Es ist natürlich insgesamt problematisch, heutige Lautstärkevorstellungen ohne Direktabnahme zu erreichen. Die waren früher einfach viel leiser, die haben ja nicht mal die Gitarrenverstärker abgenommen, sondern die Halle mit Vox oder Marshall direkt beschalt, da musste man das Schlagzeug auch nicht direkt abnehmen, um es laut genug zu bekommen. Zudem hatte man andere Hörgewohnheiten.
Ich halte das für ein aussichtloses Unterfangen. Ich hab mal Randy Hansen gesehen, wohl einer der besten Hendrix Imitatoren, der das lebt wie kein Zweiter. Am Schlagzeug Manni v. Bohr mit einem waschechten Italopopsound, Double Bass und zwei China Becken. Das war so übel. Seit dem ist Manni für mich absolut unten durch. Der Typ hat die Musik nicht kapiert. Also, selbst Randy Hansen muss mit so einem Scheißsound leben.
Ich glaube, ihr kommt nicht ohne Close Micing aus. Das Einzige, was ihr machen könnt ist, den Sound zu entschärfen. Wie geht das? Die richtigen Felle, das richtige Set, die richtige Stimmung, die richtigen Mikros und das richtige EQing. Mit dem Kompromiss müsstet ihr leben können:
Felle: Amba COATED, ganz wichtig, der coated Sound ist viel weicher und zudem leicht gedämpft in den Obertönen, das verhindert zu viel Brillianzen.
Stimmung: etwas höher als heute üblich, aber nicht ganz hoch singend, das klingt abgenommen nicht, aber etwas höher stimmen geht, gerade auch das Reso. Bei der BD: kein Powerstroke. Besser auch Amba Coated und dann das Reso so zu wie möglich, am besten nur kein kleines 4 Zoll Loch und dann ein RE 20 rein, aber nicht zu weit. Man muss für die Abnahme aber etwas dämpfen. Stilecht wäre die Abnahme eines geschlossenen Resos, das ist aber kaum praktikabel für Rock Lautstärken, wenn es geht nehmt innen Am Schlagfell und außen am Reso ab und mischt den Sound.
Set: TT 13x9, 14x10, FT 16x16. Du kannst nicht erwarten, dass 12x10/14x12/16x14 klingt wie damals. Dann braucht ihr dünne Kessel, am besten mit V-Rings, also altes Ludwig oder Pearl MMX oder Premier Signia Maple oder vielleicht noch Sonor Delite, obwohl das Pearl und das Premier da echter nach Vintage klingen.
Mikros: Für die BD was Lineares oder was muffig Bassiges, also niemals ein D112 oder Beta 52 oder ähnliches. Entweder Electro Voice RE 20 (linear) oder ein altes AKG D12 (dumpf), zur Not besser noch Sennheiser MD 421. Für die Toms normale dynamische Mikros, nicht diese neumodischen Kondenser Clips, dann besser noch ein SM 57 oder ein Sennheiser e604 bzw. BF504. Dann richtig positionieren. Nicht zu dicht. Ein Tommikros klingt 5 cm vom Fell anders als 10 cm davon entfernt. 10 cm reicht und der Sound ist eine Nummer weniger "close".
EQing: der Mixer muss das anders machen, als er es gewohnt ist. Er darf auf keinen Fall diese Kickfrequenzen bei der BD und den Toms reindrehen. Das macht schon viel aus. Lieber ne Spur zu muffig als zu brilliant, besser wenn es laut wird kommt eine Trommel mal nicht ganz so präsent durch, als wenn sie die ganze Zeit zu brilliant klingt. Alles darf nicht zu brilliant klingen, das gilt auch für die Becken und natürlich für Gitarren und Bass.
Dann nicht tot komprimieren. Die alten Helden haben auch Kompression gehabt, aber eben über den Vorverstärker des Röhrenmischpultes. Man kann die Kurve des Kompressors auch so einstellen, dass es nicht nach Metallkick klingt und eben sparsam mit dem Effekten umgehen und der Band die Dynamik lassen.
Gitarren und Bass mit Mikros an der Box abnehmen. Keine DI Box benutzen. Gitarren am besten mit einem Ribbon Mikro und den Bass mit nem RE 20.
Mit dem richtigen Können und der richtigen Ausrüstung kann man einen lauten Sound hinbekommen der die Musik trotzdem nicht killt. Ich habe das bei Black Rebel Motorcyle Club gesehen/gehört. Allerdings wird es nie wie bei den Stones oder The Who klingen. Die Zeiten sind halt vorbei, das liegt an tausend Details, die ihr nicht immitieren könnt: alte Instrumente, Amps, Mikros, Röhrenmischpulte, analoge Effektgeräte aus dem Museum.
Edit: Ich sehe gerade, du spielst ein (altes?) Gretsch und/oder ein Ayotte. Das Gretsch geht natürlich auch, ist aber immer ne Nummer brillianter und studiomäßiger als Sets mit V-Rings. Letztere klingen immer etwas gedämpfter, muffiger, punchiger. Ich mag Gretsch auch und hab auch eins, aber der Sound ist eben recht direkt und singend, aber grundsätzlich geht das genauso. Charlie W. spielt ja auch eins. Schau doch mal, wie das die Stones heutzutage live machen. Der Sound ist zwar nicht total vintage, aber das Drumset klingt immer noch gut und nicht so modern wie andere. Ach ja, ist natürlich schwer, wenn nicht alle in der Band mitziehen. Das Ibanez Metallbrett eures Gitarristen klingt mit Sicherheit nicht Vintage.