Ich möchte jetzt doch mal leicht provokativ antworten (gehört zwar vielleicht nicht hier hin, aber ich hab es einfach schon so oft gedacht...jetzt muss es eben raus!)- Ich halte rudiments für absolut überbewertet....sicher, vor allem die double stroke rolls helfen einem schon weiter, aber ansonsten....? und ich glaube sogar zu den Leuten zu gehören, die die meisten Rudiments alleine schon studienbedingt wirlklich durchgekaut haben. Aber die als "ABC des drummings" zu bezeichnen, fällt mir schwer...Ich finde fast, dass so fest vorgelegte Bewegungsabläufe vielleicht sogar schaden können, wenn man sich zu sehr daran hält....naja...gut....gerade mit z.b. Paradiddles kann man auch wirklich viel anstellen, aber es geht meiner Meinung nach definitiv auch ohne...... wollt ich nur mal los werden......
Beim Stöbern durch Forum zum Thema Rudiments bin ich auf diesen Thread hier gestoßen, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Wie sinnvoll sind Rudiments?
Zum Hintergrund: Ich nehme seit ca. 1 Jahr Unterricht im Jazz-Drumming, nachdem ich nach 20 Jahren Pausen das Schlagzeug spielen wieder entdeckt habe. In meinem ersten Leben war ich Autodidakt und hatte noch nie von Rudiments gehört. Während meiner Abstinenz vom Schlagzeug spielen widmete ich mich dem Kampfsport, Wing Chung, also traditionelles Kung Fu. Was mir sofort aufgefallen ist, nachdem ich die ersten Schlagzeug-Unterrichtsstunden genommen hatte, sind die Parallelen zwischen drumming und WIng Chung, vermutlich auch vielen anderen Kampfsportarten.
Das fing schon in der ersten Stunde an, als es um die Sitzhaltung ging. Den Körperschwerpunkt auszurichten, dadurch mehr Kontrolle zu bekommen über Bewegungsabläufe in Arm und Beine, ist auch das erste, was man in fast jedem Kampfsport lernt.
Und nun zum Thema Rudiments: Es gibt im Wing Chung einige standardisierte Übungen ohne Partner, die macht man meistens vorm Spiegel. Die erste Form nennt sich Siu Nium Tao, übersetzt so etwas wie "kleine Idee". Man lernt bei sehr langsamen (!!!) Tempo die wesentlichen Bewegungsabläufe, quasi statisch, ohne Gegner, Schritte oder Drehungen. Im Prinzip werden Bewegungsabläufe, die man im Kampf später anwendet, extrahiert, und bei ganz langsamen Tempo geübt und perfektioniert. Später kann die Übung dann auch schneller durchgeführt werden.
Geht man dann ins Sparring, also freies Kämpfen, kann man diese Bewegungen, die man in der Form lernt, kaum abrufen. Die ersten Jahre sind eigentlich eine einzige Frustrationsphase! Je länger man aber trainiert, bemerkt man dann den Effekt: es stellen sich Automatismen ein, die man nicht bewusst abruft, sondern die zu dem geworden sind, was man "muscle memory" bezeichnet. Und das dauert lange! Sehr lange.
Wenn man dann etwas länger dabei ist, lernt man mit dem Verhältnis aus Sparring (also beim drumming das freie Spielen mit anderen Musikern) und den isolierten Formen (beim Drumming die Rudiments) besser umzugehen.
Konkret heißt das: Im Kampf bemerkt man bestimmte Schwächen, ganz einfach daran, dass es weh tut wenn man eine eingeschenkt bekommt. Diese Schwächen kann man dann gezielt in den Formen trainieren. Genauso bemerkt man dann im Sparring aber den positiven Effekt: man wird präziser, lockerer, schneller, hat mehr Kontrolle.
Es gibt meiner Erfahrung nach noch zahlreiche andere Parallelen, zum Beispiel wie man Impulse aufnehmen und umwandeln kann (Bsp. Rebound-Techniken) oder auch Präzisions-Techniken (Entfernungen und Abstände einschätzen können).
Sowohl mein ehemaliger Wing Chung Coach als auch mein jetziger Schlagzeuglehrer üben auch in hohem Alter noch Formen bzw. Rudiments. Und zwar LANGSAM!
Musste ich mal loswerden, weil mich das schon länger beschäftigt:)