich auch den entsprechenden Wortschatz habe.
    Wichtig ist auch, daß die Worte richtig artikuliert werden und "sinnvoll" (was auch immer das heißen mag/ berührt mich, berührt mich nicht) in Zusammenhang gestellt werden, im besten Fall also eine Geschichte damit erzählt wird.
    Und da sind wir wohl im künstlerischen Bereich angekommen.


    Von wem war eigentlich der Spruch: Technik beeindruckt, Musikalität überzeugt? Fiel mir gerade noch so ein.


    Lieben Gruß
    Drummerl

  • Kreativität braucht Inspiration.
    Inspiration gibt es im wahren Leben.
    Alles, was man erlebt, wahrnimmt, kann in Kreativität umgewandelt werden. Eine alltägliche Situation, die Geburt eines Kindes, der Tod eines Menschen, das schöne Wetter, ein Windhauch, ein Museumsbesuch, eine Krankheit, ein schönes Lachen einer wunderschönen Frau usw...
    Natürlich muss man auch dies "üben", indem man ins kalte Wasser springt und "sichere Pfade" verlässt.
    Für Trommler heisst das z.B., nicht eingeübte Licks zu spielen, nicht das zu spielen, was man immer gespielt hat, sondern risikobereit andere Sachen auszuprobieren und sich fallen zu lassen.
    Dieses sich fallen lassen, das zu zu lassen, was in einem steckt, ist der schwierigste Schritt. Dazu gehört Mut aber auch die nötige Durchlässigkeit.
    Was da rauskommt kann manchmal ernüchternd sein. Auch das muss man dann aushalten. Ist wie mit Covermusik oder eigene Sngs spielen. Wer Coversongs spielt, geht eigentlich kein grosses Risiko ein. Wer eigene Songs spielt, läuft auch Gefahr, das niemand das Zeug hören will...
    Man muss lernen anzunehmen, wie man selbst klingt. Das ist meist schwieriger als das zu spielen, was man irgendwo abgeschaut hat.
    Aber wenn man es wagt, diesen Schritt zu tun, ist die Tür offen für das, was man Kreativität nennt. Das muss man dann einfach permanent pflegen, also immer wieder durch solche Türen gehen.
    Wer sich auf diese Unsicherheit nicht einlässt, wird nicht kreativ spielen sondern funktioniert eher wie eine riesige Playbackmaschine. Das geht auch und führt gar nicht zu so schlechten Ergebnissen.


    Und ja, ich glaube, das das nicht jeder gleich gut kann. Es gibt Menschen, die sind nun mal nicht inspiriert, die können sich nicht fallen lassen.
    Nicht jeder kann alles. Nicht jeder kann improvisieren. Denn es bedarf gewisser Charaktereigenschaften, um idies tun zu können.
    Dazu gehören die von mir bereits genannten Eigenschaften der Risikobereitschaft, der Durchlässigkeit und Neugier, immer wieder etwas neues auszuprobieren.
    Vielleicht ist es auch ganz hilfreich, wenn man sich relativ schnell langweilt bzw. sehr ungern Dinge immer wieder auf die gleiche Art macht. Das drängt einen automatisch in Richtung Kreativität.


    Wobei ich mich definitiv auch der hier bereits geäusserten Ansicht anschliessen möchte, das so etwas auch im Laufe des Lebens wachsen muss. Der hier genannte Begriff "Reifeprozess" hat mir da sehr gut gefallen.
    Wogegen ich mich Luddies Verknüpfung von Kreativität und technischer Brillianz gar nicht anschliessen mag, da Technik und Kreativität nicht wirklich zwingend etwas miteinander zu tun haben.
    Zwar kann eine atemberaubende Technik wahnsinnig viele Türen öffnen, durch die man dann je nach Laune durchgehen kann. Jedoch ist sie für Kreativität überhaupt nicht eine zwingende Voraussetzung, denn gerade auch Limitierung der spielerischen Möglichkeiten kann ein extremer Antrieb zur Kreativität sein, aus dieser Limitierung neue Ansätze/Wege zu entwickeln.
    Die Limitierung der Optionen hat in der Kunst eine lange Tradition, um die Kreativität in bestimmte Bahnen zu lenken, teilweise bewusst und mit voller Absicht, teilweise aber auch aus der Not heraus geboren.
    Ich erinnere mal nur als ein Beispiel unter vielen, die man anführen könnte, das Miles Davis aus der Tatsache heraus, das er einfach nicht so toll und virtuos Trompete spielen konnte wie Dizzy Gillespie und die anderen Bebop Virtuosen, eine Musik kreiert hat, die mehr seinen Fähigkeiten entsprach und so die vielleicht legendärste Jazz Platte aller Zeiten "Kind of Blue" aufgenommen hat und mit seinem Spiel stilprägend für die Jazzwelt wurde. Hier war die Limitierung eindeutig ein entscheidender Faktor für diesen kreativen Prozess.
    Gerade deshalb sehe ich die heutige Zeit, die so überfrachtet ist von der ganzen Virtuositätsperspektive und hier noch ein höher schneller weiter Video und da noch eine neue Spieltechnik, so kritisch, weil im Verhältnis dazu so wenig atemberaubendes auf der kreativen Seite passiert. Man hört sehr viel Retrosound oder Überbetonung der "sportlichen" Aspekte.
    Zudem ist es auch meines Erachtens gar nicht so gut, das man heute so vollgepumpt wird mit Material, Übemethoden und dies und das.
    Ich kann mich gut an eine Diskussion in unserem Kompositions/Arrangementkurs an der Hochschule während des Jazzstudiums erinnern, in der wir durch die Bank beklagt haben, das uns unser Wissen um die ganzen Akkorde, Techniken etc. manchmal sogar behindert und wir zuweilen mit Wehmut an die unbedarften Zeiten am Anfang zurückdenken, wo wir einfach mal gemacht haben und den Ball haben laufen lassen, ohne sich zu fragen, ob man das machen kann, ob das "richtig" ist und wie man das alles noch machen kann.
    Wenn es so viele Türen gibt, durch die man gehen kann, weil man die Türen alle kennt und für alle den richtigen Schlüssel (=Technik) hat, kann das sogar zuweilen eher Fluch als Segen sein...
    Trotzdem ist es natürlich nicht als ein Statement gegen gute Technik zu verstehen.
    Nur Kreativität findet woanders statt und ich denke, das ein wirklich kreativer Musiker natürlich auch irgendwo an seiner Technik feilen wird, wobei es dann eben wieder darauf ankommt, ob das, was er kreativ umsetzen will, bestimmte Techniken verlangt oder eben nicht. Nur weil man sich theoretisch am Sack kratzen kann, muss man es ja nicht tun und kann auch entscheiden, das man das eigentlich gar nicht will.
    In der Malerei/Bildhauerei finde ich z.B. diese absichtliche Limitierung bzw, die bewußte Verweigerung gegenüber bestimmten Techniken/Vorstellungen sehr interessant, wie Künstler daraus ihren eigenen Stil entwickeln.
    Womit ich zur ursprünglichen These von mir zurück komme:
    Kreativ sein heisst auch in allererster Linie man selbst zu sein, spielen zu wollen, wie man es selbst will und weniger zu versuchen das zu machen, was alle anderen machen.
    Bei mir persönlich hat das z.B. dazu geführt, das ich schon or über 20 Jahren aufgehört habe, Licks & Patterns zu üben und diese dann in meine Spiel einzubauen.
    Ich versuche immer nur das zu spielen, was mir selbst einfällt und nicht was zu spielen, was ich irgendwo genau so schon mal gehört hab.
    Vielleicht schaffe ich es damit eines Tages auch so unverwechselbar und eigenständig zu klingen, wie es die Trommler tun, die ich von tiefsten Herzen liebe und schätze. Die haben das nämlich und die sind nebenbei auch nicht immer die virtuosesten auf diesem Planeten...

    Einmal editiert, zuletzt von drumdidi ()

  • Ich finde, um kreativ zu sein braucht man halt, wie schon gesagt, etwas worauf man aufbauen kann. Mir haben diese Akzent tabellen sehr geholfen. Im 4/4 Takt kann ich mich, wie wahrscheinlich fast jeder drummer, komplett frei bewegen, im 6/8 kann ich einfach nicht so locker und kreativ spielen. Aber dadurch, das ich die 6/8 Akzenttabellemit Snare und Bass drum durchgemacht hab, bin ich schon ein riesen Stück weiter.


    Das ist so das, was mir direkt dazu einfällt. Ansonsten drumme ich halt oft so vor mich hin, also spiele Grooves nach die ich cool finde, variiere sie... das verstehe ich unter kreativem Spiel. Etwas schon da gewesenes spielen, und es bisschen verändern. Denn "komplett NEU" gibts nicht. Gabs nie. Das geht auch gar nicht, glaube ich zumindest. Jojo Mayer ist für mich ein mega Vorbild, ich finde er ist derzeit der innovativste und für mich geschmacklich der beste Drummer der Welt. Aber trotzdem, auch er spielt 4/4 Takt, das gabs auch schon. ist ja auch nicht schlimm, man sollte sich finde ich nur wegen diesem Kreativitäts blabla nicht wahnsinnig machen lassen.


    Man muss gucken, inwieweit man grade eigentlich kreativ sein will. Ein neuer groove braucht bei mir 5 minuten, wenn ich mir denk "komm, probier mal n neuen Groove zu spielen". Wenn man aber nen komplett eigenen Stil entwickelt, braucht das glaub ich n Tick länger..;)

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