trotzdem nicht gänzlich uninteressant
Wow! 110 Minuten! Super Link!
Bevor ich das gesehen habe, fang ich schon mal an ein paar meiner Gedanken zu formulieren.
1. Entwicklung? Wer glaubt, mit der Produktion eines Albums sei die "Selbstfindung" eines Künstlers abgeschlossen, ist einfach zu jung, um es besser zu wissen. Ein Künstler benötigt Erfahrung - und oft auch Anleitung - um seine Musik zu finden. Vielen gelingt dies nie - das war aber früher auch nicht anders - an diese Musiker erinnert sich nur keiner
Andere erfinden sich immer wieder neu. 
Die Hilfe, überhaupt eine Produktion auf die Beine zu stellen, ist aber heute nicht mehr nötig. Jeder, der wirklich Musik machen kann, kann das im Prinzip selber. Ein eigenes Studio kostet heute nicht mehr, als ein Musikinstrument. Hier hat eine extreme Demokratisierung stattgefunden. Es ist heutzutage auch kaum mehr ein Unterschied zwischen Demo und CD Produktion gegeben.
Wer noch keine eigene CD (oder MP3s oder was auch immer....) hat (oder eine CD, auf der er mitgespielt hat), sollte sie selber machen. Wer das nicht schafft ist noch zu jung, oder aber leider dumm oder faul, oder beides.
2. Silbertablett - ja, stimmt, man muss heute fertige Produkte und lokale Erfolge vorweisen, um Investoren dazu zu bewegen, Geld in die Hand zu nehmen, mit dem man neue Türen öffnen kann. Dieses Geld wird dann aber auch nicht für die große neue Produktion im Riesenstudio am Hollywood Boulevard investiert, sondern in Promotion. Da werden Leute bezahlt, die Radio-Redakteure und -Moderatoren bequatschen, die Redaktionen aller möglichen Medien beackern, etc.. Alles nur, damit dort der Künstler erwähnt und gespielt wird - in der Hoffnung, mehr potentielle Käufer zu erreichen. Plattformen, die man als Myspace-Band alleine nicht erreichen kann. Das alles kostet richtig Geld. Keine Medien lassen es zu, ohne Viel Anstrengung (und SChmiergeld) eine breite Kampagne auf die Beine zu stellen - man wird aus eigener Kraft höchstens einen oder zwei Redakteure auf seine Seite ziehen können - das ist zwar manchmal ein Armutszeugnis für die freie Presse (speziell die Musikpresse) aber es folgt letztlich nur ökonomischen Zwängen: Wieso soll man Seiten mit unbekannten Künstlern füllen, wenn die Leser doch bitte was über bereits fertige (oder angebliche) "Stars" lesen wollen?
Diese Art von flächendeckender Promotion ist inzwischen n.m.E. die letzte Existenzberechtigung von Majorlabels.
3. Letztendlich hat das oben gesagt Auswirkungen auf alle Wirkungsbereiche der gesamten Musiklandschaft. Das trifft auch A+R Leute, wie den Herrn aus dem ersten Video. Die werden in der Form wie früher nicht mehr gebraucht. Schon lange hat die Musikindustrie hier intellektuell stark abgespeckt. Heutzutage ist die Qualifikation eines A+R Managers die eines Disco-Türstehers, der glaubt zu wissen, "was läuft". Das meine ich ganz ernst - ich habe solche A+Rs bei Major Labels persönlich kennen gelernt. Dies führt aber auch dazu, dass die von Majors vertriebenen Künstler immer mehr Schemen wie "Container-Star", "Casting-Star" oder "Dancefloor-Star" zuzuordnen sind - leider oft völlig wertlose Musik. Dies ist n.m.E. eine Hauptursache für die Umsatzrückgänge der Branche. Wer nur noch Scheiße geboten bekommt, kauft nicht mehr.
4. Auf der anderen Seite ist durch die Demokratisierung der Produktionsmittel (für jedermann erschwingliche Homerecording und Projektstudios) und das Internet die Chance für viel mehr Bands und Künstler gegeben, sich aus eigenen Mitteln einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Diese Mittel muss jeder erst einmal selber nutzen. Wer nicht fähig ist, eine eigene myspace-Seite einzurichten und dort eigene Aufnahmen zu präsentieren, ist eben hintendran.
Die Demokratisierung führt aber dazu, dass es immer weniger die Möglichkeit geben wird, sich an einer Spitze zu positionieren. Ich nenne das mal "Charts-Monopol". Sowas wird sich einebnen, was durch die niedrigen Verkaufszahlen, die heutzutage einen Top-Ten-Hit darstellen ja schon bewiesen ist. Es ist also im Bereich der Majors und Chart-Musik schon eine entwicklung vollzogen, die zwangsläufig ist. Wo die Entwicklung immer noch hinterher hinkt, ist auf der anderen Seite: das immer größer werdende Angebot von Musik - insbesondere von künstlerisch und qualitativ hochwertiger Musik für erwachsene Menschen mit Geld in der Tasche, hat sein Ziel noch nicht erreicht. Da stehen wir erst am Anfang und Apple-Apps und I-Pad sind nur die Anfangs-Vehikel, die es irgendwann jedermann möglich machen seine Musik zu finden und zu kaufen.
Die Strukturen die es ermöglichen, zielsicher die Musik nach dem eigenen Geschmack zu finden sind immer noch die alten und gehen über Labels und deren Kataloge: Zu kompliziert für einen berufstätigen Familienvater, der Zeit zum Musikhören nur noch beim Autofahren hat.