Begründete Frage vom Thread Ersteller, welche sich nicht pauschal beantworten lässt.
Ich werde versuchen als kleiner Hersteller von In-Ears möglichst neutral meine Erfahrungen hier wieder zu geben.
Zu Beginn möchte ich die Kriterien zur Entscheidung für ein bestimmten In-Ear Hörer in 5 Punkte aufteilen:
1.) Der Sitz
Es wird oft angenommen, dass ohrangepasste Hörer pauschal das Optimum in Sachen Sitz darstellen.
Da die Anatomie jedes Menschen aber einzigartig ist und ein starre Otoplastik nur eine Momentaufnahme darstellt,
kann ich dieser pauschalen Annahme durch meine Erfahrung wiedersprechen.
Es gibt natürlich Menschen bei denen der Sitz von Custom Hörern über „einen längeren Zeitraum“ super bleibt und auch die Mimik und Gestik auf der Bühne keine Probleme macht.
Nach einigen Custom Hörern unterschiedlicher Hersteller innerhalb der letzten 12 Jahre kann ich sagen „ich gehöre nicht dazu“!.
Das mal nur vorne weg und weitere Vertiefung zu Customs Vor- und Nachteile wären jetzt Off-Topic.
Bei einem Hörer mit Aufsatz (wie die genannten Kandidaten) gibt es einen immensen Unterschied, wie stabil und angenehm diese im Ohr sitzen. Oft wird die Stabilität auf den Aufsatz der in den Gehörgängen steckt reduziert, was leider nicht mehr Zeitgemäß ist und den Stand von In-Ear Hörern vor 20 Jahren beschreibt.
Die InEar Stagediver haben schon eine sehr clevere Form die im Schnitt recht vielen Menschen passt.
Gerade bei einem Hörer in Massenproduktion ist es einem Hersteller natürlich sehr wichtig, dass die Hörer bei möglichst vielen Menschen ins Ohr passen.
Die klassischen China Kandidaten haben hier oft nicht so ergonomische Gehäuseformen und Größen, die vor allem je nach Modelltyp auch nochmal komplett unterschiedlich ausfallen.
Trotzdem bedeutet ein „ins Ohr passen“ in den seltensten Fällen einen guten und stabilen Sitz im Ohr!
Genau hier liegt auch das Hauptproblem der Erfahrungen mit UNIVERSAL Hörern.
Für die Performace auf der Bühne ist eine sicherer und stabiler Sitz natürlich wichtig.
Wer möchte sich schon ständig an die Ohren fassen müssen!?
Ich habe regelmäßig völlig überraschte Kunden, die sich bei mir durch die verschiedenen Gehäuseformen testen und eben diese krassen Unterschiede feststellen. Oft Kunden die vor dem Test der Meinung waren „Hörer mit Aufsatz passen bei mir nicht und sind ja nicht sehr angenehm“. Bei diesem sehr wichtigen Punkt sollte man sich Zeit nehmen und durchprobieren!
Im Idealfall kann man die Gehäuseform unabhängig der klanglichen Abstimmung und Bestückung wählen und sogar ggf. noch anpassen lassen... hier kenne ich aber aktuell nur einen Hersteller der sowas in Handarbeit macht... 
2.) Der Headroom
Ich denke das Thema Headroom wird nur allzu oft falsch eingeschätzt.
Einem sehr bassig abgestimmter Hörer wird fälschlicherweise oft „viel Headroom“ unterstellt und einem sehr flach und neutral abgestimmten Hörer „wenig Headroom“ (vor allem im Bass) unterstellt.
Ein Schlussfolgerung auf diese Weiße zu ziehen halt ich für alles andere als ratsam.
Tatsächlich sind oft die günstigeren Hörer (mit günstigeren und kleineren Treibern) sehr bassig abgestimmt.
Live Signale auf der Bühne sind sehr dynamisch mit einem sehr hohen Crest-Faktor und nicht mit stark komprimierter Musik zu vergleichen.
Wen das Thema näher interessiert, empfehle ich zum Verständnis ein Blick auf Wiki: https://de.wikipedia.org/wiki/Scheitelfaktor
Hifi In-Ear Hörer welche für den „normalen“ Musikkonsum gefertigt werden, besitzen meist nicht die Dynamik welche bei einem Einsatz mit hohem Crest-Faktor benötigt wird! Hat man keinen Einblick oder Erfahrung zu den verbauten Schallwandlern hilft nur LIVE TESTEN!
3.) Die Streuung in der Fertigung
Hier gibt es nochmal deutliche Unterschiede welche ich kurz anreisen möchte.
Gerade bei Hörern aus dem asiatischen Raum wird aggressiv mit Vielen Treibern für wenig Geld geworben.
Aufgrund des Platzangebotes in In-Ear Hörern gibt es aber nicht die Möglichkeit, aufwendige Frequenzweichen mit hoher Güte und großen Bauteilen zu realisieren.
Somit ist es bei vielen marktüblichen Produkten völlig normal, dass sich die Übertragungsbereiche mehrerer Treiber stark überlappen.
Dies kann zu ungewollten Interferenzen führen, die den Sound grundsätzlich verschlechtern.
Insbesondere fallen die unvermeidlichen Fertigungstoleranzen in den Überlappungsbereichen besonders ins Gewicht, was abermals die maximal erzielbare Klangqualität reduzieren kann.
Je mehr Treiber zum Einsatz kommen umso schärfer muss eine Selektion der Treiber stattfinden, was einem höheren Ausschuss zu Folge hat. Ich habe von besagten asiatischen Produkten schon einige grobe Ausreiser auf dem Tisch.
4.) Die klangliche Abstimmung
Geschmäcker sind verschieden und prinzipiell ist erlaubt was gefällt. Ich kann allerdings sagen, dass vor allem bei preiswerten Produkten versucht wird mit Viel Bass schwächen zu überdecken. Stark verbogene Abstimmungen zwingen einen leider auch dazu das In-Ear auf der Bühne recht laut zu machen, um alle wichtigen Informationen hören.
Wenn ich fertige Musik meiner Lieblingsinterpreten höre, bevorzuge ich ein warmes und eher weiches Klangbild mit dezenten Mitten und dezentem Präsenz.
Auf der Bühne muss ich aber mit sehr rohen und dynamischen Signalen klar kommen und muss ggf. sogar noch mit den EQ’s des FOH Manns leben. Hier sind mir die Mitten und der Präsenz natürlich wichtig um die Hörer nicht zu laut fahren zu müssen.
Der Schutz des Gehöres ist bei lautem In-Ear sehr schnell dahin und sogar das Gegenteil ist der Fall!
Daher habe ich die Überzeugung: „So laut wie nötig, aber so leise wie möglich!“
So wie sich unser Ohr an hohe Lautstärken temporär gewöhnen kann, so kommt man auch recht schnell mit sehr moderatem Pegel auf der Bühne gut aus. Transparent, Fett und Druckvoll muss nicht laut sein!
Um Beeble beizupflichten: Ein guter Mix auf dem Ohr macht natürlich erstmal mehr aus, als die klangliche Abstimmung vom Hörer.
Auf der anderen Seite kann man mit nem guten Hörer bei einem schlechten Mix (den man nicht immer beeinflussen kann) nochmal deutlich mehr hören.
5.) Zuverlässigkeit
Natürlich kann man sich 10x den 50,- Euro Hörer kaufen, bis man die Investition eines 500,- Euro Hörers getätigt hat.
Wenn aber das Kabel ständig Stress macht und jeder zweite Hörer desselben Typs unterschiedlich klingt, zudem evt. je nach Paar noch Unterschiede im Panorama besteht, würde mich das auf Dauer nerven.
Auch akustische Filter sind bei günstigen In-Ears im seltensten Fall tauschbar, was ein deutlichen höheren Verschleiß zur Folge hat. (ökologisch fraglich)
Für den Heimgebrauch spielt die Zuverlässigkeit weniger eine Rolle, aber auf der Bühne machen zuverlässige Werkzeuge definitiv Sinn, um sich auf das Wesentlich zu konzentrieren.
Abschließend möchte ich festhalten.
Die Auswahl des „richtigen“ In-Ear Hörers ist so subjektiv wie sie nur sein kann.
Es muss auch nicht immer teuer sein und das Angebot im Markt ist mittlerweile gigantisch Groß!
Das wichtigste um auf eigene Faust den richtigen Hörer zu finden ist die Bereitschaft „Zeit zu investieren“ und entsprechend zu testen!
(was natürlich einer individuellen Beratung nicht widerspricht
)