OT?
Billigschrott
"In China ist es so und so (irgendwas beliebiges einsetzen)." Fast egal, was da steht, es stimmt wahrscheinlich - und auch das Gegnteil. Wohl in keinem Land sind die Gegensätze größer. Einerseits gibt es eine Landbevölkerung die oft am Existenzminimum dahin vegetiert und Fabrikarbeiter, die unter Verhältnissen des 19. Jahrhunderts ausgebeutet werden. Und Umweltschutz? Kennt man nicht. Andererseits gibt es in China Boomregionen und top Produktionsanlagen, die in der Lage sind, erstklassige Produkte zu günstigen Preisen anzubieten. Nehmen wir mal die Textilindustrie. China ist der weltweit größte Hersteller und Exporteur von Textilien und "überschwemmt" den Welttextilmarkt. Das liegt aber nicht daran, daß Millionen Chinesen Hemdchen zusammen klöppeln, sondern daran, daß jahrelang ich wiederhole: jahrelang rund 50 % der weltweit hergestellten Textilproduktionsmaschinen nach China geliefert wurden. Das heißt: Die Chinesen haben hier ein erstklassiges Ausrüstungsniveau. Die Arbeiter verdienen im Vergleich zum Westen wenig, aber für chinesische Verhältnisse viel. Das ist aber hier überhaupt nicht entscheidend. Selbst wenn sie wesentlich mehr verdienen würden, fiele das aufgrund des hohen Automatisierungsgrades kaum ins Gewicht, da der Anteil der Lohnkosten hier eine untergeordnete Rolle spielt. Ausbeutung gibt es, aber es gibt auch Ausnahmen, die bei weiterem Wirschaftswachstum mit wachsen werden. Doch was haben Klamotten mit Trommeln zu tun? Eine ganze Menge.Siehe das Beispiel KHS: Die Muttergesellschaft von Mapex und Sonor beschäftigt in China rd. 2.500 Mitarbeiter. Nicht alles was dort die Werkstore verläßt ist Schrott, im Gegenteil. Der Schluß: China -> billig -> Schrott stimmt eben nicht immer - und künftig immer weniger.
Kopieren
Die Chinesen kopieren oft, dabei oft schlecht, manchmal gut, selten so gut wie das Original. Hierbei werden fast immer Patentrechte verletzt. Das kratzt die Chinesen wenig, aber es werden weiterhin wichtige Dokumente auf Regierungsebene unterzeichnet, die bis auf weiteres ziemlich wirkungslos bleiben, da deren Inhalte nicht konsequent durchgesetzt werden. Auf Messenin Europa und Amerika öffentlichkeitswirksam vor laufender Kamera ein paar Produkte zu beschlagnahmen löst das Problem nicht mal ansatzweise. Die Patentrechtsbesitzer bleiben auf hohen Entwicklungs- und Patentkosten sitzen, weil die Kopierer die Produkte für halbes Geld vermarkten. Wer wird ernsthaft dagegen einschreiten, wenn chinesische Kopien deutscher Werkzeugmaschinen nach Südamerika geliefert werden? Niemand. Das kriegt doch erst mal keiner mit. Recht haben und bekommen sind zwei Paar Stiefel.
Die Sache geht aber noch tiefer und ist kulturell bedingt. Für Chinesen ist es grundsätzlich was Gutes, etwas zu kopieren. Kopieren ist positiv besetzt. Man macht sich erbrachte Vorleistungen zum eigenen Vorteil zu Nutze, in dem man sie unverändert kopiert oder auf dieser Basis weiter entwickelt. Wenn wir mal einn Meter zurück treten und das mit etwas Abstand betrachten, kann man diesem Gedanken auch was abgewinnen. Vor allem wenn man bedenkt, daß der größte Teil der technischen Entwicklungen der Menschheit ohne Patentrecht erfolgt ist [der Erfinder des Rades wäre heute reicher als Bill Gates, wenn er ein Patent gehabt hätte :-)].
Ich weiß, das ist ein zweischneidiges Schwert und das Thema Urheber- und Patenttrecht kann man ncht befriedigend in ein paar Zeilen abhandeln (diese Materie betrifft uns Musiker ja auch noch im Speziellen). Aber ich finde, beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung. Und nur weil wir im Westen von der einen im Moment mehr profitieren, ist die andere nicht grundsätzlich weniger wert.
Keep On Groovin'
fwdrums
P.S.: Um Mißverständnisse vorzubeugen: Ich verabscheue den freiheitsraubenden, nach wie vor totalitären Staatskapitalismus, den die chinesische Regierung gewaltsam aufrecht erhält und ich halte auch nicht viel von der anbiederischen Appeasement-Politik vieler westlicher Staaten (schönen Gruß an Schröder). Doch kommt auf Dauer die wirtschaftliche Entwicklung auch bei den Menschen an. Das dauert in totalitären Systemen wesentlich länger, aber die Geschichte lehrt, das es nicht zu verhindern ist.