gehört mittlerweile einfach dazu
Nach dem, was ich so lese, stimmt das nicht.
In vielen Foren wird das Thema ebenfalls diskutiert, oft deutlich ablehnend. Ich verstehe die Ablehnung dahingehend, dass eine Facebook-ähnliche, nichtssagende Oberflächlichkeit befürchtet wird, die man für "sein" Forum nicht haben will.
Eigentlich kann man sagen, dass der formunsmäßige Meinungsaustausch ohnehin etwas altertümlich ist, das stimmt wohl.
"Mittlerweile" weit verbreitet ist das Bedürfnis, schnelle Lösungen zu einer punktuellen Fragestellung zu erhalten, z.B. eine bestimmte Problematik (unweigerlich) bei "gutefrage.net" oder ähnlichen Services aufzufinden und sofort zur nach den Userbewertungen am häufigsten zugestimmten ("hilfreichsten") Antwort zu gelangen - ohne, dass abweichende Meinungen überhaupt noch wahrgenommen werden. Ein solches Vorgehen mag in einigen Belangen hilfreich sein, aber was wir und alle Communities, die von der Diskussion leben, tun, ist etwas anderes.
Dass das geschilderte Bedürfnis besteht, kann man anhand auch bei uns aufkommenden Userverhaltens wahrnehmen. Es wird eine Frage gestellt wie "Soll ich Pearl oder Tama kaufen?", die also quasi per Abstimmung beantwortet werden soll, woraufhin sich der Fragesteller dann für immer (bzw. bis zur nächsten Entscheidungsfrage) verabschiedet. Schnell schnell, Begründung der Antworten nicht erforderlich bzw. überfordernd, bitte allgemeingültiges Ergebnis ohne Herleitung, danke schön, auf Wiedersehn, ich muss noch Mathe machen.
Die Frage ist, ob diese Richtung gewollt ist. Im Drummerforum, wie in anderen altertümlichen Diskussionforen auch, wird nach wie vor oft eine Meinungsvielfalt der aktiveren Mitglieder mühevoll dargestellt, werden Problematiken von vielen Seiten beleuchtet, bevor am Ende jeder Beteiligte Gelegenheit hat, sich eine persönliche, individuelle Überzeugung zu bilden.
Allein an diesem Thread hier kann man erkennen, was der qualitative Unterschied ist, ob man sich auf "dafür" oder "dagegen" beschränkt, oder ob man seine Meinung auch begründet und anderen die Gelegenheit gibt, sie argumentativ nachzuvollziehen. Es geht oft nicht um feststehende Wahrheiten, sondern um verschiedene Auffassungen, Herangehensweisen und Erfahrungswerte.
Wer Lust hat, Problemstellungen interessiert und ergebnisoffen zu bearbeiten (ja, da steckt der Begriff "Arbeit" drin, man könnte auch von "Aufwand" sprechen oder "Mühe" oder zumindest "Befassung"), erhält hier Gelegenheit dazu, und diese tiefergreifende Beschäftigung mit einem Thema wird wegen des damit zusammenhängenden kommunikativen Qualitätsvorsprungs von den aktiveren Mitgliedern sehr geschätzt.
"Dankbarkeit", Zustimmung oder Ablehnung werden persönlich mit Worten ausgedrückt, oder in einem wortlosen, quasi blinden Verständnis unterstellt. Wenn das Ganze noch mit einem "Like" oder "Dislike" breit bestätigt wird, kann sich das womöglich motivationshindernd auf die Entscheidung auswirken, ob man sich mit einer der herrschenden Meinung widersprechenden oder sie relativierenden Sichtweise überhaupt noch beteiligen will.
Natürlich gibt es auch hier Situationen, in denen man sich einen virtuellen Daumen wünscht. Manchmal auch einen virtuellen Tritt in den A..llerwertesten. Wenn ich mir allerdings gelegentlich Facebook- oder Youtube-Kommentare zu Gemüt führe, kann ich bestens jeden verstehen, der gegen alles, was sich daran annähert, vor dem Hintergrund einer erwünschten Oberflächlichkeitsvermeidung seine Bedenken äußert.
Mir persönlich liegt viel an unserem in die Jahre gekommenen, langatmigen old-school-Forum, und das ist lediglich Ausdruck meines aktuell dazu aktiv geführten Denkprozesses, den ich mit einem "Daumen runter" nicht ausdrücken könnte, und dem man mit Argumenten wahrscheinlich trefflich begegnen kann, was auch erwünscht ist.
Ich befürchte übrigens nicht den Untergang des Foren-Abendlandes oder ähnliches aufgrund eines Like-Buttons (populäre Totschlagsargumentationsweise z.B. finde ich weitaus bedenklicher).