Ich kann mir ein anderes Leben schon VORSTELLEN und mir ist natürlich auch die Ambivalenz meiner Argumente klar. Das liegt daran, dass die Argumentation so komplex ist und daher nicht leicht eindeutig zu führen ist. Wer das einfach macht und das dann Konsequenz nennt, der praktiziert eben eine sehr naive Konsequenz.
Es ist wirklich schwer, diese Probleme hier in ein paar Sätzen zu diskutieren und du zitierst Sätze ohne Zusammenhang, so dass sie dann oft zwangsläufig sinnlos erscheinen. Die Antwort auf dein Statement steht dann oft den Satz davor oder danach, mancmal sogar im Zitat (z.B. meine grundsätzliche Akzeptanz der Autodidaktenbildung). Da solltest du dann vielleicht auch mal genau lesen. Du liest auch nur was du lesen willst.
Ich halte jedenfalls nichts davon, dass Sozialisation menschliches Verhalten zu 100% erklären kann. Das wir alle nur durch die Gesellschaft verdorben werden. Das ist sicherlich ein relevanter Faktor, aber eben nicht der Einzige. Ich glaube auch nicht, dass eine sehr komplexe, hoch arbeitsteilige Gesellschaft (und die wollen wir doch alle, sonst gäbe es doch keine Schlagzeuge, Becken, CDs, Computer etc.) anarchisch über das Prinzip der Selbstorganisation funktionieren kann. Jedenfalls nicht so wie ich mir das vorstelle. Ganz einfach, weil der Wettbewerb zwischen Menschen ein Naturprinzip ist (kein von der Gesellschaft gelerntes, sondern eins, dass sich in jeder Gemeinschaft sofort herausbildet, wie in der Affenherde). Wenn ich dann nicht gewissen Dinge beim Staat ansiedel, dann nehmen sie die Leute selbst in die Hand und dann sind wir bei der Lynchjustiz und ähnlichen Verfehlungen. Wenn wir aber allgemeingültige Gesetze, als einzige Alternative zum beliebigen Recht durch das Umfeld, wollen, dann braucht man auch eine Legislative, Exekutive und Judikative und dann sind wir grob immer bei einem Modell, das unserem Staatswesen ähnelt. Die für den Punk essentielle Idee der Anarchie ist Steinzeit und in meinen Augen nur was für Spinner. Nicht, weil ich mir nichts anderes vorstellen kann, sondern weil mich bisher keiner von der Überlegenheit der Anarchie überzeugen konnte.
Von dir kommen halt die üblichen Anarchoargumente, von wegen ich könne mir nichts anderes vorstellen und der Mensch ist nur so wie er ist, weil der böse Kapitalismus und das damit zusammenhängende Privateigentum in dazu gemacht haben. Ich finde einfach, das Modell der offenen Gesellschaft überzeugender.
Davon ab, die Philosophie stand hier nur als Beispiel für eine Fachrichtung, ich habe andere genannt. Fest steht, dass sie die Disziplin ist, in der diese Diskussionen angesiedelt sind. Schopenhauer gilt dann auch für Anarchoargumente, denn die haben sich keine Punks ausgedacht, sondern Sozialphilosophen. Jedenfalls muss man sich mit den Argumenten schon in einer gewissen Tiefe auseinandergesetzt haben um eine begründete Meinung vertreten zu können und das haben die Meisten nicht. Darum geht es doch nur.
Klar gibt es auch Ausnahmen, klar gibt es auch Leute ohne gewisse Schulabschlüsse, die was Vernünftiges sagen. Heutzutage, wo du das Abitur an jeder Ecke hinterhergeworfen bekommst, wo Diplomanden in ihren Diplomarbeiten nicht mal sauberes Deutsch schreiben können, wo die Hauptschule fast den Charakter einer Sonderschule hat, da ist das allerdings immer mehr die Ausnahme, weil jeder der nur etwas Grips in der Birne hat, zumindest nen Schulabschluss hat. Klar, manche verweigern auch das. Sind das die Leute, die das dann im Selbststudium alles aufarbeiten. Die arbeiten da nur das auf, was sie hören wollen. Das Wichtige an der Schule ist ja, dass man auch das Lernen muss was einen im entsprechenden Alter nicht interessiert, was aber in vielen Fällen trotzdem sinnvoll ist. Das unterscheidet auch jemanden, der ein Fach systematisch studiert hat, von dem der sich etwas im Selbststudium eingelesen hat. Dass es auch unter Leuten mit formal hohem Schulabschluß Idioten gibt, würde ich nie bestreiten.
Ein Fass ohne Boden! Mein Resümee: Punk als "Trashbewegung" in der Kunst finde ich gut. Punk als Verkleidung, asoziales Abhängen etc. finde ich absolut daneben. Punk als intellektuelle Auseinandersetzung mit Gesellschaft ist prinzipiell legitim, ich teile die Ansichten nur oft nicht.