Wieso steht eigentlich die Preisgestaltung eines E-Drums so sehr in der Kritik, wo es doch im Bereich der akustischen Musikinstrumente ebenfalls so massive Diskrepanzen gibt zwischen Materialwert, Fertigungsaufwand und Endpreis?
Nicht belehrend, sondern beantwortend, bzw. Gedanken zum Thema sammelnd, finde ich:
Es ist richtig, dass in jeder Industrie Preisgestaltung und Gegenwert kritisch hinterfragt werden kann. Im High-Tech-Bereich gibt es in vielen Branchen ein Spannungsfeld zwischen theoretisch möglicher Innovation und deren praktischer Umsetzung, die ggf. im Widerspruch zu betriebswirtschaftlichen Strategien steht. Neuentwicklungen werden zurückgehalten, solange Produkte sich ohne diese gut verkaufen lassen.
Bei akustischen Trommeln ist schwierig, zu vermitteln, den Interessenten mit einer neuen, unschlagbaren Instrumentengeneration beglücken zu können, weil es eben nur Holzzylinder sind, die innovationsmäßig als ausgereift gelten dürften. Bei ihnen gibt es nicht viel weiterzuentwickeln, viele Drummer spielen auf uralten Instrumenten, die aktuellen in nichts, wirklich nichts, nachstehen.
Bei E-Drums ist es anders: Gerade wegen dem Verbesserungsbedarf, der zweifellos nachgefragt wird, kann jedes neue Modell als revolutionär dargestellt werden.
Da liegt der entscheidende Unterschied in der Vermarktung.
Die Kritik an einem solchen industriellen Vorgehen beschränkt sich natürlich keineswegs auf E-Drums, sondern ist in vielen High-Tech-Branchen berechtigt, die nicht so leicht durchschaubar sind, wie die Holzzylinder-Branche. Damit handelt es sich in der Konsequenz nicht um reine E-Drums-Kritik, sondern um Systemkritik - Betriebswirtschaft hat im Innovationsbereich die Schattenseite, dass sie die Weiterentwicklung zeitlich hemmen kann.
Hier, im Drummerforum, betrifft uns das Problem nur bei E-Drums und Studiotechnik. Grundsätzliche Kapitalismus-Kritik, die im Kern zielführender wäre, als Lästereien über konkrete Beispiele betriebswirtschaftlicher Auswüchse in unserer kleinen Drummerwelt, wäre hier off-topic, zu weitgehend und im Ergebnis nicht so gern gesehen.
Eine lindernde betriebswirtschaftliche Komponente wäre z.B. ein gesunder Wettbewerb, dem die annähernd monopolistische Marktmacht der führenden Hersteller in unserem Bereich entgegensteht. Bis dahin schmerzt die bestehende Situation bei uns verständlicherweise die Leute, die sich mit Digitaltechnik vielleicht ähnlich gut auskennen, wie mit Holzkesseln. Die fühlen sich machtlos ob der unternehmenspolitisch begründeten Zähflüssigkeit der Entwicklung.
Und wie so oft, wenn man aus gutem Grund gegen Windmühlen ankämpfen will, läuft man Gefahr, sich in der hilflosen Situation zu verrennen, ich kann das wirklich gut nachvollziehen, wenn das im Einzelfall passiert. Dass Leute in so einer ideologisch engstirnig vergalloppiert wirkenden Situation nerven können, kennt man auch wieder aus anderen Bereichen, z.B. von Leuten, die sich ernährungsmäßig, religiös oder politisch verrennen. Alles halb so wild, aber im Einzelfall unangenehm.
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Was ich persönlich bei E-Drums-Überlegungen wichtig finde, ist gar nicht der Profi-Bereich, im Gegenteil:
Viele Anfänger, oft junge Menschen, die sich erstmals mit Schlagzeug beschäftigen, kommen auf die verfehlte Idee, dass man heutzutage mit E-Drums genauso gut hantieren kann, wie mit dem störend lauten Zeug, und das zu attraktiven Einstiegspreisen. Dass diesen vor ihrer Taschengeld-Kaufentscheidung zu bedenken gegeben wird, dass zum Schlagzeugspiel eigentlich mehr Nuancen gehören, als ein finanzierbares E-Spielzeug hergibt, ist sehr hilfreich. Auch, dass man sich für den Kaufpreis eines relativ annehmbar guten E-Sets + Zubehör (z.B. PA) im Zweifel auch eine Jahres-Proberaummiete leisten kann, dass E-Drums nicht nachbarfreundlich sind, dass man - sofern man entsprechende Ambitionen verfolgt - mit einem echten Schlagzeug im Zweifel eher eine Band findet, und dass man, wenn man E-Drums gewohnt ist und mal einen Auftritt mit einem vorhandenen akustischen Set spielen soll, peinliche Überraschungen erleben kann.
Und zuletzt: "Es kommt mir nicht so auf den Klang an" finde ich immer wieder eine befremdliche Aussage, wenn es um Musik - also nichts anderes als Klänge - geht.