Bei aller grundsätzlichen Skepsis gegenüber der Unterstellung von
genderbasierten Barrieren und möglichweise ungeeigneten Mitteln zu
deren Überwindung gehen mir hier einige Argumentationsansätze gegen
den Strich.
Dass die Feststellung von Ungleichheit bezüglich der Anteile von Frauen im
Jazz nicht unbedingt auf Diskriminierungen usw. beruhen muss, ist
hier mehrfach deutlich gesagt worden. Leider impliziert der Aufruf
der UDJ einen solchen Zusammenhang und erzeugt somit m.E. sofort
Ressentiments bei all denen, die das ständige Lamento über
Genderprobleme und die fehlende Dritttoilette nicht mehr hören
können.
Das ist schade. Denn warum soll es keine Art der Förderung geben, die nicht primär
Barrieren oder Diskriminierungen beseitigen will (weil es sie
vielleicht gar nicht gibt), sondern Angebote macht, um z.B. (nicht
nur aber auch) weibliche Kinder und Jugendliche mit Musik in Kontakt
zu bringen, die ihnen sonst verborgen bliebe?
Wann und wo kommen Kinder und Kinderinnen
denn mit Musik in Kontakt?
- im Elternhaus
- in der Kita/im Kindergarten
- in der Schule/Musikschule
- in der Peergroup
- in den Medien
Angesichts des Stellenwerts des Jazz in unserer Gesellschaft (der sich ja
schließlich auch in den Verdienstmöglichkeiten der Musikerinnen und
Musiker und in der mangelnden Präsenz von Jazz in den Medien
widerspiegelt) sollte sich niemand wundern, dass Kinder mit dieser
Art von Musik kaum in Kontakt kommen und folglich auch später diese
Art der Musik eher nicht aktiv musizieren werden.
Wenn die Frauen bei den Jazzmusikern so unterrepräsentiert sind, wird dies
wahrscheinlich auch für die Jazzliebhaberinnen unter den
Erzieherinnen in den Kitas und Kindergärten sowie für die Jazzfans
unter den Musiklehrerinnen gelten...
Man kann solchen Förderprogrammen skeptisch gegenüberstehen, besonders wenn direkt
Totschlagsargumente wie „Diskriminierung“, „Barrieren“ oder
„Chancenungleichheit“ ins Feld geführt werden, ich halte es aber
für komplett überzogen, wenn man diese Art der Unterstützung damit
gleichsetzt, dass „jedem Einzelnen der Arsch nachgetragen“ werden
soll, oder wenn man Frauen unterstellt, dass sie, statt das Schicksal
in die eigene Hand zu nehmen, lieber nach Hilfe schreien. Tatsächlich
hat sich hier keine Frau in dieser Weise geäußert.
Die eigene Biographie zum Maß aller Dinge zu machen, kann von anderen auch
leicht als Arroganz aufgefasst werden. Das gilt auch für den Hinweis
an andere, sie mögen „das, was sie unterstützen, einfach nur mal
kritischer beleuchten und bewerten“.
Wer eine andere Auffassung vertritt, muss ja nicht zwangsläufig unkritisch unterwegs
sein.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, so wie Terror-Klopfer (müsste es nicht eigentlich
Terror Klopferin heißen? s.c.n.r.), dann würde ich mir wünschen,
dass es uns (der Gesellschaft) gelingt, Kindern jenseits des
Elternhauses das ganze Spektrum der Musik vorzustellen, und sie damit
selbst in die Lage zu versetzen, sich dass auszusuchen, was ihnen
gefällt, oder gleich alles zu nehmen 
Kinder sollten lernen, wie geil Klassik, Jazz, Rock usw. sein können, was für eine
Bereicherung sie für das eigene Leben sein können (das kommt leider
nicht von selbst), und zwar bevor die Sozialisationskeule zuschlägt,
wo durch die Peergroup „festgelegt“ wird, welche Art von Mucke
cool oder uncool ist. Vielleicht hätte sich damit auch die
Genderproblematik von selbst erledigt…
Schönen Restsonntag