ach gottogott: von den üblichen "sind-alle-dafür-?-dann-bin-ich-dagegen-!-"-Dauerseparatisten über British-Slang-Probleme bis hin zu Stalingrad: Also manche mögen zuweilen nicht alle Tassen im Schrank haben, aber einigen hier fehlt sogar der Schrank.
Ich meine: hallo ? Da hat ne 19jährige Abiturientin den Contest gewonnen, mehr nicht aber schließlich auch nicht weniger.
Der Song: mein Gott, ja, keine künstlerische Großtat, okay, aber das war vorher klar, eine solche würde beim Contest schließlich auch durchfallen, ein netter Sommerhit, leicht-luftig, tut keinem weh, im übrigen musikalisch gar nicht so dämlich, sondern sogar mit einem gewissen Witz: was will man mehr. Das Arrangement im übrigen perfekt auf die Sängerin zugeschnitten, Respekt, daran scheitern ja die meisten Langeweiler in der Musikszene, selbst manche angeblich "Große".
Der Macher: Ob Raab ein Idiot ist, kann ich nicht beurteilen, ich kenn den nicht persönlich. Was ich weiß: Er kann nichts spezielles wirklich, aber er ist das, was man früher einen Impresario nannte. Er versteht es, auf der breiten Unterhaltungsebene musikalische und marktstrategische Dinge zusammenzuführen und hat dadurch Erfolg. Sein System der Vorausscheidung war im übrigen erfrischend abseits der üblichen Bohlen-Superstar-noch-eine-augenverdrehte-Warwick-Avenue-Version-und-ich-kotze-Mache, unverbrauchte Gesichter, Songs u.a. von Regina Spector, auch hier: was will man - eingedenk der Grenzen eines solchen Formats mit seinem massenkompatiblen Ketten - mehr ?
Die Sängerin: Die Kleene hätte selbst dann meinen Respekt, wenn sie 15te geworden wäre. Kinders, die ist 19 und hat vor 140 Millionen leuten gesungen. Macht' mal nen Punkt. Die meisten hier bekämen pubertäre Frühdemenz und nen Herzkasper, mindestens aber völlige unheilbare Selbstüberschätzung und Größenwahn, wenn sie auch nur vor 10.000 Leuten singen müßten. Mit 19 darf man zwar auch nicht alles, aber vieles, dazu gehört u.a. auch englische Aussprache, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Seit wann muss man beim Singen Oxford-Diktion zum Besten geben? Nein, singen kann sie nicht besonders, technisch betrachtet, ich überlege aber grade, wer das von denen kann, die bei mir die CD-Schränke füllen. Der Auftritt selbst war jedenfalls fehlerfrei, auch wenn die netten Backgrounsängerinnen am akustisichen Gesamteindruck ihren nicht unwesentlichen Anteil hatten.
Fazit: Ein leichter Sommerhit, perfekt im Arrangement auf die Möglichkeiten der Sängerin zuschnitten, eine sich darbietende Marketing-Strategie am Schopfe gepackt, und eine Sängerin, die ja offensichtlich mit ihrer Art eine großes Publikum anspricht, weil sie Herz rüberbringt. Man kann trefflich drüber streiten, ob diese unverbraucht-naive Art der Darbietung am Ende dann nicht doch noch perfider ist , als die Songs der großen Gesten, schlittschuhfahrenden Geigern, vollbusigen Gesang-Models oder explodierenden Tänzern, aber wer 'ner 19-jährigen schon abgefeimt-kühle Berechnung bei ihrem Habitus unterstellen will, sollte vielleicht dann dochmal in einem Buch von Onkel Sigmund unter V rumblättern.
Nikki Lauda würde sagen: "Das Gesamtpaket muss stimmen und hier stimmte es", eigentlich für jeden hörbar von Anfang an. Dass die Nummer ein Hit wird, war klar, nur obs defintiv zum ersten reicht, nicht 100%tig.
Was nervt: der Hype, klar. Aber gehts ohne den heutzutage ? Hier fand ich ihn sogar noch in Grenzen charmant. Und wer den eh' nicht ertragen kann, sollte seinen Computer ohnehin ausmachen, erst die moderne Informationsgesellschaft ermöglicht diese Art des Hypes.
Alles in allem ne runde Sache. Cremig. Cremiger jedenfalls als Heulsusen-Horst oder mancher Post hier.
See