Das ist für mich ein Track, der kreativ mit Samples umgeht, im Gegensatz zu "platteren" Beispielen wie der erwähnte Herr Vanilla Ice.
Erst mal Zustimmung, schönes Beispiel zur Veranschaulichung.
In dem Nachbau-Video sieht man einen Menschen bei der Arbeit. Der nimmt sich kurze Schnipsel, die andere produziert haben, ändert einige Parameter, und fügt das ganze dann per Knopfdruck in einen Clickhintergrund ein. Ergebnis ist etwas neues, ein Beat, der allein aus diesen Schnipseln anderer besteht, zunächst ohne (über deren Zusammenfügen hinausgehende) musikalische Betätigung des NI-Machine-Bedieners.
Erweitert um weitere - originäre - Bestandteile (insbesondere Sprechgesang) führt eine solche Arbeit zum fertigen Hiphop-Produkt. Ist die Beat-Herstellung isoliert betrachtet (also ist das, wobei wir den Beatbastler dort im Video sehen) Kunst? Ist jeder sample-abfeuernde Produzent Künstler? Jeder sicher nicht, manche bestimmt schon.
Dann kommt also der Sprechgesang dazu. Da gibt es verschiedene Qualitäten, inhaltlich und Virtuosität-mäßig, das geht von banal bis genial, vom reinen Vorlesevorgang bis zu verblüffend versierten Gesangstechniken.
Das Endprodukt ist Hip-Hop - dem man nicht durchweg absprechen kann, Kunst zu sein. Im Einzelfall gibt es mal mehr künstlerische Qualität und mal weniger, wie bei jeder Musik. Darüber dürften sich alle einig sein.
Wenn wir jetzt zurückgehen zur isolierten Betrachtung des Samplens, der Beat-Herstellung, sind wir aber an genau der Stelle, worum es hier geht. Ist diese Betätigung als Kunst derart schützenswert, dass sich niemand dagegen wehren können soll, dass sein Produkt in das andere einfließt?
Objektiv kann man wohl sagen, dass Beat-Sampling aus dem Hip-Hop nicht wegzudenken ist, stimmt. Die Rechtsfrage ist hier aber nicht, ob Sampling überhaupt möglich sein soll, sondern, ob man vorher fragen soll (und auf diese Art die Arbeit des Original-Schnipsel-Herstellers wertschätzt), also ob die Kunstfreiheit die freie/ungefragte Benutzung von Samples ermöglichen muss, oder nicht, oder unter welchen Umständen/Voraussetzungen. Muss man das vielleicht differenziert sehen? Kommt es auf die Länge an, auf historische Bedeutung, auf Nachspielbarkeit, auf einen objektivierbar wertschätzenden Zusammenhang?
An der Stelle gehen die Meinungen auseinander. Wer meint, der Beatbastler soll grundsätzlich vor seiner eigenen Veröffentlichung fragen, ist aber nicht unbedingt ein Hip-Hop-Gegner.
Dazu: Ältere erinnern sich, wie Rap/Hip-Hop anfangs von (selbsternannten) Kritikern oft als wenig wertvoll empfunden wurde, einfache Beats, melodieloser Gesang, für viele war es - aus ihrer bisherigen Musik-Sozialisation heraus - nichtssagend.
Mit der Zeit hat sich das Ganze entwickelt, und zwar teilweise zu einem wichtigen kulturellen Sprachrohr. Neben inhaltlich Belanglosem á la "Ich will dich *piiiep*" / "Ich will dich erschießen" wird global das Aufzeigen problematischer gesellschaflticher und politischer Begebenheiten im Hip-Hop aufgegriffen, das einer breite Masse überhaupt erst deren Wahrnehmung und Auseinandersetzung damit ermöglicht, oder zumindest fördert.
Es geht nicht nur darum, seine Heckscheibe wackeln zu lassen, sondern es geht auch um Realitätsverarbeitung und Meinungsäußerung. Das unterscheidet Hip-Hop nicht von anderen Genres, macht es aber u.a. mit Blick auf die Einfachheit der Herstellung besonders bedeutsam. Womöglich trägt es dazu bei, Hip-Hop - ob im Einzelfall künstlerisch besonders wertvoll oder nicht - einen höheren Stellenwert einzuräumen, wenn man sich vor Augen führt, wo auf der Welt musikalisch geäußerte politische Stellungnahmen nicht gern gesehen oder sogar untersagt sind. Wenn man sich über ein solches Verbot hinwegsetzen will, äußert man sich vielleicht nicht unbedingt mit einer aufsehenerregenden Big Band-Produktion, sondern im ansonsten stillen Kämmerlein mit Samples und dem Computer, der auch noch zur Verbreitung dient.
Im Einzelfall gibt es eine deutlich höhere kulturelle Relevanz zu entdecken, als sich mancher konservative Musikliebhaber vorher gedacht hat.
Diese Relevanz hat aber nichts damit zu tun, ob man bestehende Gelegenheiten nutzen sollte, den Kulturschaffenden, dessen Arbeit man sich bedient, um "clearing" zu bitten.
Nicht, weil Kraftwerk gegen Hip-Hop ist, und Pelham dafür, sondern, weil es um Wertschätzung geht (dessen ungeachtet, ob man seinen eigenen Wert und künstlerisches Gewicht nach dem seiner Goldkettchen bestimmt).
Das BVerfG prüft nur spezifisches Verfassungsrecht, allgemeingültig, egal, ob ernste Meinungsäußerer, Partytänzer, echte oder Möchtegern-Gangster oder millionenschwere Echo-Gala-Gäste sich beschwert haben. Was der BGH als höchstes Zivilgericht in einem konkreten Streitfall dazu meint, ist weniger allgemein. Dort wird über konkrete Anträge entschieden, nicht für oder gegen Hip-Hop (wie es z.T. ignorant vereinfacht dargestellt wird).
BTW (edit):
Wer meint, Pelham sei der freundliche Hip-Hop-Opa von nebenan, ein Kraftwerk-Opfer, dem es nur um ein möglichst liberales Urheberrecht mit freiem Zugang zugunsten künstlerischer Betätigungsfreiheit (nicht etwa um Geld) geht, sollte unbedingt mal einen Blick auf sein Massenabmahnungsprojekt DigiProtect werfen.