Guten Abend,
ich kann's aktuell "mit Werbung" lesen.
Für diejenigen, die Angst bekommen, es könnte das Schlagzeuger-Gen geben:
1.
"Häufiges Musikhören und natürlich aktives Musizieren machen einen guten Schlagzeuger oder eine gute Perkussionistin aus."
Interessant finde ich den immanenten Sexismus, dass Schlagzeuger*innen männlich und Perkussionist*innen weiblich sind.
Ebenfalls interessant finde ich, dass zwar von Musikhören (passiv) und Musikmachen (aktiv) die Rede ist, von Üben dagegen aber keine Spur.
Ich persönlich differenziere zwischen "Musizieren" und Üben.
2.
"Das musikalische Taktgefühl ist eine komplexe Fähigkeit, das von vielen unterschiedlichen Genen beeinflusst wird."
Also nix Genaues weiß man nicht?
Und nun zurück zum Text:
"Können Sie zu einem musikalischen Rhythmus klatschen? Dass die Mehrheit der Menschen dazu in der Lage ist, zeigen nicht nur die Volksmusiksendungen im Fernsehen. Auch in einer Studie, die gerade in der Zeitschrift Nature Human Behavior veröffentlicht wurde (Niarchou et al., 2022), sagten 92 Prozent der Teilnehmer, sie könnten das."
Wem ganz langweilig ist, kann sich das Werk ja mal ansehen, einfach auf die Verknüpfung drücken.
Ansonsten: aha, ein "musikalischer" Rhythmus. Da frage ich mich wie oben unter 2 schon wieder: gibt es ein unmusikalisches Taktgefühl und einen unmusikalischen Rhythmus? Und dann gehen natürlich die Emotionen der Leserin und des Lesers sowie der Lesenden, die geschlechtlich anderweitig einzuordnen sind in die Höhe: werden bei Volksmusiksendungen im Fernsehen musikalische Rhythmen geklatscht?
Wenn wir diese Frage auch bei Unwohlsein bejahen wollen, dann stellen wir uns gleich die nächste Frage: gibt es da vielleicht qualitative Unterschiede bei verschiedenen Rhythmen, verschiedenen Musikrichtungen und verschiedenen Medien (nach dem Motto: wer sieht denn heute noch fern (außer dem Autor, der es immerhin musikalisch bis hin zu Volksmusiksendungen geschafft hat?))
Und schon fragen wir uns: klatscht der Inder anders?
Schon werden wir enttäuscht: "Aus methodischen Gründen beschränkte sich die aktuelle Studie auf Probandinnen und Probanden, deren 23andMe-Profil eine europäische Herkunft ausweist."
Aber klatscht die Estin anders als der Este? Da soll es ja auch genetische Unterschiede geben?
Ganz ehrlich: ich halte nichts von Gefühlen, auch nicht von Takt- oder Rhythmusgefühlen. Jedenfalls dann nicht, wenn die Probandin oder der Proband schon länger auf der Welt ist und damit unweigerlich das ein oder andere mitbekommen hat. Schon vor der Geburt ist man ja von äußeren Einflüssen nicht ganz ausgeschlossen. Geht die Mutter jeden Tag in die Techno-Disko? Singt sie Arien? Hämmert sie Schwerter? Guckt sie Qualitätsfernsehen? Sitzt sie daheim und alle drei Minuten fliegt ein Flugzeug vorbei? Liegt sie im Krankenhaus, weil sie bei dem schönen Wetter eine Synkope hatte?
Jede und jeder fühlt den Rhythmus.
Ob sie oder er etwas damit anfangen kann, hängt von der Lebenserfahrung ab.
Dass es ein Gen gibt, das einem hilft einen mittelschnellen Viervierteltakt zu klatschen, würde ich als an Absolutheit grenzender Relativität für irrelevant halten wollen.
Grüße
Jürgen