Der "christliche" Gott ist letztlich ja - ebenso wie "Allah" - identisch mit dem jüdischen Jahwe. Lediglich darüber was (Thora AT/ NT / Koran) dieser EINZIGE Gott dem Menschen geoffenbart habe und wie er zu verehren sei, sind seine Anhänger uneins. Jede der späteren Glaubensgemeinschaften anerkennt im wesentlichen die vorhergehenden Schriften, betrachtet sie allerdings als unvollständig bzw. verfälscht.
Als das wesentliche - und damit eigentlich auch schon einzige(!) - Merkmal dieses Gottes, würde ich das der "Unerkennbarkeit" anführen. Dieser Gott unterscheidet sich dadurch signifikant von allen Göttern primitiverer Religionen, dass er eben nicht die Verkörperung des einen oder anderen Naturphänomens darstellt, sondern ganz im Gegenteil als pure Abstraktion aller Phänomene, die als "reine Idee" des umfassenden Einen "bloß" gedacht ist "erscheint".
Glaube und Religiosität hin oder her - ich jedenfalls halte diesen Schritt inzwischen für eine der bemerkenswertesten (kognitiven) menschlichen Leistungen, wenn nicht für die bedeutendste überhaupt. Und mag (der christliche) Gott auch tot sein, diese "Idee" überlebt auch jenseits aller Religion, nenne man sie nun religiös Gott, Jahve oder Allah, philosophisch "Ding an sich", "Nous", "Wille", oder "Weltgeist", oder auch naturwissenschaftlich "The Great Unify". Diese Idee des ursprünglich Einen, das sich ungeteilt im Vielen aufhebt, ist wohl gerade deswegen nicht totzukriegen, weil sie nicht zu lösen (und zu beweisen) ist. Dieses Eine kann sich aber, egal wo und von wem es gedacht wird, nicht unterscheiden, da es unmöglich ist ihm außer (und wegen) seiner Verborgenheit irgendwelche (grundsätzlichen) Eigenschaften zuzuschreiben. Bestenfalls können auftretende Naturphänomene als seine "Expression" interpretiert werden. Hier aber "endet" das Göttliche und beginnt das Menschliche: Priester, Kulte etc. Davon kann man nun halten was man will. Jedenfalls liegt hier die Grenze zu purer Spekulation und damit auch zu jeglichem Missbrauch der "göttlichen Idee".
Das entscheidende Merkmal dieser drei "Götter", die eigentlich nur einer sein können, ist die (allgegenwärtige) "Verborgenheit". Dieses Merkmal schließt aber per se jede weitere Beschreibung aus. Aus diesem Grund trägt dieser Gott auch keinen Namen - Jahwe, Gott, Allah sind nicht mit Personenbezeichnungen wie Zeus, Odin etc. zu vergleichen.
Ein weiteres Merkmal der Unterscheidung der "Goettlichen Idee", auf das u.a. Oswald Spengler hingewiesen hat, ist, dass dieser Gott quasi heimatlos ist. D.h. seine Verehrung ist nicht ortsgebunden; während z.B. griechische oder römische Götter an bestimmten Orten zu "wohnen" pflegten, war der JCI-Gott stets dort, wo auch der Gläubige sich aufhielt. Der erste Gott "zum mitnehmen", wenn man so will. Spengler schreibt, dass ein Grieche auf Reisen stets den Göttern derjenigen Polis, in der er sich gerade aufhielt, gehuldigt und das als ganz selbstverständlich empfunden habe ("Der Untergang des Abendlandes").
Die Crux an einem derartig abstrahierten Gott ist allerdings, dass er im Grunde nur wenig "kultfähig" ist, da man eigentlich nichts von ihm wissen kann - ja nicht einmal glauben darf. Jede Zuschreibung kommt im Grunde genommen ja bereits dem Versuch einer "Enthüllung" und damit einer Lästerung gleich.
Diese GottesIdee ist also wenig praxistauglich, denn (institutionalisierte) Religionen dienen ja nicht nur spirituellen, sondern auch sozialen und politischen Zwecken und wahrscheinlich lechzte die "breite Masse" nach einem leichter "fassbaren" Gott. Auch darüber lässt sich in der Bibel ja einiges nachlesen.
Ich nehme an, dass die Idee deswegen in der Praxis schnell verwässert wurde, zunächst vielleicht dadurch, dass man dem Gott eine "Psyche" zuschrieb (das war evtl. noch am ehesten zu legitimieren schließlich "sieht" man die menschliche Seele ja auch nicht). Und wenn die "Seele" das Göttliche (weil verborgene?) in uns ist, dann scheint es wohl nur folgerichtig, ihre (gefühlten) Eigenschaften auf den Gott zu übertragen; also will, liebt, hasst er, vergibt, straft und belohnt er. Als Summe aller Seelen, wird ihm dann die Vaterrolle zugedacht (und wahrscheinlich ein entsprechendes Bild zumindest imaginiert), und ganz zum Schluss wird er gar Fleisch und Blut (Jesus Christ!). Nach und nach werden ihm dann noch der eine oder andere Heilige, die Jungfrau Maria und allerlei andere illustre Gestalten, wie Engel Teufel etc. beigesellt und schon ist das (eigentlich polytheistische) Pantheon wieder hergestellt. Voila!
Aber lassen wir das mal beiseite und betrachten die ursprüngliche Idee nochmal ein wenig näher - was finden wir? Nicht viel: Etwas was ist (sein soll) aber nicht (erkennbar) ist, und zwar überall, immer und ewig, unteilbar und doch geteilt, kurz: Einen Gott, der nicht erkennbar, und doch (angeblich) erfahrbar ist. Ein Gedanke, der sich (so) nicht in der offiziellen Theologie findet, wohl aber bei den jeweiligen Mystikern der einzelnen Richtungen.
Wenn es jetzt gelingt, der Mehrheit glaubhaft zu machen, dass es nur einigen Privilegierten vergönnt sei, Gott zu "schauen", ist die Brücke von der Spiritualität zur Politik geschlagen und die Religion "komplett".
Bemerkenswert finde ich, dass der ursprünglich gedachte Gott im Grunde genommen "baugleich" mit dem buddhistischen Nirvana ist. Er enthält quasi alles und nichts: Wenn er - wie Descartes sagte, um ihn zu beweisen - über alle Eigenschaften verfügt, dann enthält er auch alle Gegensätze - er neutralisiert sich. Ist er gut, dann muss er auch böse sein, hat er Skrupel, dann muss er auch gewissenlos sein, kommt ihm Existenz zu, dann eben auch Nichtexistenz - und tschüß.
Doch halt! So billig wollen wir uns dann doch nicht davonkommen lassen: Denn auch das ist etwas, was ihn von fast allen anderen GötterGestalten unterscheidet, dass er komplett gest-(h)altlos, vollständig transzendiert ist - wieder etwas, das ihn mit dem Nirvana verbindet..
Inzwischen würde ich sogar behaupten wollen, dass die Idee im Grunde exakt die Gleiche (nämlich die der absoluten Indifferenz, und damit des "vollkommenen Friedens") ist, und lediglich der Weg der geistigen "Weiterverarbeitung" sich unterscheidet. (Das Hier: Der Krieg ist der Vater aller Dinge, Alles Leben ist Leiden etc. Das Jenseits: Gott, Nirvana) Die Einen (Buddhisten) waren froh Gott los zu sein, die Übrigen hatten anscheinend Angst, von ihm verlassen zu werden.
Nebenbei bemerkt: Der Buddhismus schließt die Existenz von Göttern keineswegs aus, aber diese Götter sind nicht transzendenter Natur, sie sind sterblich und unterliegen dem "Karma" wie alle anderen Wesen; es ist sogar möglich als Gott wiedergeboren zu werden, was allerdings kaum einen Gewinn bedeutet, denn die besten Möglichkeiten etwas für seine Erleuchtung zu tun und ins Nirvana einzugehen, hat - so heißt es - der Mensch.
Zur Herkunft des biblischen Gottes findet sich in E. Orthbrandts "Illustrierter Geschichte Europas" etwa Folgendes:
Im hebräischen Urtext des AT finden sich zwei Gottesnamen: entweder El oder Jahve. Die Herkunft des Eigennamens "El" wird etwa wie folgt erklärt: Als die israelisch-judäischen Völkergruppen in Palästina sesshaft wurden, trafen sie dort auf einen Kult des kanaäisch-phönikischen Hauptgottes und Weltvaters El; ursprünglich Mondgott, wurde er als Mondstier oder bärtiger Greis mit Stierhörnern dargestellt. Folgende Bibelstelle gilt als ein Beweis dafür, dass El um -931 der Gott Israels(geworden?) war: 1 Kön. 12.26ff.
(*FN* Aus dem 1. Buch der Könige Kapitel 12:
25. Jerobeam aber baute Sichem auf dem Gebirge Ephraim und wohnte darin, und zog von da heraus und baute Pnuel. 26. Jerobeam aber gedachte in seinem Herzen: Das Königreich wird nun wieder zum Hause David fallen. 27. Wenn dies Volk soll hinaufgehen, Opfer zu tun in des Herrn Hause zu Jerusalem, so wird sich das Herz dieses Volkes wenden zu ihrem Herrn Rehabeam, dem König Juda's, und sie werden mich erwürgen und wieder zu Rehabeam, dem König Juda's, fallen. 28. Und der König hielt einen Rat und machte zwei goldenen Kälber und sprach zu ihnen: es ist euch zuviel, hinauf gen Jerusalem zu gehen; siehe, da sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägyptenland geführt haben. 29. Und er setzte eins zu Beth-El, und das andere tat er gen Dan.*FN*)
Sein Name findet sich auch in anderen aus Israel stammenden Teilen des AT (Psalmen).
Jahwe (Jave Zebaoth=Jahwe der Kriegsherr) hingegen (altmesopotamischen Ursprungs), so heißt es, sei zum Gott Judas geworden und stets der "verborgene" Gott gewesen, der sich im Dasein des Staatsvolkes offenbare und sich bestenfalls von einzelnen Propheten visionär schauen ließ.
Israel ging gegen Ende des -8.Jdh. an Assyrien verloren, während sich Juda bis ins -6.Jhd. erhalten konnte. Die judäische Priesterschaft führte den Untergang Israels auf die Darstellung des El in Stiergestalt zurück, ließ den Namen El in der Folge aber als Synonym für Jahve gelten.
Beim biblischen Gott scheint es sich also um eine Art Amalgam aus zwei Göttern mythischen Ursprungs und der "Transzendenz-Idee" der sogenannten Achsenzeit (Jaspers) zu handeln. Möglicherweise war diese Idee zu radikal um allgemeine Akzeptanz zu finden und machtpolitische Interessen der Priesterschaft könnten ein weiterer Grund dafür gewesen sein, dass die Religion "noch einmal davonkam" und zwar im biblischen Israel "am besten". Der Buddhismus verwarf - wie bereits bemerkt - die Götter auch nicht vollständig, aber er ordnete sie der Transzendenz unter und nahm ihnen ihre Macht, die Chinesen hatten mit Göttern ohnehin nichts am Hut und zogen es seit jeher vor, ihre Ahnen zu verehren. Im klassischen Griechenland kam es wohl, ähnlich wie in Indien, zunächst zu einer (nicht ganz unproblematischen) Koexistenz zwischen Transzendenz und Pantheon. Einzig im persischen Zarathustrismus hingegen scheint es ebenfalls zu einer Amalgamierung von Gott (Ahura Mazda) und der Idee des Transzendenten gekommen sein.
Im Übrigen sei noch angemerkt, dass diese Idee des einen verborgenen Gottes - soweit bekannt - bereits vor rund 4000 Jahren im alten Ägypten ebenso, wie in Mesopotamien, aufkam und unter Echnaton vor etwa 3350 Jahren einen ersten Höhepunkt erreichte.
Textbeispiel (altägyptisch)
"Es ist nicht sein wahres Bild, das die Figuren darstellen, er hat keine bestimmten Farben; er ist zu geheimnisvoll, als das sein Ruhm offenbart werden könnte, er ist zu groß um erforscht, zu mächtig, um bekannt zu sein." (zitiert nach E. Orthbrandt "Illustrierte Geschichte Europas")
Bemerkenswert treffsicher wurde dieser Gott dort symbolisiert durch die Sonne als Inbegriff der Schöpferkraft. Immerhin wissen wir heute ja, dass Sterne - und somit auch die Sonne - nicht nur Licht spenden, sondern in ihnen auch alle schweren Elemente (also alles was schwerer ist als Wasserstoff) "erbrütet" werden.
Wenn man (sich) nun dieses "Eine" unbedingt als "Gott" erhalten möchte, - schließlich glaubt man ja i.d. Regel nicht an das was wahr ist, sondern hält für wahr was man glaubt - würde ich empfehlen, es mit Epikur zu halten:
"Erstens halte Gott für ein unvergängliches und glückseliges Lebewesen, so wie die allgemeine Vorstellung von Gott im Menschen angelegt ist, und hänge ihm nichts an, was seiner Unvergänglichkeit fremd oder seiner Glückseligkeit unangemessen wäre. Glaube vielmehr von ihm alles, was seine Glückseligkeit und Unvergänglichkeit zu sichern vermag. Götter nämlich existieren; denn die Gotteserkenntnis hat sichtbare Gewissheit. Sie sind aber nicht so, wie es die Leute meinen. Denn die Leute halten gar nicht die Gedanken über die Götter fest, die sie haben. Gottlos ist nicht der, der die Götter der Menge beseitigt, sondern der, der den Göttern die Ansichten der Menge anhängt. Denn die Aussagen der Menge über die Götter sind nicht Vorahnungen, sondern falsche Vermutungen. Darum entstehen von den Göttern her die größten Schädigungen für die Schlechten und auch Förderungen [für die Guten]. Denn da die Götter durch und durch mit ihren eigenen Tugenden vertraut sind, akzeptieren sie nur Wesen, die ihnen ähnlich sind; doch alles, was nicht derart ist, schließen sie aus als fremd."
(Epikur, "Brief an Menoikeus")
Mit anderen Worten: Wenn es denn einen Gott gibt, so interessiert er sich nicht für uns (und geht uns auch nichts an - es sei denn als ein Ideal).
Im Übrigen stellt sich die Frage, wie von einem verborgenen Gott gewusst werden könnte, ob er wünscht, dass man ihm huldige und in welcher Form das zu geschehen habe? Alles was über die Kundgabe des eigenen Erstaunens und der Ehrfurcht vor dem Unergründlichen hinausgeht ist m. E. in der Tat bloßer Humbug.
Kultische Handlungen, Gebete und Opfer an die Adresse eines verborgenen Gottes sind, wie ich meine - gleichgültig ob an dessen Existenx "bloß" geglaubt wird oder sie "bewiesen" wäre - vollkommen sinnlos. Der eigentliche Sinn und Zweck solcher Handlungen dürfte ohnehin eher sozialer und politischer Natur sein. Durch die "besondere" gemeinsame Verehrung wird der Gott, ob er will oder nicht, zum Mitglied, bzw. Oberhaupt der Gemeinde. Diejenigen durch die er "spricht", "seine" Priester und Propheten, gewinnen an Autorität, und alle anderen fühlen sich verbunden etc.
Letztlich waren derartige Vereinheitlichungsbestrebungen wohl auch der entscheidende Grund für die Einführung des Christentums als Staatsreligion des niedergehenden Römischen Reiches. Ähnlich verhält es sich mit der Reformation, die religiös keineswegs auf Spaltung sondern auf Erneuerung der gesamten einheitlichen Kirche ausging, aber einigen Fürsten die willkommene Gelegenheit bot, sich dem Einfluss der röm.kath. Kirche zu entziehen.