Langes Solo entwickeln

  • Hallo,


    ich spiele nun seit fast 10 Jahren Schlagzeug und bin jetzt in eine Einsteiger-Bigband reingerutscht, was mir tierisch Spaß macht. 8)
    Wir fangen klein an, sind noch nicht vollzählig und die meisten spielen noch nicht sehr lange ihr Instrument.
    Ich spiele zwar schon rel. lang, aber als Späteinsteiger und voll Berufstätiger komme ich kaum zum Üben und mir fehlt einfach (noch) Praxis... :S


    So, nun zum Thema:


    Eines unserer ersten Stücke ist "I feel good" von James Brown. In diesem Stück gibt es einen Solopart, der von beliebigen Instrumenten soliert werden kann.
    Unser Dirigent hat dann mal eben gesagt, einmal solle das Schlagzeug da durch...und da liegt mein Problem. :|


    Alle anderen Stimmen haben ihre Stimme ja ausnotiert und müssen "nur" das alleine spielen, wenn sie dran sind, aber ich hab da grundsätzlich nur Groove-Begleitung.
    Ich tu mir grundsätzlich (noch) sehr schwer, zu interpretieren, dazu fehlt mir einfach die Spielpraxis und Erfahrung (und damit auch die Ideen und Fähigkeiten, aus dem Handgelenk mal eben "was" zu spielen).


    Bei 2 Takten bring ich auch was hin, aber dieser Solopart ist 12 Takte lang und ich hab da echt ein Problem. Die anderen Stimmen sagen immer so einfach "spiel halt irgendwas", aber das ist für mich persönlich einfacher gesagt als getan. ;(


    Ich denke da jetzt schon eine ganze Weile nach, aber ich komm irgendwei nicht weiter...kann mir da vielleicht jemand Tips geben?


    Ich hab schon viel gelesen, mit meinem Lehrer gesprochen und rumprobiert, aber ich hänge da.


    - 12 Takte Groove sind freilich Kacke - das verbietet mir schon mein Können...
    - ein völlig abgedrehtes Solo mit durcvhgängig 16tel-Gedresche ist genauso Mist - paßt stilistisch nicht und bei dem Tempo könnte ich es auch gar nicht, obwohl es Moderate Rock ist
    - zur Einleitung ein paar Takte Groove kann ich mir vorstellen, um reinzukommen....
    - 2 Takte Groove - Fill - 2 Takte Groove - .... klingen auch beschissen
    - 12 Takte improvisieren kann ich nicht, wie gesagt. Noch dazu ist es auch schwirig, weil man halt an die 12 Takte gebunden ist und das Solo wieder pünkltich enden muß - ich muß also parallel dazu mitzählen....


    Also muß es irgendwas dazwischen geben, was zum einen melodisch klingt, als ob das Lied weitergeht - aber nicht zu abgefahren, is ja auch ne Bigband und ich will (und kann) keine 12 Takte Gedresche abliefern.
    Das is echt nicht einfach für mich, weil das ja keine technische Fähigkeit ist (die man sich draufziehen kann), sondern was grundlegendes.


    Weiß jemand Rat? Bin verzweifelt... ;(


    MIr würden schon Tips oder auch Beispiele helfen, wie ich mich da rantasten könnte, um dann vielleicht irgendwann den AHA-Effekt zu bekommen und selbstständiger zu werden.


    Vielen Dank!
    Michael

  • Hi drummermichel,

    Also muß es irgendwas dazwischen geben, was zum einen melodisch klingt, als ob das Lied weitergeht - aber nicht zu abgefahren, is ja auch ne Bigband und ich will (und kann) keine 12 Takte Gedresche abliefern.

    neben der Möglichkeit, das "Angebot" des Dirigenten abzulehnen mit der Begründung, dass die solistischen Fähigkeiten einfach noch nicht so weit sind, hab ich noch eine - sehr simple - Idee: Hast Du mal überlegt, die Melodie von I Feel Good auf den Drums zu orchestrieren? Falls Du ein (allerdings hoch professionell eingespieltes) Beispiel für etwas noch Schwierigeres hören möchtes, schau mal bei Stoiber on Drums vorbei.


    Stell Dir eine getretene HH als Timekeeper vor und überleg mal, wie viele Takte Du allein die - sehr markannte und bekannte - Melodie auf der Snare spielen könntest, bis es langweilig würde. Ich vermute, Du könntest locker 24 Takte spielen. :)


    Dann finde ich immer eine attraktive Idee, eine "Duett" zu spielen: 1. Melodieteil auf der Snare, die "Antwort" dann auf dem hohen Tom oder der Hihat. Bei dem hohen Tempo des Songs sind die 12 Takte flott rum und mein letzter Tipp (von einem, der schlecht und ungern soliert, by the way!): Pausen gehören zur Musik und wollen gespielt werden! 1 Takte Pause ist nix, den darf man zwischendrin öfter "spielen". 3 Takte Musik, einer Pause wird von der Musiker- und Solopolizei noch nicht verfolgt. :D


    Hauptsache es macht Spaß und hat Aussage! Ich würde als Zuhörer lieber kein Solo hören als ein mechanisch abgespultes, das müsste auch dem Dirigenten einleuchten


    hofft und grüßt
    Hajo K

  • Wenn du dich absolut unwohl und unsicher dabei fühlst, würde ich das auch so klar sagen, dass es für dich einfach noch zu früh ist, ein Solo hinzulegen.


    Allerdings gibt es einfache Möglichkeiten, die zwölf Takte zu füllen. Nämlich mit fast gar nichts. (Oftmals ist weniger mehr) Stell dir vor: Stille im Raum, immer nur zum Beginn des Taktes kommt ein Schlag, mal Snare, mal Hitom, mal Lowtom, mal Becken, ansonsten ruhe, nix, nada. Nur in den letzten vier Takten wird die Schlagfolge dann verdoppelt. Die Luft, die auf diese Art entsteht, kann so einem Stück sogar gut tun (Gezielter Kontrapunkt zum eher lebhaften Rest des Stücks).


    Hajos Tipp mit dem Duett ist auch recht einfach zu realisieren und wirkt eigentlich immer ganz gut. Vor allem erfordert es nicht unglaubliche technische Fähigkeiten.


    Wenn du dich an die Aufgabe herantrauen willst, überlege dir ein solches Soloschema, trommle es für dich separat ein, abseits von der Band, immer und immer wieder. Stelle dir auch Gedanklich vor, wenn du nicht an den Drums sitzt, was du da spielst, mach ruhig auch mit einem Mund die Klänge dazu. Bumm Tamm Dumm Dumm Chrash! Irgendwann hast du es dann so verinnerlicht, dass du es spielen kannst.

    "You don't have to show off" - Peter Erskine

  • Alles, was Hajo schrieb, ist gut und richtig aber vor allem:


    Bei dem hohen Tempo des Songs sind die 12 Takte flott rum


    Bei der Überschrift hatte ich ganz andere Befürchtungen :D


    Ich würde es mir ganz einfach machen, wo bei es natürlich hilfreich ist, wenn man die Strophe im Geiste mitsingt:


    8 Takte Intensiver Groove mit mehr Ghostnotes und Betonungen =
    4 Takte: Whoa! I feel good | I knew that I would, now
    4 Takte: I feel good | I knew that I would, now


    Ausstieg aus dem Solo ist dann:
    4 Takte: So good, so good, I got you (zusammen mit Bigband)


    Wenn das richtig knackig zusammen 'rüberkommt, ist das sehr wirkungsvoll.


    .

    Schöne Grüße - Rainer K. aus B. an der W.

  • Zwölf Takte sind gar nicht so viel. Da brauchst du eigentlich auch nicht (verkrampft) mitzählen. Das ist doch genau das Schem des Refrains mit den abschließenden Offbeat-Akzenten.
    Während du spielst kannst du das im Kopf weiterlaufen lassen oder mitsingen. Dann kommst du nicht raus und dein Solo wird sicher deutlich musikalischer und passender als wenn du stur bis 48 zählst.


    Und wenn das Solo sowieso über dem Refrain ist, dann ist die Idee von Hajo doch super:
    - Bass und HH laufen durch (z.B. Bass auf 1, 2, 3 und 4, HH auf 1 und 3)
    - Linke Hand spielt alle Töne der Meldodie auf der Snare
    - Rechte Hand läuft auf dem Standtom mit Achteln durch (z.B. mit Akzenten auf 1, 2+ und 4)
    - In den langen Pausen der linken Hand zwischen den Tönen spielt sie Zwischenschläge auf Standtom oder Hängetom und setzt so ein paar Akzente, damit es nicht langweilig wird. Aber natürlich nicht auf der Snare, die ist für die Melodie.
    - nach den Offbeat-Akzenten im 11. Takt in der Melodie bleibt der 12. Takt für ein kleines Finale: Hier kannst du ein schönes, flottes Fill auspacken (z.B. Triolen zwischen Standtom, Bass und Hängetom oder sonst irgendwas, was bei dir rundläuft).
    Fertig. :)



    Alternative:


    Die 8 Takte Groove von HOHK könnten auch ein cooler Cowbell-Groove mit Variationen sein. Groovt dann und sticht durch die neue, unerwartete Klangfarbe schön hervor.


    edit:
    Sowasoder sowas oder so ;)

    "Just beat the devil out of it." - Bob Ross

    2 Mal editiert, zuletzt von Korki ()

  • Nimm' Dir z.B. die "ausnotierten" Soloparts der anderen Stimmen zu Hand und orchestriere die nach Gusto auf Deinem Drumset. Bau sie um, erweitere sie … Da kommen sicher schöne Sachen dabei raus. Mit den besten Teilen bekommst Du sicher interessante 12 Takte zusammen. Um sicher zu gehen kannst Du Dein Solo auch notieren,Dir und Deinen Mitmusikern dürfte ein immer gleiches oder ähnliches Solo zusätzliche Sicherheit geben.

  • Hallo,


    ich muss ja bei meiner Kapelle auch "I Got You (I Feel Good)" spielen, da habe ich allerdings schon die richtigen Noten abgewandelt
    und es rumpelt immer noch.


    Wenn ich die Noten mal sehen dürfte, könnte ich auf die Schnapsidee kommen, ein Solo dazu zu schreiben, ob das dann aber spielbar
    ist (ich schreibe gerne mal etwas auf, was ich selber nicht spielen kann), ist eine andere Frage.


    Ansonsten: bei uns früher hat der Kapellmeister die Noten geschrieben: soll er doch mal machen!


    Grüße
    Jürgen

  • Erstmal vielen Dank für Eure Tips!


    Hat mir schon sehr geholfen, ich hab nochmal nachgedacht und jetzt hab ich was gebastelt... :D


    Das muß noch nicht das letzte sein, aber wenigstens hatte ich jetzt mal Ideen 8)
    Ich habs mal schnell auf dem TD-11 gespielt, das ausgespuckte Midi klingt halt Sch..., aber ich habs mal angehängt. So schnell sind 12 Takte rum :D


    Nochmal vielen Dank für die Inspiration :thumbup:


    Gruß
    Michael

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