Balance zwischen Kraft/Technik/Show

  • Ich stelle in letzter Zeit immer häufiger fest, dass ich in der Probe anders spiele als auf der Bühne:
    Im Proberaum spiele ich konzentriert, achte auf meine Technik und schone meine Kräfte. Auf der Bühne habe ich dann Lust emotional zu spielen, auszurasten und wenn mir gerade danach ist auch mal richtig reinzuknüppeln.


    Das sieht natürlich cool aus, macht mehr Spaß als das rein technische Spiel, hat aber diverse Nachteile.
    Um nur einige davon zu nennen:
    - Das Schlagzeug klingt nicht zwangsläufig besser oder "lauter", nur weil ich fester zuschlage.
    - Ich verliere unheimlich viel Energie dadurch.
    - Die Lebensdauer der Becken und Felle verkürzt sich.
    - Und einer der wichtigsten: Mein Spiel wird weniger konstant, da ich schnelle Blast-, Doublebass-Parts und Fills natürlich nicht so energisch spielen kann wie langsame Groove-Parts.


    Trotzdem würde ich ungern darauf verzichten auf der Bühne abzugehen und auch mal richtig auszuholen.
    Ich weiß nicht genau wie ich meine Frage formulieren soll, aber sie richtet sich vor allem an alle Drummer der härteren Musikstile:
    Habt ihr dieses Problem auch?
    Muss ich weniger emotional spielen? (Halte ich eigentlich erstmal für Blödsinn, deshalb viel mehr die Frage: )
    Wie koordiniert ihr eure Technik so, dass es so aussieht/sich anfühlt als würdet ihr richtig rein-knüppeln, dies aber in kontrolliertem Maße tut und eure Energiereserven schont?


    Ich hoffe man kann einigermaßen nachvollziehen wo meine Blockade im moment liegt.
    Ich bin über jeden Tipp dankbar :)

  • Ich stelle in letzter Zeit immer häufiger fest, dass ich in der Probe anders spiele als auf der Bühne:
    Im Proberaum spiele ich konzentriert, achte auf meine Technik und schone meine Kräfte. Auf der Bühne habe ich dann Lust emotional zu spielen, auszurasten und wenn mir gerade danach ist auch mal richtig reinzuknüppeln.

    Ich wage mal zu behaupten, dass das bei den meisten Musikern Normalität ist. Mir geht das zwangsläufig auch immer so, weil man vor Publikum und idealerweise noch in einer Konzerthalle oder Open-Air einfach "besser drauf ist". Blöde Formulierung, aber ich denke, dass Nervosität da ganz entscheident Einfluss drauf nimmt.

  • Hallo, Nervrem!


    Habt ihr dieses Problem auch?


    Kurz und bündig: ja. Ich sehe es allerdings nicht als Problem an, sondern als normal, bedingt durch die erhöhte Adrenalinausschüttung.


    Muss ich weniger emotional spielen? (Halte ich eigentlich erstmal für Blödsinn, deshalb viel mehr die Frage: )
    Wie koordiniert ihr eure Technik so, dass es so aussieht/sich anfühlt als würdet ihr richtig rein-knüppeln, dies aber in kontrolliertem Maße tut und eure Energiereserven schont?


    Vorab: Ich bin kein großer Techniker vor dem Herrn, auch Stick-Tricks sucht man bei mir vergebens, von daher fällt dieser Posten des Energieverbrauchs schon mal weg. Allerdings racker' ich mich mittels massiver rhythmischer Kopf- und Oberkörperbewegung schon ziemlich ab.
    Bei den schwierigen/schnellen Stellen lasse ich's dann aber ruhiger angehen und spiele "nur". Na klar wird's dadurch insgesamt - nennen wir's mal "dynamischer", und natürlich tut das der Konstanz ziemlichen Abbruch, aber mal ehrlich: Was erwarten die Leute auf einem Konzert? Technisch perfekte CD-Reproduktion oder die Kraft, den Schweiß und all die kleinen "Macken", die ihm den "LIVE!!!-Stempel" geradezu ins Gesicht drücken? Unsere Klientel will ohne Zweifel letzteres, da machen einige Laut-Leise-Ungereimtheiten oder kleine Spielfehler überhaupt nichts.


    Und wie man mit seinen Energiereserven über einen Gig kommt, kriegt man eh schnell raus. Ein-, zweimal bis kurz vor die "Reiher-vor-Erschöpfung"-Grenze und man weiß Bescheid. :D


    Liebe Grüße
    André

  • Vor Publikum abgehen ist doch allemal besser, als wenn man mit Blockaden (sprich: Lampenfieber) zu kämpfen hätte. 8)


    Kommt Zeit - kommt Routine.



    .

    Schöne Grüße - Rainer K. aus B. an der W.

  • Ich raste eher während der Proben aus. Unsere Arrangements sind zwar notiert, allerdings nutze ich die Proben, um durch Varianten zwei Dinge zu erreichen: 1) evtl etwas zu finden, was noch besser passt und 2) meine Mitmusiker wach zu halten :). Spiele ich zum Beispiel ein übliches Fill einfach mal nicht, dann verpasst der Gitarrist auch schon mal sein Solo oder Sänger den Refrain. Sie beschweren sich dann zwar, dass sie Takte zählen müssen, aber das Leben ist halt auch kein Liegestuhl. Live halte ich mich allerdings an die Arrangements und versuche, der Band die Basis zu geben, die sie braucht. Es hilft niemandem, wenn ich auf der Bühne mit den coolsten Fills glänze, der Gitarrist dann aber rausfliegt oder der Sänger überrascht den Text vergisst. Die Coolness eines Fills oder eines ausgeklügelten Grooves verstehen meist eh' nur die anderen Drummern im Saal, den meisten anderen Leuten vor der Bühne ist das Getrommel relativ Latte, solange es tight und auf den Punkt ist.


    Wenn es um Intensität oder "Ausholen" geht, versuche ich den Techniker/die Technik nicht zu überfordern. Wenn ich bspw. immer volle Kanne rimshotte, ergeben sich mind. 2 Probleme:
    1) der Techniker muss alle Instrumente an meine Rimshots anpassen = es wird tierisch laut, die Sänger hören sich nicht mehr, jammern, werden heiser => nicht gut.
    2) es sterben einige Stöcke pro Gig, ich muss ständig frische Stöcke nachschieben = kostet Geld, dass nicht für Bier nach dem Gig zur Verfügung steht => indiskutabel.


    Die "Reiher-vor-Erschöpfung"-Grenze kann man durch zusätzlichen Ausdauersport in Bereiche schieben, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat :D. Im Ernst: mir hilft Rad fahren und Laufen sehr, auch nach langen oder schnellen Stücken nicht übermäßig japsend da zu sitzen oder nach einem 2-Stunden-Gig immer noch kein Sauerstoffzekt zu benötigen.

    Drummer do it on a skin...

  • Ich halte es ebenfalls für normal, mit Ausnahme von fest einstudierten und notierten Passagen, auf der Bühne etwas reduzierter zu spielen. Weniger Noten - diese aber genau dort wo sie hingehören, fördern den Livesound ungemein. Da 200% im Proberaum oftmals nur 80% auf der Bühne bedeuten, gehen komplizierte Improvisationen auch schon mal daneben. Aus diesem Grunde ist es m. E. unabdingbar, live anders zu spielen als im Proberaum, um eine tighte und weitestgehend fehlerfreie Show abzuliefern.

  • Ein Konzert ist immer eine extrem Situation!
    Sie zu meistern braucht es viel Erfahrung, Übung und gute Technik.
    Umso mehr man von allen drei hat, desto weniger muss man sich dann um Ausdauer und Inkonsistenz sorgen machen.


    Ich habe einige Jahre in einer zwar nicht harten, aber von der Geschwindigkeit her sehr fordernden Band gespielt. Es hat zwei oder drei Jahre gebraucht, bis ich das erste Mal einen Gig wirklich komplett locker von hinten bis vorne durchgespielt habe und danach nicht am Ende war.


    Was mir aber das wichtigste war: Ich hatte auch bis dahin einen Mordsspaß und das Publikum hats auch gefeiert!
    Wenn das beides so stimmt, ist das wichtigste erledigt.


    Da du aber gefragt hast, hier die Schattenseite:
    1a. Man sollte seine Lautstärke dem Club anpassen. In einem kleinen Club kann der Mischer seine Aufgabe nicht erfüllen, wenn du zu laut spielt PUNKT
    1b. Deine Mitmusiker hören dich dann auch zu laut. Im schlimmsten Fall hören sie sich selber nur noch schlecht und
    1c. Fürs Publikum ist die Akustik dann auch für den Popo.


    2. Ich habe gerade eine Kombo irgendwo zwischen Hardcore und Metal aufgenommen und der Drummer hat mich zum Wahnsinn getrieben mit seinen Lautstärke- und Soundunterschieden: Wenn er einen einfachen Beat gespielt hat, war ich glücklich. Er hat ordentlich in die Snare geknüppelt und auch relativ mittig getroffen. Alles super.
    Dann kam ein Blastbeat und die Snareschläge verflogen sich überallhin und waren noch max. ein Drittel so laut. Ohne Samples ging da GAR NICHTS. (Ich vermute aber mal, dass du nicht Triggerst) und somit stellst du den Mischer vor eine unlösbare Aufgabe den Sound deiner Drums ordentlich zu mischen.


    Fazit:
    Für die Theorie wäre es besser konzentrierter zu spielen auch auf der Bühne.
    In der Praxis: Hab Spaß, sonst bringts alles nix.


    VG André

    Ich bin ein Smiley :D

  • Ich seh das genauso.
    In gewissen Grenzen, lass einfach laufen. Go with the flow;-)
    Spiele in ner Hardcore Kapelle und das ein oder andere mal war ich auch schon davor vom Hocker zu kippen:-D
    Mit der Zeit lernt man seine Grenzen kennen, allerdings wir schon gesagt wurde, Konzerte sind Extremsituationen. Wo sonst sind alle Spots auf dich gerichtet bei gefühlten 100 Grad;-)
    Konzentration ist gut, aber wenn man mitgeht und völlig in der Musik ist, überträgt sich das auch auf das Publikum.
    Mich touched das immer ziemlich, wenn ich merke, das derjenige auf der Bühne voll in der Musik aufgeht.



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  • Interessante Frage,den mir ist aufgefallen das der Bassman meiner neuen Band egal wo oder wie die Umstände sind (heute waren sie nicht gut) immer annähernd den selben geilen Sound hat.Das ist für mich eine echte Bank.Und genau das ist auch mein Anspruch,immer den selben Sound für mich und meine Mitmusiker zu produzieren.Das bedeutet für mich Live genau wie im Proberaum zu spielen,und der Techniker wird auch dankbar sein.Und von wegen bis ans Körperliche limit gehen (kotzen) geht wohl auch nur wenn es gelegentliche Gigs sind.Spielst du jeden Tag musst du sehr wohl haushalten.lg

  • Hallo,


    Habt ihr dieses Problem auch?


    ich war auch mal jung, da ging es noch drunter und drüber, heute geht es nur noch ... ähm ja.
    Tatsächlich ist es inzwischen so, dass ich relativ genau weiß, was ich live mache und Proben sind dazu da, genau das zu proben.
    Je nach Situation der Veranstaltung kann das dann noch etwas angepasst werden, aber das Prinzip ist gleich.
    Warum? Weil man im Alter langweiliger wird.
    Ansonsten: Energiehaushalt: die meiste Energie verbrauche ich beim Tragen des Ständerkoffers.
    Lebensdauer der Becken ist bei mir sehr gut und auch früher schon gewesen, inzwischen wahrscheinlich noch besser; bei Fellen sieht man schon sehr deutlich, ob ein Schlag kontrolliert oder chaotisch erfolgte, da ist die Trefferquote mit den Jahren auch immens gewachsen.
    Konstantes Spiel sorgt für einen entspannten Abend. Üben hilft. Wie immer.


    Grüße
    Jürgen


    PS
    Die Tante, die neulich nach uns gespielt hat, sah gar nicht nach Energie aus, hat aber alles doppelt so laut und so schnell und zehn Mal so komplex aber vor allem auch konsistent gespielt und ist beim Abbauen noch herumgehupft wie ein Flummi. Die hat offenbar noch mehr geübt.

  • Und von wegen bis ans Körperliche limit gehen (kotzen) geht wohl auch nur wenn es gelegentliche Gigs sind.Spielst du jeden Tag musst du sehr wohl haushalten.lg


    Das stimmt natürlich, es gibt aber Drummer, die beides gleichzeitig draufhaben. Im heftigeren Musikbereich fällt mir vor allem Frost von Satyricon ein, der lässt die Matte in Dauerrotation kreisen und liefert über alle Groove-, Double Bass- und Blast-Parts eine dermaßen konstante Leistung ab, dass man sich fragt, wie so was über zwei Stunden möglich ist. Und da kommt Training ins Spiel, immerhin macht der Frost das schon seit über zwanzig Jahren.


    Mal was zum Threadstarter: Ich hab' mir das FB-Profil Deiner Band angeschaut, brauchst Du wirklich unsere Tipps? Ihr seid ja schon 'ne größere Nummer im Core-Bereich und Dein Drumming wirkt sehr fortgeschritten...


    Liebe Grüße
    André

  • Danke für die Antworten :)


    Ich bin mit meiner jetzigen Band auch schon seit gut 5 Jahren unterwegs. Die Zeit in der ich beim vorletzten Song nach Luft geschnappt habe und mir schwarz vor Augen geworden ist habe ich mitlerweile auch hinter mir gelassen :D


    Ich versuche nun in den Proben mehr abzugehen und mehr "wie live" zu spielen und im Gegenzug auf der Bühne konzentrierter zu sein.
    Ich glaube, dass wenn ich mich eine Zeit lang dazu zwinge nicht zu sehr rein zu hauen und mehr zu konzentrieren, gewöhne ich mich schnell an diese Spielweise.
    Wenn man die Spieltechnik dann so automatisiert hat, kommt das emotionale Spiel von ganz alleine wieder und man kann abgehen ohne sich darauf konzentrieren zu müssen, wie fest man zuschlägt.
    Ich spreche hier natürlich nicht von großartigen Änderungen in meinem Spiel, es geht mir tatsächlich nur ums "fine-tuning" :)

  • [video]

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