ZitatOriginal von chesterhead
Wieso ist die landläufige Meinung, dass Portnoy es nicht ist, Herr Gadd aber durchaus musikalisch spielt. Einfach spielen beide nicht. Und wann ist ein Solo musikalisch und wieso wird den einfachen Rockdrummern öfter attestiert musikalisch zu spielen?
Also Musikalität ist wohl dann gegeben, wenn jemand mit Hilfe der Musik Gefühle vermittelt und Einfühlungsvermögen zeigt, insbesondere für das Stück, welches läuft.
Musik ist Kunst und wie jede andere Kunstform auch geht es letztlich um die Abbildung des Lebens: Liebe, Trauer, Freiheit, Leichtigkeit und Schwere, Spass, Sex etc. pp. Unter anderem öden mich auch deshalb Musikstile an, die nur eine eindimensionale Abbildung des Lebens zeigen, immer nur die gleichen Gefühle.
Musikalität zeichnet sich für mich sodenn ab, wenn ein Drummer dem Stück eine Gefühlsnote, ein Lebensgefühl, halt einen einen Groove aufdrückt bzw. entstehen läßt. Das kann er durch den Groove selbst machen, aber eben auch durch seine Fills machen. Ein einziger Lick auf dem HiHat kann einen völlig neuen Groove und damit Gefühl vermitteln.
Was nun die angesprochen angeht: Ich gehöre nicht zu denen, die Portnoy Musikalität absprechen. Er hat welche, keine Frage. Sowohl auf Platten als auch Live schon wunderbare Sachen von ihm gehört, keine Frage. Aber er ist sehr eindimensional, seine Audrucksmöglichkeiten sind beschränkt, er ist einfach im Verhältnis zu Gadd grobschlächtiger. Er besitzt weniger Dynamik und die Bandbreite seines Könnnens beschränkt sich auch auf weniger als bei Gadd.
Aber grundsätzlich ist es zunächst bei beiden gleich: Ob nun Portnoy mit der Double Bass Eindruck macht oder aber Gadd einer seinen verblüffenden Paradiddles über das Set verteilt, all dies ist letztlich zunächst nur Technik.
Obs musikalisch ist, hängt davon ab, in welchem Kontext es gespielt wird. Und da scheint mir einfach der gute Steve einfach mehr Feeling zu haben. Er besitzt auch die Fähigkeit, in viel mehr Stilen als Portnoy sich einzufühlen und diese Stile daher amtlich zu spielen.
Macht aber Steves lineares Spielen im Stück keinen Sinn, so wirds auch dort unmusikalisch. Aber grade das vermeidet Gadd ja meistens: Selten habe ich ihn gehört, wo er einen Song an sich reißt oder zerstört, er sucht immer den Grundcharakter des Stückes zu unterstützen, sucht die Lücken für den einen charmanten Lick, den anderen dort, und gibt dem Stück den Support, den es braucht. Wie gesagt, Portnoy kann das auch, aber eben nur einem sehr eingeschränkten Musikbereich.
Und: Portnoy wird zu oft Opfer seiner eigenen Beschränktheit, fällt selber auf seine eigene Beschränktheit herein. In seinen Soli wirds deutlich: da verfällt er immer wieder in seine 08/15 DoubleBass-Licks, die eindrucksvoll rüberkommen, keine Frage, aber sich schnell ermüden, da eben zu eindimensional. Ganz anders hier Steve. Aber zugegeben: Vielleicht ist er auch gar nicht so musikalisch, sondern verblüfft uns nur so mit seiner Technik, dass wir es nicht mehr merken, wenn ihm nichts einfällt :-).
Und bei der Frage der Musikalität beim Drummen kommen wir um einen Begriff eh nicht herum: DYNAMIK !! Das A und O der Musikalität. Lass einen Drummer ein Solo spielen, seine Musikalität wirst du daran erkennen, ob er in der Lage ist, dynamisch zu spielen. Um das zu überprüfen, reicht schon das Spielenlassen auf einem Pad. Lass einen Drummer 10 Minuten auf einem Practice PAd spielen, du wirst sofort merken, ob er dich selbst da musikalisch "mitnehmen" kann oder nur seine Licks abspult.
Seelanne