Ein wahrer Rundumschlag, Herr Kollege. Vorab kurz:
Jeder Interessierte weiß, dass das Vorgehen der Verwertungsgesellschaften (nicht nur der deutschen) auf Kritik stößt, teilweise allgemein verständlich, teilweise aus opportunistisch aufgebauschten Erwägungen heraus.
Die Frage ist die nach der konstruktiven Konsequenz.
Zum Enquete-Bericht:
"GEhMAl weg"-mäßiges konnte ich da bisher nicht herauslesen - weder beim besten Willen, noch beim schlechtesten.
Dass die Kombination privatrechtlicher Organisationsgestaltung mit "quasi-hoheitlichen" Befugnissen an sich kritisiert wird, auch nicht.
Wenn das DPMA als Aufsichtsbehörde nicht optimal funktioniert und eine Regulierungsbehörde gefordert wird - her damit!
Dazu müsste selbstverständlich der Gesetzgeber eingreifen und den 3. Abschnitt des UrhWarnG ändern - das ist doch nichts Aufsehen Erregendes.
Um das Maß der Kritik zwischen den Zeilen endgültig beurteilen zu können, sollten Interessenten den Bericht (noch) einmal genau lesen und entsprechende Stellen dann zitieren (können). Bin dabei.
Zur Aufsicht:
Hier handelte es sich doch klar erkennbar um ein Missverständnis. Ich bezweifle, dass ein Herumreiten darauf sich konstruktiv auswirken kann. Lasst uns doch alle sachlich bleiben.
Die schwer vermittelbare Unterscheidung zwischen Aufsichts- und Regulierungsbehörde (beides Bundesbehörden) mitzuteilen, wäre dagegen weiterführend.
Wenn im Verfahrensgang Verwertungsgesellschaft -> Schiedsstelle -> Gerichte noch eine Regulierungsbehörde dazwischen muss - Warum nicht?
Potenziell käme das doch den sachlich kritisierenden Verwertungs-Kundigen entgegen.
Zur Vergleichbarkeit mit anderen bösen Konstrukten:
Ibn beiden Fällen ging es um Maßnahmen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft einerseits ( GEZ) und einer mittels konkreter Rechtsvorschriften quasi zur Beliehenen qualifizierten privatrechtlichen Organisation (GEMA), die beiden in den konkreten Fällen zwar rechtmäßige Maßnahmen durchgeführt haben, wo sich aber trotzdem jeder normale Mensch mit gesundem Menschenverstand an den Kopf packt und sich fragt, in welcher Welt wir leben.
In diesem Zitat erkenne ich als einzige (vermeintlich den Vergleich legitimierende) Gemeinsamkeit, dass sich Menschen an den Kopf fassen.
Die Erhebung von Pauschalen für Leistungen, die nicht jeder In-Anspruch-Genommene in Anspruch nimmt, könnte zur Vergleichbarkeit führen, da ZPÜ-Abgaben vom Hersteller an den Endkunden weitergegeben werden dürften.
Dies geschah damals im Gegenzug zur enteignend qualifizierten Legitimierung von Tonbandkopien, vom BVerfG bestätigt. Man mag darüber streiten, ob das noch zeitgemäß ist - beim Vergleich zu Waffenherstellern fehlt jedoch die entsprechende enteignende Komponente.
Zur Vergleichbarkeit mit Verleitung zum Diebstahl:
Die Veröffentlichung eines Werkes kommt doch nicht dem ordnungswidrigen Abstellen eines Fahrzeugs gleich! Die Freigabe von Dateien wird doch gerade vom Urheberrechts-Verstoßer vorgenommen, nicht vom Eigentümer. Vergleichbar wäre eher, wenn ein Autodieb ein fremdes Fahrzeug ordnungswidrig abstellt.
Haben sich eigentlich letztere ebenso gegen die Einführung von Lenkradschlössern und Wegfahrsperren gewehrt wie die Contentdiebe gegen DRM-Schutzverfahren? Ist das Überwinden eines Schutzmechanismusses nicht in beiden Fällen vergleichbar qualifizierend geregelt? Dass sich das im Falle unzulänglicher DRM-Technik im Dateibereich mit der legalen Privatkopie beißt, ist ein diskussionswürdiger, aber behebbarer Kritikpunkt. Es wird immer Techniken geben, Wegfahrsperren und DRM zu umgehen - sollte man sie deshalb legalisieren?
Zur Vergleichbarkeit mit dem Musterschüler:
Gegen den Schutz der Kapitalisierung hast du ja an sich nichts einzuwenden. Der Gema-Akt des An-die-Tafel-Schreibens leuchtet mir dabei aber nicht ein. Will der Musterschüler seine Aufgabenlösung kapitalisieren? Ist insofern nicht eher der Nachhilfelehrer vergleichbar, der selbstverständlich regelmäßig entlohnt werden will? Mir hat die Gema noch kein einziges Werk aufgedrängt, ich benutze sie vollkommen freiwillig.
Der Künstler hat durchaus die Möglichkeit, seine Werke frei zur Verfügung zu stellen. Wer von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, wird sich nicht gegen die entsprechende Nutzung wehren. Wenn sich jemand dagegen zur Verwerter-gesteuerten Veröffentlichung entscheidet, ist diese Entscheidungsfreiheit lediglich Ausfluss seiner urheberrechtlichen Befugnisse, die ihm möglicherweise erst ermöglichen, sein Werk herzustellen.
Zur Hinnahme von Fremdnutzungen:
Wer sein Werk schutzlos im Internet veröffentlicht, nimmt hin. Wer sein Werk auf Datenträgern oder nur gegen Bezahlung im Internet veröffentlichen lässt, tut dies im Zweifel nicht. Dennoch muss faktisch aufgrund des hohen Aufkommens von illegaler Verbreitung einiges hingenommen werden, will man nicht den gesamten Internet-Verkehr überprüfen. "Über das Ausmass kann man ja distkutieren", schreibst du. Davon abgesehen, dass die Grenze des erträglichen Ausmaßes nur sehr schwierig zu bestimmen sein wird, empfinde ich es als richtig, dass die öffentliche Wahrnehmung nicht in die Richtung einer Ausweitung des Ausmaßes gelenkt wird, sondern in die Richtung einer geldwerten Anerkennung der Urheber-Tätigkeit.
Wenn Verstöße (nur) im Einzelfall geahndet werden, dürfte das verbleibende Ausmaß an Fremdnutzungen sich noch lange nicht im hinzunehmenden Bereich befinden, die Signalwirkung für Nutzer, die vor der Frage der Entgeltlichkeit ihrer Nutzung stehen, ist jedoch eine wichtige.
Zum Ausblick:
Transparenzaufrufe werden wohl von den meisten Gema-Mitgliedern geteilt.
Sogar eine völlige Umstrukturierung von Verwertungsgesellschaften dürfte mehrheitlich auf wenig Gegenwehr stoßen.
"GEhMAl weg" erinnert mich dagegen eher an Transparente unbekümmerter Lobbyisten-Nachplapperer mit Fawkes-Terror-Masken.
Find ich.