Zitat
Original von trommel-uwe
...mir ist gerade noch ein alter Spruch eingefallen :
"Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin"
tja... man muss "nur" NEIN sagen...
Wolfgang Borchert
Dann gibt es nur eins!
Du. Mann an der Maschine und Mann in der
Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du
sollst keine Wasserrohre und keine
Kochtoepfe mehr machen - sondern
Stahlhelm und Maschinengewehre, dann
gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Maedchen hinterm Ladentisch und
Maedchen im Buero. Wenn sie dir morgen
befehlen, du sollst Granaten fuellen und
Zielfernrohre fuer Scharfschuetzengewehre
montieren, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Besitzer der Fabrik. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst statt Puder und
Kakao Schiesspulver verkaufen, dann gibt
es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie Dir
morgen befehlen, du sollst einen neuen Tod
erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es
nur eins:
Sag NEIN!
Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst keine
Liebeslieder, du sollst Hasslieder singen,
dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Arzt am Krankenbett. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst die Maenner
kriegstauglich schreiben, dann gibt es nur
eins:
Sag NEIN!
Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst den Mord
segnen und den Krieg heilig sprechen,
dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Kapitaen auf dem Dampfer. Wenn sie
dir morgen befehlen, du sollst keinen
Weizen mehr fahren - sondern Kanonen
und Panzer, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Pilot auf dem Flugfeld. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst Bomben und
Phosphor ueber die Staedte tragen, dann
gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Schneider auf deinem Bett. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst Uniformen
zuschneiden, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Richter im Talar. Wenn sie dir morgen
befehlen, Du sollst zum Kriegsgericht
gehen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mann auf dem Bahnhof. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst das Signal zur
Abfahrt geben fuer den Munitionszug und
fuer den Truppentransporter, dann gibt es
nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der
Stadt. Wenn sie morgen kommen und dir
den Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es
nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mutter in der Normandie und Mutter in
der Ukraine, du, Mutter in Frisko und
London, du am Hoangho und am Missisippi,
du, Mutter in Neapel und Hamburg und
Kairo und Oslo - Muetter in allen Erdteilen,
Muetter in der Welt, wenn sie morgen
befehlen, ihr sollt Kinder gebaeren,
Krankenschwestern fuer Kriegslazarette und
neue Soldaten fuer neue Schlachten,
Muetter in der Welt, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN! Muetter, sagt NEIN!
Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn IHR
nicht nein sagt, Muetter, dann: dann:
In den laermenden dampfdunstigen
Hafenstaedten werden die grossen Schiffe
stoehnend verstummen und wie titanische
Mammutkadaver wasserleichig traege
gegen die toten vereinsamten Kaimauern
schwanken, algen-, tang- und
muschelueberwest, den frueher so
schimmernden droehnenden Leib,
friedhoeflich fischfaulig duftend, muerbe,
siech, gestorben -
die Strassenbahnen werden wie sinnlose
glanzlose glasaeugige Kaefige bloede
verbeult und abgeblaettert neben den
verwirrten Stahlskeletten der Draehte und
Gleise liegen, hinter morschen
dachdurchloecherten Schuppen, in
verlorenen kraterzerrissenen Strassen -
eine schlammgraue dickbreiige bleierne
Stille wird sich heranwaelzen, gefraessig,
wachsend, wird anwachsen in den Schulen
und Universitaeten und
Schauspielhaeusern, auf Sport- und
Kinderspielplaetzen, grausig und gierig
unaufhaltsam -
der sonnige saftige Wein wird an den
verfallenen Haengen verfaulen, der Reis
wird in der verdorrten Erde vertrocknen, die
Kartoffel wird auf den brachliegenden
aeckern erfrieren und die Kuehe werden
ihre totsteifen Beine wie umgekippte
Melkschemel in den Himmel strecken -
in den Instituten werden die genialen
Erfindungen der grossen aerzte sauer
werden, verrotten, pilzig verschimmeln -
in den Kuechen, Kammern und Kellern, in
den Kuehlhaeusern und Speichern werden
die letzten Saecke Mehl, die letzten Glaeser
Erdbeeren, Kuerbis und Kirschsaft
verkommen - das Brot unter den
umgestuerzten Tischen und auf
zersplitterten Tellern wird gruen werden und
die ausgelaufene Butter wird stinken wie
Schmierseife, das Korn auf den Feldern wird
neben verrosteten Pfluegen hingesunken
sein wie ein erschlagenes Heer und die
qualmenden Ziegelschornsteine, die Essen
und die Schlote der stampfenden Fabriken
werden, vom ewigen Gras zugedeckt,
zerbroeckeln - zerbroeckeln - zerbroeckeln -
dann wird der letzte Mensch, mit zerfetzten
Gedaermen und verpesteter Lunge,
antwortlos und einsam unter der giftig
gluehenden Sonne und unter wankenden
Gestirnen umherirren, einsam zwischen den
unuebersehbaren Massengraebern und
den kalten Goetzen der gigantischen
betonklotzigen veroedeten Staedte, der
letzte Mensch, duerr, wahnsinnig, laesternd,
klagend - und seinefurchtbare Klage:
WARUM? wird ungehoert in der Steppe
verrinnen, durch die geborstenen Ruinen
wehen, versickern im Schutt der Kirchen,
gegen Hochbunker klatschen, in Blutlachen
fallen, ungehoert, antwortlos, letzter
Tierschrei des letzten Tieres Mensch -
all dieses wird eintreffen, morgen, morgen
vielleicht, vielleicht heute nacht schon,
vielleicht heute nacht, wenn -- wenn -- wenn
ihr nicht NEIN sagt.