Das Großmembranmikrofone für Gesangs- und Instrumentalaufnahmen notwendig oder vorteilhaft sind, ist ein unter Musikern verbreitetes Gerücht das, von geschicktem Marketing befeuert wird, aber nichtsdestotrotz jeder Grundlage entbehrt. Gerade für einen, der soeben anfängt Aufnahmen zu machen, ist es sinnvoll eine möglichst färbungsfreie, nüchterne Signalkette zu haben, damit überhaupt gelernt werden kann, wie unterschiedliche Mikrofonpositionen, Mikrofonierungstechniken oder Räume sich auf die Aufnahmen auswirken. Logisch, dass sich hier eigentlich ein Kleinmembranmikrofon empfiehlt. Es gibt, auch für das knapp bemessene Budget Modelle, mit denen man durchaus arbeiten kann:
- Das Beyerdynamic MC930 ist für mich das beste billige Mikrofon auf dem Markt.
- Wenn verschiedene Richtcharakteristiken wirklich wichtig sind, empfehle ich dringend, den Einstieg in ein Wechselkapselsystem dem Erwerb eines umschaltbaren Großmembranmikrofons vorzuziehen. Der MBHO MBP-603 Vorverstärker mit Nierenkapsel KA-200N macht die spätere Anschaffung von Kapseln mit verschiedenen Richtcharakteristiken zu erschwinglichen Preisen möglich und bietet erstklassige Klangqualität. Der Vorverstärker kostet exklusive MwSt ungefähr 290,- und die Nierenkapsel ca. 185,-. Günstiger ist ein absolut erstklassiges Mikrofon, dass ich der Neumann KM Serie jedenfalls vorziehe und das klanglich in der Schoeps-Liga spielt, nicht zu bekommen.
- Bevor ich´s vergesse: das Audio Technica AT4041 klingt auch teurer, als es ist.
Noch ein paar Gedanken zu Richtcharakteristiken:
Weshalb sind Mikrofone mit umschaltbarer Richtcharakteristik oder wechselbaren Kapseln flexibler? In erster Linie, weil wir mit verschiedenen Richtcharakteristiken unterschiedliche Stereo-Mikrofonierungen realisieren können, also etwas wie: Niere für ORTF oder XY, breite Niere oder Kugel für AB, Acht und Niere für MS Stereo und so weiter. Abgesehen davon, dass es natürlich auch klangliche Unterschiede gibt, ist also die Stereo-Aufnahmetechnik das vorherrschende Einsatzgebiet unterschiedlicher Richtcharakteristiken und somit stellt sich die Frage, warum jemand, der nur ein einziges Mikrofon kaufen will, eine umschaltbare Kapsel braucht. Jedenfalls hauptsächlich nur dann, wenn er vorhat sein einsames Mikrofon durch ein zweites zu ergänzen und Stereoaufnahmen zu machen, was ich für ratsam halte, aber jedenfalls sind dafür die genannten Kleinmembrane ebenfalls die bessere Wahl und das nicht ausschließlich für den Anfänger.
Mir ist übrigens noch kein einziges Mikrofon aus der chinesischen Imitationsindustrie begegnet, dass ich dafür geeignet halte, Aufnahmen zu machen. So etwas sollte man sich kaufen, um es auf der Bühne mit Benzin zu übergießen und abzufackeln. Die Nachteile sind ausnahmslos: unangenehme Färbungen, miserable Verarbeitungs- und Materialqualität, ein Signal-Rausch-Verhältnis das den Einsatz zur Aufnahme leiser Instrumente und als Hauptmikrofon unmöglich macht.
Um meine Bemerkungen zur Kleinmembran/Großmembran-Diskussion etwas zu unterfüttern: vor einiger Zeit hatte ich hier ein interessantes Demo-Projekt, bei dessen Aufnahme der Ingenieur sich komplett auf den Einsatz von Sennheiser MKH-416 beschränken musste. Es kamen also nicht mal optimal geeignete Kleinmembranmikrofone zum Einsatz und trotzdem zeigten die Aufnahmen schon in der Mischung ein gewisses Potenzial. Hätte der Mann ein paar Haun in der Tasche gehabt, wäre die Session perfekt gewesen. Es geht also nicht immer nur um den Preis des Mikrofons, wenn auch unwahrscheinlich ist, dass man für unter 100 Euro viel brauchbares kaufen kann. Fachwissen, Sorgfalt, Kreativität und Musikalität können eine Aufnahme weit nach vorne bringen, auch wenn man nur Richtrohre da hat. Dies sagt auch eine Mange über die Flexibilität von Kleinmembranen aus. Hört einfach mal selbst! Es ist nur ein Snippet von unter einem MB. Der Song heisst Vermina, der talentierte Sänger und Songwriter ist Josh Young, die Sache wurde von Manuel Miethe aufgenommen und bei mir gemischt und gemastert.