Konzertbericht: Kate Nash

  • Konzertbericht: Kate Nash


    Berlin, 3. Juni 2008
    Kesselhaus, Kulturbrauerei


    Kate Nash kennt vielleicht nicht jeder, da sie noch ein neues Sternchen am Pophimmel ist und erst letztes Jahr mit ihrem Song "Foundations" bekannt wurde, den vor allem MTV promotete, wodurch sie wahrscheinlich auch viele entdeckt haben (mich eingeschlossen). Ich bin zwar bekennender Rock- und Metal-Fan, jedoch kann ich mich auch für so ziemlich jede andere Musikrichtung interessieren, wenn die betreffende Band bzw. der Künstler ansprechende Musik macht und bei Kate Nash ist das so ein Fall. Ihre Musik ist poppig und eingängig, aber auch ziemlich experimentell, mit einem ganz eigenen Stil (musikalisch wie optisch), der teilweise auch etwas abgehoben scheint. Außerdem singt sie mit einem "very British"-en Akzent und manchmal wird aus dem Gesang auch Gequatsche, Geschreie oder Gestottere... jedenfalls mal was Anderes als der ganze Kram, der ja sonst auf MTV läuft.


    Von daher wollte ich diese Frau (mit ihren zarten 22 Jahren jünger als ich) auch mal live sehen, denn wie man diese Musik in einem Konzert aufziehen würde, welche Instrumente dabei zum Einsatz kämen und wie viel Kate selbst zur Musik beitragen würde, interessierte mich schon sehr. Im Dezember war sie das erste Mal auf Europatour, damals kannte ich sie auch schon und hatte nur nicht das nötige Kleingeld übrig, deshalb holte ich das verpasste Konzert heute nach, denn sie ist erneut unterwegs und diesmal hat sie auch eine ganze Menge neuer Songs dabei, die wohl auf ein baldiges zweites Album schließen lassen.


    Kurz vorab zum Auftrittsort: Das Kesselhaus ist nicht die riesige Halle; es passen ca. 600 Leute rein und ich selbst habe auch schon auf der Bühne gestanden/gesessen bei einem Bandcontest, der dort statt fand. Nichts desto trotz ist der Sound in dem Laden nicht von schlechten Eltern, die Bühne wurde für Kate Nash ordentlich dekoriert und überhaupt war der Ort angemessen für so eine zwar angesagte, aber noch nicht weltbekannte Künstlerin. Überrascht war ich davon, wie voll es dann auch wurde, denn als das Konzert begann, war wirklich jede freie Stelle in der Halle besetzt und gerade vorne tummelten sich ordentlich Fans, viele davon weiblich aber schon aus dem Teenageralter raus, und außerdem oft mit männlicher Begleitung. Wie viele Freundinnen da wohl ihren Partner überreden mussten mitzukommen? ;) In meinem Fall hatte ich meine Freundin "überrascht" und sie mitgenommen, obwohl sie weder Kate-Nash-Fan ist noch besonders viel von ihr gehört hat, noch auf diese Art von Musik besonders steht.




    Dass die junge Britin aber auch anders kann, bewies sie dann gleich zu Beginn der Show, als vier Musiker und das rothaarige Mädchen in einem schwarzen, weiß gepunkteten Kleid und knallroten Ledergürtel die Bühne betraten und die aktuelle Single "Pumpkin Soup" gleich mal 20 BPM schneller als im Studio und mit deutlich mehr Rockcharakter auf die Menge losließen. Kate selbst saß dabei in der Mitte der Bühne am Piano und stellte gleich klar, dass sie auch live mehr als nur Sängerin ist. Zielsicher und mit viel Energie legte sie sich in die Tasten und sang ihre Noten mit Präzision und gut hörbar in die Halle, während der Drummer der Band mir sofort ins Auge fiel, denn was er schon bei diesem Auftakt aus seinem Gretsch-Kit rausholte, erinnerte doch mehr an Rock 'n' Roll mit Funk-Attitüde als an Pop! Er knallte den Stick mit Wucht aus großer Höhe auf die Snare, spielte präzise und sicher Sechzehntel-Grooves auf der Hi-Hat und ließ auch flotte Fills über die zwei Toms des Drumkits in der Farbe Gold Sparkle fliegen. Ich war begeistert, denn soviel Lautstärke (im positiven Sinne) und Tempo hatte ich wirklich nicht erwartet! Die anderen drei Bandmitglieder bedienten sich derweil gekonnt an E-Gitarre, Bass, Keyboards und später auch Akustikgitarre, Vibraphon, Percussion... insgesamt standen wahrscheinlich zehn Instrumente auf der Bühne, die leider Gottes auch nach der durchschnittlichen Vorband erst aufgebaut, soundgecheckt und durchgestimmt wurden... bevor Kate und Kollegen die Bühne betraten, verging eine geschlagene halbe Stunde und die Menge wurde langsam unruhig... aber das alles war natürlich sofort vergessen, als das eben beschriebene, explosive Intro durchgespielt und sogleich von einem weiteren Albumtrack gefolgt wurde, der in derselben Art aufgemacht war.


    Grundsätzlich zog sich durch das ganze Konzert eine abwechselnd balladige, ruhige und relaxte, dann wieder rockige, schnelle und treibende Stimmung, bei der vor allem die etwas flotteren Songs aus dem Repartoire von Kate immer eine Ecke schneller gespielt wurden und viel Druck in der Musik ausübten. Als Kate sich also nach den ersten drei Songs vom Piano verabschiedete, sich eine Gitarre umhang und auf unsere linke Seite der Bühne kam (dort stand das Mikrofon; wer jetzt rechts stand, musste mit dem Begleitgitarristen Vorlieb nehmen), wurde die Stimmung ruhiger und sämtliche Zuschauer standen gebannt da, schauten auf Kate und wie sie zum zweckmäßigen Gitarrenspiel ihre Gesangsparts mit viel Gefühl und Dynamik präsentierte. Es war nicht zu übersehen, wieviel ihr diese Musik bedeutet und dass ihre Songs ihr selbst offenbar nahe gehen, denn passend zu den gut verständlichen Texten veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und ihre Haltung und Stimmung. Und jedes Mal wenn es Applaus gab, sah man das Mädchen in ihr, das sich einfach nur riesig über die Begeisterung der Fans freute und gar nicht genau wusste, ob sie überhaupt zum Weltstar gemacht ist. Es ist auch diese leichte "Unsicherheit" und diese Natürlichkeit, die Kate Nash schon etwas besonders machen.




    Die nächsten Songs waren allesamt neu, sowohl ruhige und gefühlvolle Balladen als auch die nächsten zwei "Rocker", bei denen wieder die Post abging. Nachdem der Drummer kurzzeitig sein Drumset verlassen hatte und für eine Ballade ans Vibraphon gewechselt war, wo er mit sichtlicher Freude die Akzente setzte, ging es nun weiter mit druckvollen Grooves, die einfach vom Tempo her und durch das saubere Spiel einen sehr geilen Drive entwickelten, der den Song vorantrieb. Dass der Mann Spaß am Schlagzeugspielen hat, sah man ihm mehr als deutlich an, denn er haute mit Leidenschaft in die Trommeln und die beiden Crashes links und rechts am Set. Insbesondere der knackige Schlag auf die Snare war jedes Mal ein Genuss! Als dann etwas später in der Show auch noch zwei der anderen Musiker sich gleichzeitig am Percussion-Set neben dem Piano von Kate zu schaffen machten und parallel auf die Trommeln schlugen, wurde die sonst eher melodielastige Musik doch sehr rhythmuslastig und erhielt sehr viel Punch. Ein schöner Showeffekt, den ich mir öfter bei solchen Konzerten wünschen würde! Dann ging der Gitarrist auch mal rüber zum Drummer, nahm sich einen Filzschlegel und akzentuierte Teile des Grooves mit Schlägen auf das Crash-Becken. Die beiden wirkten dabei wie ein eingespieltes Team und hatten viel Spaß.





    Als dann der obligatorische Hit "Foundations" kurz vor Ende der Show mit Kate wieder am Piano loslegte, nachdem drei weitere unbekannte Songs präsentiert wurden, ließ ein Großteil der (wie gesagt großteils weiblichen) Fans es sich nicht nehmen, ihre Textkenntnisse unter Beweis zu stellen. Während also die Hälfte der Halle mitsang, wurde der Song am Ende zu einer weiteren Explosion gefahren, um dann abrupt zu enden und eine kurze Danksagung der Künstlerin zu ermöglichen. Beendet wurde das Konzert nach ca. 70 Minuten dann mit dem Song "Merry Happy", der auch der letzte Track des Albums ist, und natürlich wurde dieses ohnehin schon schnellere Stück zum Ende der Show wie ein Feuerwerk in die Länge gezogen und jeder ließ sich an seinem Instrument noch mal so richtig aus, während Kate in die Tasten haute wie sonst nur Drummer in die Toms, wenn der Abgang kurz bevor steht. Dann verließen sämtliche Bandmitglieder die Bühne und obwohl es eine kurze Zeit so aussah, als gäbe es eine Enkore, war das Ende dann klar, als die Lichterdekoration über der Bühne ausging. Doch kaum dass sich die ersten Zuschauer auf zum Ausgang machten, hörte man das Kreischen von (wieder weiblichen) Fans, die vor der Bühne von Kate mit Bonbonbs (!) für den gelungenen Abend belohnt wurden. Auch mal eine nette Idee! :D


    Insgesamt hat dieses Konzert bei mir den positiven Eindruck von Kate Nash nur noch verstärkt und ich würde jedem, der sich auch für etwas ungewöhnlichere Musik öffnen kann, einen Konzertbesuch empfehlen. Man muss die Platte nicht kennen; etwa die Hälfte der Songs war ohnehin neu und unbekannt und dürfte sich auf dem nächsten Longplayer wiederfinden. Der Eintrittspreis war mit ca. 25 Euro auch nicht happig und für die Show sowieso mehr als angemessen. Nicht nur hat Kate Nash musikalisches Talent und weiß live zu überzeugen, sondern es ist die bereits angesprochene Art WIE sie ihre Musik präsentiert, und auch wie die Band im Hintergrund das Konzert antreibt. Eine runde Sache!



  • Vielen Dank für den ausführlichen und bunten Konzertbericht.
    Stellenweise scheint doch eine gewisse Schwärmerei durchzuschimmern ;)
    Was ich allerdings ganz gut nachvollziehen kann. Nachdem ich einige Lieder von ihr live gehört/gesehen hatte (leider nur im TV), habe ich mir vor kurzem auch das Album gegönnt. Das ist schon eine recht eigene Musik, die aber hier und da ordentlich grooved. Foundations wäre da ein gutes Beispiel. Im Grunde passiert das ganze Lied über nichts, trotzdem treibt das Lied unheimlich nach vorne. Ein melancholisches Gute-Laune-Lied.


    Die Dame hat in meinen Ohren eine super Stimme und einen unglaublich charmanten englischen Akzent. Das passt schon irgendwie alles zusammen. Abgesehen davon machte sie mir in Interviews einen sehr sympathischen Eindruck.

    Zitat

    Es ist auch diese leichte "Unsicherheit" und diese Natürlichkeit, die Kate Nash schon etwas besonders machen.

    Mein Bild von ihr deckt sich ziemlich mit dem von dir beschriebenen. Schade, dass ich dieses Jahr nicht zu Rock-am-Ring rüberhusche, Kate Nash hätte ich mir gerne angehört. Allerdings wäre das wohl auch nicht wirklich mit einem eigenen Konzert vergleichbar. Bei Acts dieser "Größenordnung" ist ja gerade der kleinere, persönliche Rahmen, das was die Stimmung ausmacht. Auf der Bühne wird nicht viel vom Wesentlichem abgelenkt und dennoch bekommt man wirklich was geboten.


    Noch eine Frage zum Schluss: Wie hat es denn deiner Freundin gefallen? Nach diesem Satz

    Zitat

    ...obwohl sie weder Kate-Nash-Fan ist noch besonders viel von ihr gehört hat, noch auf diese Art von Musik besonders steht.

    musste man ja mit dem Schlimmsten rechnen. Andererseits sind Frauen in der Hinsicht erfahrungsgemäß doch alle recht ähnlich und erstaunlich berechenbar und lassen sich schnell begeistern. :thumbup:

    "Just beat the devil out of it." - Bob Ross

  • Hey, da hast Du Dir ja wirklich sehr viel Mühe gegeben mit dem Bericht!
    Ich kennen nur ihre Hitsingle aus dem letzten Jahr und einige sehr charmante Videos aus youtube von ihr.
    (Zusammen mit Billy Bragg "New England" sehr schick!). Aber Dein Bericht zu lesen, hat wirklich sehr viel Spaß gemacht.


    Danke dafür!

    Gruss


    miles_smiles


    ______________________________________________________


    ich und so



    Zitat:
    D
    as video beweist eindeutig, dass Thomas auch im Hochgeschwindigkeitsbereich sich nicht verstecken muss und nicht nur perfekte Grooves in Jazzbands vom Stapel lässt!!!

  • Noch eine Frage zum Schluss: Wie hat es denn deiner Freundin gefallen? Nach diesem Satz musste man ja mit dem Schlimmsten rechnen. Andererseits sind Frauen in der Hinsicht erfahrungsgemäß doch alle recht ähnlich und erstaunlich berechenbar und lassen sich schnell begeistern. :thumbup:


    Also, sie war doch ziemlich beeindruckt und da sie ja auch nur zwei Jahre älter als Ms. Nash ist und selbst gerne auf der Bühne stehen würde (als Drummerin), hat sie das Konzert schon begeistert.


    Ich wusste gar nicht, dass sie noch bei Rock am Ring spielt. Das ist ja eine ziemlich große Sache für so eine kleine Frau :D Mal sehen ob MTV oder irgend ein Sender das überträgt.

  • Da bin ich ja glatt ein kleines bisschen neidisch, das hätte ich mir wohl auch gerne mal gegeben (allerdings auch nur in dieser Form, denn was bekommt man bei RaR denn schon noch mit?). Danke für den Bericht!


    Gruß
    Alex

    "Ich verlor bisher Filze, Sticks und einen Bassisten. Weiß der Geier was man damit will."
    Barumo, 2008

  • Toller Konzertbericht! Super geschrieben! Wird man ja glatt neidisch das man selbst nicht da war! Hoffentlich wirds bei RaR übertragen! Würd ich mir auch gerne mal anschauen!

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