Hi Seitenwähler,
spannender Post und ich finde ihn zwar streng und einseitig, aber lesenwert und gut argumentiert. Du hast es ja auch gesagt: Du schaust aus der Brille des Produzenten/Mischers und nicht aus der eines (Amateur-) Schlagzeugers.
Aus Produzentensicht ist das ganz einfach: Was will ich für einen Sound? Wenn's nicht zu clean klingen soll (je nach Genre) hol ich mir einen echten Drummer und krieg den passenden Sound. Daran ist nix kompliziert und für 'ne geübte Crew im Studio ist das nun auch kein Ding.
Anders dagegen, wenn die Amateurtruppe ihr Demo machen will: Der Drummer (so einer wie ich) kann nicht hunderprozentig gleichmäßige Signale und Klänge produzieren (hmm ... bastel, bastel). Das Set ist womöglich nicht optimal gestimmt (hm … bastel, bastel). Ich gebe zu: Da kann es - je nach Genre und aus Produktionssicht - clever sein, auf Vorgefertigtes zurück zu greifen. Und dem Studiomenschen kommt mehr als einmal der verständliche Gedanke: Wofür das ganze Zeug auffahren, wenn's am Ende bescheiden klingt? Klar.
Aber: Ich als Amateur spiele, weil ich Musik liebe und diese Liebe ist gekoppelt an mein(e) Instrument(e). Ich möchte gerne meine Instrumente auf der Aufnahme spielen und hören und kein Sample, das sie ersetzt. Auch nicht, wenn es etwas gibt, das noch ein wenig besser klingt. Es gibt ja auch Drummer, die besser klingen und die möchte ich auch nicht auf dem Demo meiner Band hören. Das alles natürlich unter der Voraussetzung, dass am Ende mit vertretbarem Aufwand noch ein solides Ergebnis herauskommt. Soll heißen: Die Amateurproduktion hat (meine ich) andere Ziele als eine professionelle. Das ist das eine.
Das andere: Äpfel und Birnen! Du führst die Qualität professioneller Klangbibliotheken gegen Kritiker wie mich ins Feld. Den Klang würde ich nicht kritisieren, ich hab mal mit Einsteigerzeug herumgespielt und war - klanglich - beeindruckt! Mein Gemaule richtet sich vor allem gegen die miese Klangqualität heutiger Module. Warum Module? Weil ich von der Praxistauglichkeit der computergestützten Lösungen außerhalb der eigenen vier Wände (noch) nicht überzeugt bin. Und wenn schon, aktuell müsste ich mir immer noch ein höherwertiges Roland-Modul kaufen, um eine annehmbare Latenz zu bekommen.
Das ist alles nicht entsetzlich schlecht, aber ich bin eben enttäuscht, dass die Welt sich überall im normalen Tempo dreht, nur bei uns laufen (Entwicklungs-) Jahre in Jahrzehnten. Auch das kann ich akzeptieren, der Markt ist halt so. Ich bin nur erstaunt, dass die mageren Fortschritte auch noch bejubelt werden. (Vgl. bei der Einführung des TD-25)
Gruß
Hajo K
P.S.: Ich träume mal so ca. zwei bis drei "Drummer-Innovations-Jahrzehnte" voraus ins Jahr 2044: Dann ist die Latenz im Griff und es gibt stabile Rechnermodule (und vermutlich immer noch Roland Drumsynthesizer mit Natural Realistic Pro 4.0) und bei nahezu jeder Amateurproduktion wird man sein Zeug mit 1a Klangbibliotheken einspielen. Und es gibt dann weiter Leute wie mich, die eines der wenigen Demostudios aufsuchen, wo noch Mikros rumstehen und Leute damit umgehen können.
Also in etwa das, was sich heute im Fotobereich zeigt: Es gibt Leute, deren Photoshop immer noch in der Dunkelkammer steht. Aber das ist dann wirklich reine Liebhaberei.