Also die Definition von ProfiMusiker und die diesbezüglichen wirtschaftlichen Erwägungen führen wohl so wenig weiter:
I. Zunächst wäre ja einmal zu überdenken, welche Vielzahl von unterschiedlichen Gruppen es unter dem Oberbegriff ProfiMusiker gibt: Produzenten, Komponisten, Flötisten, Bassisten, Schlagzeuger, Sänger, klassische Sänger, Pianisten, Alleinunterhalter, Orchestermusiker usw. und so fort, sie alle sind letztlich Profimusiker, so dass wohl offensichtlich ist, wie unterschiedlich die Gehaltsstrukturen ausfallen können: ein klassischer Flötist mit Orchesteranstellung dürfte sein Auskommen haben, ein arbeitsloser Flötist dürfte von Sozialhilfe leben, ein Komponist, der Werbespots, Filmmusiken und Musik für Produktionsfirmen macht, welche fürs Fernsehen arbeiten, dürfte wiederum ebenfalls ausgesorgt haben, ganz im Gegensatz zum einsamen Komponisten hochkomplexer moderner Werke, die außer ein paar Insider keiner hören will.
Und nicht nur das: das Leben eines Musikers, welcher von seinem Geld leben will, ist meistens geprägt von einer großen Sinuskurve in Sachen Kohle oder Krise. In diesem Zusammenhang gilt es auch nicht zu vergessen, dass oftmals millionenschwere Musiker viele Jahre ihres Lebens von der Hand in den Mund gelebt haben und teilweise schlicht und ergreifend sich noch nicht einmal die berühmte Butter auf dem noch berühmteren Brot leisten konnten: Pink Floyd waren vor der Veröffentlichung von "the Wall" komplett pleite, desgleichen Genesis in ihrer künstlerischen Hochphase bis Ende der siebziger Jahre. Die Liste könnte man unendlich fortführen.
II. Um um sich der Frage auch nur halbwegs ernsthaft annähern zu können, sollte man stattdessen den umgekehrten Weg einschlagen, und sich einmal fragen, wieviel Geld man den zum Leben benötigt. Nach meiner Erfahrung läuft es auf folgendes hinaus:
Mehrwertsteuer: als Selbständiger Musiker ist man in der Regel, soweit man von der Mehrwertsteuer nicht befreit ist, vollständig mehrwertsteuerpflichtig bei einem Steuersatz von 19 %. Bei verdienten 100 EUR gehen daher schon mal 19 EUR in die Tasche von Papa Staat.
Soziale Absicherung: Hier wäre zunächst einmal die Zwangsmitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zu erwähnen, diese kassiert vom anzurechnenden Einkommen 9,95% für die Rentenversicherung, für die Pflegeversicherung von 0,975% und Krankversicherung in Höhe von 7,9%. Von verdienten 100 EUR sind daher weitere 18,82 EUR weg. Hört sich viel an, dafür bekommt jedoch der Künstler bzw. Musiker eine vollständige soziale Absicherung, insbesondere die Krankenversicherung, die andernfalls in der Regel zwischen 200 bis 500 EUR liegen würde.
Rentenversicherung: Künstlersozialkassen sind schön, die sich ergebenden Rentenversicherungen und Rentenanwartschaften reichen aber für ein vernünftiges Leben im Alter nicht aus. klar, als junger Musiker hat man mit Überlegungen hinsichtlich des Rentenalters wenig an der Backe, wenn man aber sein Leben dann doch anders gestalten will als nach dem alten Rockermotto "live fast, die young" wird man sich mit dieser Thematik doch dann wohl am Ende etwas befassen müssen, und wenn dieses befassen sich darin erschöpft, eine kleine Lebensversicherung abzuschließen. Um hier überhaupt einen nennenswerten Effekt erzielen zu wollen, dürften Beträge von 150,-- € nicht unüblich sein.
Berufsunfähigkeitsversicherung: die Künstlersozialkasse ist wie gesagt als Krankenversicherung wunderbar, enthält aber keine Berufsunfähigkeitsversicherung, das heißt keinerlei Absicherung für den Fall, dass man seinen Job als Musiker nicht mehr ausüben kann. Ein Schlagzeuger, der an chronischer Sehnenscheidenentzündung leidet, wird wissen, wie wichtig dann eine entsprechende Absicherung ist. Zu veranschlagen sind hier ca. 50,-- €, abhängig natürlich auch davon, welches Einkommenmann abgesichert sehen will.
Krankentagegeldversicherung: es muss ja nicht immer gleich ganz dicke kommen wie in den Fällen der Berufsunfähigkeit, eine längere Erkrankung reicht ja schon aus, um jemanden für 3 Monate aus dem Verkehr zu ziehen, was bei den meisten Engangements und Aufträgen tödlich sein kann. Für eine Kranketagegeldversicherung kann und sollte man hier Vorsorge leisten und die entsprechenden Beträge und Versicherungen in der Künstlersozialkasse aufstocken lassen, was monatlich mit Sicherheit weitere 30 bis 50 EUR ausmachen dürfte.
Instrumentenversicherung: Hier gibt's ja nun wirklich unterschiedlichste Versicherungsleistungen und Versicherungsbedingungen, aber selbst für die letzte Schrottgitarre würde sich eine derartige Versicherung in Höhe von monatlich 15 bis 30 EUR anbieten.
Mobilität: ein Musiker ohne Auto und ohne Handy dürfte in der modernen Welt nicht vorstellbar sein. Für Handy also weitere 40 EUR, für die Rostige NNobelkarosse weitere 50 EUR an Steuern und Versicherung, trinken muss das Auto auch: Wer mit Spritkosten unter 100 EUR im Rahmen seiner Selbstständigkeit auskommt, dürfte König sein.
Instrumente altern, Holz bricht und Metall setzt Rost an: nochmal 20 EUR für Ersatzteile und Inschusshaltung des Instruments.
Ein leerer Magen musiziert nicht gern: 200 EUR im Monat für Essen und Trinken.
Lediglich in Kesselpauken kann man übernachten: nochmal 500 EUR für die Miete.
Bei monatlichen Einnahmen in Höhe von 2500 EUR würde die Rechnung für einen vollkommen freischaffenden Musiker dann also wie folgt aussehen:
Einnahmen: 2500 EUR
Mehrwertsteuer: 475 EUR
Sozialabgaben: 470,50 EUR
Versicherungen: 245 EUR
Kfz: 150 EUR
Handy-Internet: 40 EUR
Miete: 500 EUR
Lebenshaltungskosten: 200 EUR
Sonstiges: 50 EUR
Einkommensteur: 94 EUR
(bei zu versteuernden Einkommen von rund 13.400 EUR machte dies rund 1.121 EUR Inklusive solizuschlag und Kirchensteuer aus: monatliche Belastung also weitere 94 EUR.)
Ergebnis: 276 EUR bleiben zur freien Verfügung, hiervon sind sämtliche Zigaretten, Alkohol, Kinobesuche, Weihnachtsgeschenke, Geburtstagsgeschenke, CDs, DVDs, Kneipenbesuche, Computerbedarf und nicht zu vergessen natürlich der Urlaub zu bezahlen. Frauen und Kinder gehören sowieso als 1te in die Boote.
III. Fazit: ein Leben als vollkommener freischaffender Künstler bzw. Musiker ist schwierig. Ohne zusätzliche Absicherung in Form von regelmäßigen Projektverträgen, Anstellung als Musiklehrer oder als Mitglied von Orchestern ist es schon auf Dauer eine enge Kiste , es sei denn, man landet den absoluten Smash-Hit. Machen kann man das alles natürlich gleichwohl, insbesondere, wenn man jung ist. Als dauerhaftes und Lebens ausführendes Projekt bzw. Berufung muss man aber da schon 1. ein guter Musiker, 2. ein guter Geschäftsmann und 3. ein verlässlicher und sympathischer Partner für alle in Betracht kommenden Projektpartner sein.
Und nicht zu vergessen, das sagen eigentlich alle Berufsmusiker: Das eigentliche musizieren nimmt im Alltag nur einen kleiner Bruchteil der eigentlichen Tätigkeit ein. Oder wie Steve Gadd einmal sagte: "Es ist relativ leicht, ein guter Drummer sein, ungleich schwieriger ist es, vom Drummern auch die Raten für das eigene Haus bezahlen zu können".
Der Wunsch, Berufsmusiker zu werden, ist daher wohl der gleiche, wie der Wunsch, Profifußballer zu werden: viele träumen ihn, wenige können in leben und insgesamt die wenigsten machen sich realistische Vorstellungen vom Alltag.
Seelanne