Akustik-Behandlung eines Übungsraumes / Bassfallen (mit Audiobeispiel vorher/nachher)

  • Edit: Für die Neugierigen, die nicht lange lesen wollen: Vorher/Nachher-Vergleich


    Ich wollte hier mal in Kurzform die Akustik-Behandlung meines neuen Übungraumes vorstellen und damit vielleicht dem einen oder der anderen Anregung für die Behandlung ähnlich gelagerter Akustik-Probleme geben.


    Ausgangslage war folgende: der Raum hat Abmessungen von ca. 5 m x 5 m und eine Deckenhöhe von ca. 4,50 m. Die Wände bestehen aus gemauertem Kalksandstein, die Decke ist so ein Mittelding zwischen Holzbalken-Decke und gemauerter Decke, der Boden ist Estrich mit (mittlerweile) Trittschall-Dämmung darauf und dann Laminatboden. Der Raum hat durch den Hauptmieter bereits eine tiefergelegte Decke bekommen: die äußeren 60 cm bestehen aus mit Stoff bespannten Holzrahmen, die an die Wand gedübelt sind. In diesen Holzrahmen befinden sich auch drei "Leuchtfelder" mit eingelassenen Deckenspots. In dem sich ergebenden inneren Quadrat ist eine großes Segel aus Bühnenmolton gespannt. Weiterhin sind zwei Wände komplett (also ca. 80% der Fläche) mit Bühnenmolton bespannt, eine weitere Wand hat kleinere Teilflächen mit stoffbespannten Rahmen. Die Fensterwand hat einen Absatz in ca. 1,30 Höhe, der 50 cm in den Raum hineinspringt, aber nach unten hin wieder schräg wegläuft. An der Fensterwand ist auch ein großflächicher Heizkörper angebracht und das Fenster selber (ca. 2 m² Fensterfläche). Ansonsten ist die Fensterwand "nackt".



    Bild 1: die bereits installierte "Zwischendecke" (oder: Der Mann, der durch die Decke geht...)


    Das Problem: der Höhenbereich war durch die optisch sehr ansprechend angebrachten Moltonflächen bereits gut "im Griff", aber im Tiefmitten und Bassbereich herrschte ein unglaublicher Matsch. Eine Messung ergab Peaks zwischen 80-100 Hz sowie einen breiten Mulmbereich bis hoch auf ca. 500 Hz. Proben in diesem Raum: unmöglich! Ein kleines Beispiel in dieser Audiodatei - es handelt sich dabei um ein Cajon, das in dem Raum angechlagen wurde...
    Es war mir und dem Hauptmieter klar, dass unbedingt etwas getan werden musste, um den Tiefmitten-Mulm in den Griff zu bekommen. Der erste Ansatz waren selbstgebaute Bassfallen in Dreieckform in den vertikalen Raumecken, aber bei einer zweiten Raumbegehung und der Prüfung der Materialbasis kam es zu einer wesentlich einfacher zu realisierenen Lösung, die die bereits eingebauten Rahmen etwa 80 cm unterhalb der Raumdecke mit einbezog...

    Die gewählte Lösung:
    In einem örtlichen Baumarkt waren Glasfaser-Trennwandplatten in verschiedenen Stärken verfügbar, die egal welche Stärke die einzelnen Platten hatten immer in Paketen von 62,5 cm x 125 cm (Plattenmaß) und einer Packhöhe von ca. 45 cm kamen. Diese Trennwandplatten sind in Thermo-Folie eingepackt, die rundum dicht ist und an den Kopfseiten im Werk etwas zugeschrumpft wird. Diese Folie ist relativ dünn, aber stabil. Wenn man zwei von den Paketen übereinanderstapelt und etwas drückt, dann passen sie genau zwischen die Decke und die Holzrahmen der abgehängten Decke. Sie werden dabei gerade soweit zusammengedrückt, dass sie nicht mehr von alleine verrutschen.



    Bild 2: Die Stirnseite der Dämmstoff-Pakete aus dem Baumarkt


    Weil die Holzrahmen an der Fensterfront nicht vorhanden waren wegen der Fensteröffnung, haben wir die vier oberen Raumecken unterschiedlich behandelt: die an der Fensterwand liegenden zwei Ecken bekamen jeweils zwei komplette Pakete eingebaut, so dass dort jetzt jeweils eine Bassfalle von 1,25 x 0,8 x 0,625 m³ verbaut ist. Die gegenüberliegenden Ecken bekamen die "doppelte Dosis" von jeweils 4 Paketen, die dort über Eck eingebracht sind. Dort befindet sich jetzt also in jeder Ecke ein "L" mit Schenkellängen von 1,85 m und 1,25 m, beide Schenkel wieder 80 cm hoch. Insgesamt sind in den oberen Raumecken jetzt 12 m³ staubdicht eingepackte Glaswolle, der Platzverlust im Raum beträgt "Null" am Boden und bis zur Höhe von ca. 3,5 m.




    Bild 3: Staubdicht verschlossene Dämmwoll-Pakete (hier testweise in einer Raumecke am Boden liegend)


    Die Theorie (in unwissenschaftlicher Kurzform): Der Raum hat aufgrund der parallelen Wände und der fast kubischen Raumabmessungen eine massive Überlagerung von stehenden Wellen, die sich in den Peaks zwischen 80 und 100 Hz sowie dem Tiefmittenmulm bis ca. 500 Hz äußerten. Teilweise wurde das ganze noch von einem Flatterecho überlagert, dass jedoch nur im unteren Frequenzbereich auftrat, weil die oberen Frequenzen schon durch die Stoffe an den Wänden entschärft waren. Da sich in Raumecken die Energie von tiefen Frequenzen besonders konzentriert sind diese ein sehr guter Ort um Probleme im Bassbereich zu bekämpfen. Die Bässe und Tiefmitten werden dort von der Glaswolle in Wärme umgewandelt und sind danach akustisch nicht mehr vorhanden. Das theoretische Ergebnis: Der Raum ist frei (oder sehr viel freier also vorher) von störendem Bass- und Tiefmittenmulm.


    Die Praxis: Glaswolle staubt und der Staub ist ungesund beim Einatmen, außerdem juckt er auf der Haut. Dies Stauben wird durch die Bewegungen, die die Basstöne in der Wolle bewirken, noch unterstützt. Glaswolle ist aber auch sehr günstig und überall erhältlich, daher meist (und auch hier) Material der Wahl. Also muss die Glaswolle so eingepackte werden, dass der Schall zwar noch in die Pakete hinein kommt, der Staub aber nicht heraus. Dünnere Plastikfolien stellen für tiefere Frequenzen bis ca. 500 Hz keine nennenswerte Barriere dar und können so zum Einpacken verwendet werden. Wenn die Folie mit Aluminium-Klebeband verklebt wird, ist sie staubdicht - aus den Paketen kann dann nichts mehr herausrieseln. Da die Pakete schon auf allen großen Flächen in geeigneter Folie verpackt geliefert werden, braucht man nur noch die Stirnseiten zu schließen.Wir haben das mit Folie aus aufgetrennten schwarzen Müllsäcken und dem Alu-Klebeband gemacht. Das Verschließen der zwölf Pakete hat in etwa 4-5 Stunden gedauert - zu zweit geht es sehr viel schneller. Jede "Naht" wurde mit mindestens 2 Lagen Klebeband ausgeführt, teilweise je nach Lage der Naht auch mal drei Streifen nebeneinander. Die Pakete wurden nach dem verkleben durch leichten Druck auf Dichtheit getestet - alle Pakete waren dicht. Beim Einbau mussten wir einmal zwei Pakete wieder mutwillig anpieksen, damit die Luft etwas raus konnte - sie hätten sonst partout nicht in die vorhandene Lücke gepasst. Die kleinen Löcher wurden danach wieder mit Aluklebeband verschlossen. Die ganze Aktion hat mit zwei Mann 8h gedauert - mit Material einkaufen und Curry/Pommes rotweiß dazwischen...




    Bild 4: Stirnseite eines Dämmwollpakets, verschlossen mit schwarzer Müllsackfolie und Alu-Klebeband



    Bild 5: Alu-Klebeband (2 verschiedene Sorten, 50 mm breit)



    Bild 6: Zwei Pakete Dämmwolle in einer der Raumecken unter der Stoff-Zwischendecke


    Die Wirkung:


    Edit (05.01.2016): Vorher/Nachher-Vergleich
    Es sind jeweils zwei Schläge auf einem Cajon zu hören, einmal vor Einbau der Bassfallen, einmal danach. Aufnahmegerät und Cajon standen in etwa (+/- 0,5 m) an gleich Position - Lautstärkeunterschiede wurden durch normalisieren ausgeglichen. Die Aufnahmen sprechen denke ich für sich...



    Bereits nach der ersten behandelten "kleinen" Ecke konnte man den Effekt der Bassfallen bemerken, die Resonanz im Raum war bereits merklich geringer geworden. Nach Einbau aller zwölf Pakete in die Raumecken ist der gesamte Tiefmitten-Mulm und das Bass-Gebrummel schlichtweg verschwunden, wie ausgeschaltet. Einzig das tieffrequente Flatterecho ist noch im Ansatz vorhanden, aber das wird sich beim "Befüllen" des Raumes mit musikalischem Inventar noch geben, so zumindest die berechtigte Hoffnung. Berechtigt deshalb, weil sie in anderen gleichgroßen Räumen, die mit Kram vollgestellt sind, auch nicht mehr auftreten. Das Ergebnis ist aber auch schon jetzt mehr als überzeugend. Einen akustischen vorher/nachher-Vergleich werde ich nachliefern...


    Die Kosten: das gesamte Material belief sich bei uns auf 12 Pakete Glaswolle, 3 Rollen Alu-Klebeband und ein 5er Pack große schwarze Müllsäcke. Dazu kamen noch ein paar Winkel für Stützleisten und ein paar Latten... Insgesamt waren das ca. 200,-. Wenn man die bereits vorhandenen stoffbespannten Holzrahmen noch mitrechnet, wäre es natürlich entsprechend teurer - ich kann deren Kosten nur auf ca. 200 - 300 Euro schätzen.


    Fazit: eine sehr lohnenswerte Sache, die das akustische Problem in diesem Raum nahezu vollständig behoben hat. Generell können solche in Raumecken platzierte Dämmstoff-Pakete in jedem Raum zu massiven Verbesserungen der Akustik führen und das schöne daran ist, dass man es ohne Risiko probieren kann, ob die gewünschte Wirkung erzielt wird. Einfach die Pakete ohne viel drauf herumzudrücken in die unteren Ecken des leer geräumten Raums legen und das Schlagzeug in der Mitte des Raums spielen, um den Effekt zu begutachten. Hinterher einmal durchsaugen, falls etwas Staub ausgetreten ist. Baumaterial kann man heute bei den meisten Baumärkten zurückgeben, wenn es noch originalverpackt ist. Die Platzierung in den oberen Raumecken empfiehlt sich, weil dann kein wertwoller Platz am Boden des Raumes verloren geht. Die vertikalen Wandecken gehen natürlich auch, die Bassfallen sind dort nur nicht ganz so effektiv wie an den Ecken, wo drei Flächen aufeinander stoßen.


    Ich liefer nochmal Bilder vom fertigen Raum mit meinem Set drin nach, außerdem eine Vergleichsaufnahme von dem Cajon jetzt nach der Installation der Bassfallen und auch eine Raumaufnahme vom Drumset. Bin selber schon ganz gespannt... :)


    Edit 10.01.2016: Bilder mit Drumset hier, Raumaufnahme vom Drumset hier!

  • Danke für den schönen Bericht!


    Edit: Aber es muss ja wahrscheinlich nicht zwingend Glaswolle sein, oder? Anderes Material mit vllt. etwas schwächerer Absorptionswirkung aber dafür ungefährlicher dürfte für einige evtl. eine bessere Alternative sein.


    Ich habe gerade mal kurz etwas gestöbert und bin u. a. auf das gestoßen:

    Zitat

    Steinwolle hat ein höheres akustisches Dämmvermögen und unter oxidierenden Bedingungen auch eine hohe thermische Stabilität. [...] Steinwolle ist biolöslich in der menschlichen Lunge und ist somit keine Gesundheitsgefahr.


    Aber auch:


    (http://www.quickiwiki.com/de/Steinwolle)


    Wie Angaben gefälscht, Verbote umgangen werden etc. sieht man andererseits auch fast täglich.

  • Aber es muss ja wahrscheinlich nicht zwingend Glaswolle sein, oder? Anderes Material mit vllt. etwas schwächerer Absorptionswirkung aber dafür ungefährlicher dürfte für einige evtl. eine bessere Alternative sein


    Alle faserigen Wärmedämmstoffe eignen sich für Bassfallen. Das kann Steinwolle, Glasfaser aber auch Flachs-, Hanf- oder Schafwolle sein. Der Markt an alternativen Dämmungsmaterialien wächst ja immer mehr, so dass man im Baumaterial-Handel nicht mehr blöd angeschaut wird, wenn man danach fragt.
    Ich habe jetzt nicht auf unsere Pakete geschaut, aber ich gehe fest davon aus, dass es alle Zulassungen für den freien Verkauf hat. Etwas anderes könnte sich der Baumarkt gar nicht leisten.


    Solange man das Dämmmaterial wirklich sorgfältig staubdicht einpackt braucht man sich aber eigentlich auch keinen so großen Kopf darum zu machen. Wer Stein- und Glaswolle nicht in seiner Nähe haben will, weicht einfach auf die vorhandenen Alternativen aus.

  • Hier nochmal wie angekündigt ein abschließendes Beispiel, wie der Raum jetzt beim Bespielen mit einem Drumset klingt:


    [video]

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    [/video]


    Die Mikrofone bzw. der Zoom H5 stand etwa 2 m von der Bassdrum entfernt dort, wo auch die Kamera stand.

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