Max Sonntag - der Spaß sollte an erster Stelle stehen

  • Den eigenen Charakter finden
    Max Sonntag trommelt u.a. bei Final Virus, einer Band, bei der auch schon Bodo Stricker auf dem Hocker saß, der hier im Forum nicht unbekannt ist. Außerdem ist der Sohn von Peter Sonntag für Piroth-Drums (nichtalltägliche Trommeln, die einer näheren Betrachtung verdienen) tätig und hat weder Kosten noch Mühen gescheut, um für das Interview nach Lübeck zu kommen. So fand dieses als Erstes auf meinem eigenen Küchensofa statt. Danke an Max sowie Martin und Mathias Mersmann, die den Kontakt vermittelten.


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    DF: Seit wann spielst du Schlagzeug und warum dieses Instrument?

    MS: Ich begann mit 9 Jahren Schlagzeug zu spielen. Begeistert hatte mich für das Schlagzeug ein Drummer einer Speedmetall-Band, das muss so um 1997 gewesen sein. Seine Band nahm im Studio meines Vaters auf und er spielte ein richtig großes Set! Zwei Bassdrums und einem Beckenwald, das hat mich damals total beeindruckt. Aber auch seine Spielweise, immer bis an seine Grenzen, faszinierte mich, denn nach jedem aufgenommenen Song kam er völlig fertig in den Regieraum. Diese körperliche Energie, die er ausstrahlte, hat mich nachhaltig beeindruckt.
    Ich hatte das Glück, dass im Studio immer ein Schlagzeug stand und ich teilte Peter, mein Vater, mit, das ich das Lernen wollte. Er unterstützte mich von Anfang an. Eine bessere Ausgangssituation kann ich mir nicht vorstellen.

    DF: Sonst sind Eltern ja eher geneigt zu sagen, Alles, aber kein Drumset...

    MS: Genau! Außerdem hatten wir z.B. tolle Nachbarn, sodass ich zu Hause üben konnte. Zudem hatte ich durch meinen Vater Zugang zu guten Lehrern, wie z.B. Tom Bräutigam, der mit meinem Vater bei Final Virus spielte. Ich bin ihm bis heute dankbar, dass er mein Lehrer gewesen ist! Sowohl musikalisch als auch technisch erweiterte er meinen Horizont enorm.
    Als ich 13 war, stieg Tom bei Final Virus aus und nach einigen Vorspielen diverser Drummer, fragte mich mein Vater, ob ich die Songs spielen kann. Da ich jedes Wochenende da war und auf allen Konzerten dabei sein durfte, kannte ich alle Songs sehr gut. Verrückter Weise war es dann so gut, dass die Band mich als Schlagzeuger haben wollte. Das war der Beginn meiner Karriere bei Final-Virus. Ich durfte dann mit 13 Jahren alle Konzerte spielen und habe Tourneen in den Ferien gehabt. 2004 haben wir dann zusammen mit Bodo Stricker auf der Zappanale gespielt. Ein tolles Festival! Glücklicherweise könnte ich dann nach der Schule direkt als Berufsmusiker arbeiten und wir bekamen einen sehr guten Plattenvertrag. Dieser bescherte uns dann ein Videodreh in Mexiko, wo auch Arnold Schwarzenegger den Film Predator gedreht hat. Darauf hin wurden wir offiziell bei einem Konzert auf der Popcomm von den Veranstaltern des Woodstockfstivals eingeladen, dort zu spielen. 2009 war es dann soweit und das war das größte Konzert , auf dem ich bis heute gespielt habe. Damals war ich bei Box of Trix (Sibi Siebert) und hatte von ihm eine Taye-Drumset und Anatolian-Becken bekommen. Vorher waren es Masterwork und Istanbul. 2012 waren wir dann zusammen in China auf der Musikmesse tätig, bzw eigentlich, seit dem ich denken kann in Frankfurt auch...

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    DF: Wie ging es weiter mit dem Leben als Profidrummer

    MS: Ich habe zwischenzeitlich nach dem Ende der Schule auch andere Wege beschritten, aber das Schlagzeug stand immer im Mittelpunkt. So habe ich z.B. auch als Chemielaborant gearbeitet. Dieser Job hat jedoch so viel Zeit gefressen, dass ich irgendwann Angst hatte, dass meine Kreativität leiden würde, denn zu dieser Zeit war nach Feierabend das Sofa mein bester Freund, denn für alles andere war ich viel zu kaputt!
    2019 erkannte ich, dass Musik der wichtigste Teil in meinem Leben sein sollte. Es war wichtig, dass ich zuvor Abstand zur Musik als Hauptgeldquelle hatte, denn so merkte ich erst, wie wichtig sie für mich ist. Es ist eben ein Unterschied, ob du etwas machst nur des Geldes wegen oder ob auch Leidenschaft im Spiel ist. Insofern sehe ich die Zeit als Chemielaborant nicht als Verschwendung. Ich habe zudem gemerkt, dass ich auch in anderen Bereichen außerhalb der Musik etwas erreichen kann, das hat mein Selbstbewusstsein gestärkt und das wiederum beeinflusste auch mein Schlagzeugspiel.

    DF: Dieses Jahr hat sich ja noch etwas geändert?

    MS: Ja, genau, denn seit ersten April arbeite ich offiziell bei Piroth-Drums https://piroth-drums.com/. Ich bin sehr froh, dass wieder die Musik mit ihrer Wirkung auf mich einen großen Raum in meinem Leben einnimmt und ich nicht etwas aus finanziellen Gründen machen muss. Wichtig ist auch, dass ich zum Beispiel mit Bands wie Final Virus, in denen ich spiele, regelmäßig etwas mache und einen menschlichen Bezug habe. Das stabilisiert auch in sozialer Hinsicht, wie es gerade in den letzten Jahren mit der Pandemie zu merken war.

    DF: Was macht für Dich einen guten Drummer innerhalb einer Band/Projekt aus?

    MS: Da gibt es für mich zwei Faktoren. Erstens: Ein guter Drummer spielt immer für den Song. Alleindarsteller sind nicht gefragt, da stehe ich nicht drauf, denn es geht immer um die Musik. Zweitens: Finde ich aber auch Drummer gut, die den Mumm haben, die Charakterköpfe sind. Damit meine ich, dass sie ihre Ecken und Kanten, die jeder hat, zulassen können. Es geht eben nicht darum, jemanden zu kopieren, sondern seinen eigenen Stil und Ausdrucksweise zu finden. Wenn das dann richtig gut gelingt, dann bin ich in der Lage, nach ein paar Takten raus zuhören, dass z.B. Gavin Harisson am Set sitzt. Die Spieltechnik ist dabei gar nicht so wichtig. Außerdem sollte die Spielfreude rüber kommen. Es geht darum, die Leute mit zu nehmen und dass das Publikum den Spaß am Trommeln spürt.
    Dabei ist auch wichtig, unverkrampft an die Sache ran zu gehen. Das ist der Vorteil, wenn du in jungen Jahren anfängst mit dem Trommeln, dann beschäftigst du dich nicht so sehr, wie und was andere machen, sondern legst einfach los. Natürlich ist es wichtig, sich von anderen Schlagzeuger inspirieren zu lassen, aber, du wirst nie so wie deine Vorbilder spielen, das kann auch frustrierend sein. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass ich so mich selbst beschränke, wenn ich mir zu sehr Gedanken über andere Trommler mache.

    DF: Da kann ein guter Lehrer dir dann auch helfen.

    MS: Ja, unbedingt! Ein guter Lehrer sollte dich weiter bringen, dich selbst zu finden und dein eigenes Spiel zu entdecken und deine Persönlichkeit am Drumset weiter zu entwickeln. Und ganz wichtig ist auch, den Spaß am Spiel nicht aus den Augen zu verlieren, im Gegenteil, der sollte immer im Vordergrund stehen und eben auch im Unterricht vermittelt werden. Dabei ist ein Punkt, dass die Ziele nicht zu hoch angesetzt werden.
    Nichtsdestotrotz muss natürlich erst Mal eine Basis geschaffen werden, auf die dann später aufgebaut werden kann. Das passiert in meinen Augen nur durch das machen, was du willst. Für mich steht deswegen immer das Spielen im Vordergrund. So bezeichne ich meine Zeit alleine im Proberaum auch nicht als 'üben'. Mich hat es weiter gebracht, dass ich eben nicht nach Plan jeden Tag zwei Stunden übe, sondern, nach Lust und Laune etwas mache. Ansonsten hätte ich die Lust verloren und hätte rebelliert.
    Im Idealfall findet jeder heraus, was für ein Lerntyp er ist. Es gibt Kollegen, die gehen sehr systematisch und diszipliniert vor. Sie üben eben erst Mal eine gewisse Zeit Rudiments, bevor sie sich dem Spiel an sich widmen. Das bewundere ich, aber, das war und ist nicht so mein Ding. Als Lehrer muss du das merken und dementsprechend auf die Schüler eingehen.

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    DF: Du unterrichtest Selbst?

    MS: Ja, das mache ich seit über 15 Jahren. Ich habe den Anspruch, zu verstehen, was beim Drummen passiert. Dann kann ich es auch einfach erklären. Es geht auch darum, die Furcht vor dem Instrument zu nehmen, denn viele meinen, dass du mit deinen Körperteilen verschiedene und damit unabhängige Sachen machen musst. Ein einfacher Groove hilft dabei. Die Anfänger merken, dass, wenn ich denn linken Arm oder vielmehr das Handgelenk bewege, ich auch gleichzeitig den rechten Fuß bewegen kann. Damit ist die erste Hürde genommen.
    Ein weiteres Vorurteil ist die Sache mit dem Aggressionsabbau. Sicher sollten Emotionen ins Spiel einfließen, aber das Instrument oder viel mehr die Felle, Stöcke oder Becken mutwillig zu zerstören, ist wohl eher nicht zielführend, da wäre ein Boxsack wohl besser geeignet. Das Schlagzeug ist letztendlich ein Ventil, um dich frei zu machen, indem du dich z.B. zwei Stunden voll auf die Musik konzentrierst und Alles andere dann nicht so wichtig ist.

    DF: Ja, mein Ziel ist, besser gelaunt aus dem Proberaum raus zu gehen als rein gegangen zu sein. Das selbe geht natürlich erst Recht für Auftritte.
    Findest du, dass wir Drummer eher so eine vermittelnde, ausgleichende Rolle einnehmen?

    MS: Das ist irgendwie situationsabhängig. Wenn die anderen Instrumente ihre Soli spielen, sie dabei zu unterstützen. Es macht keinen Sinn, wenn die anderen ihren Streifen spielen, das selbe zu machen. Es geht ja um das Zusammenspielen! Im Idealfall hast du als Drummer soviel Routine, dass du in der Lage bist, dir und der Band beim Spielen zu zuhören. Du nimmst also bewusst war, was gerade passiert.

    DF: Was bevorzugst du, ein enges Korsett an Vorgaben oder eher frei improvisieren ?

    MS: Beides, ich habe Projekte, da spiele ich auf der Bühne zum Klick, weil zu einem gewissen Zeitpunkt Sounds abgespielt werden.. Überhaupt mag ich den Klick. Ich spiele gerne dazu. Manchmal mache ich mir den Spaß und breche mit den Händen bewusst aus, lasse Hihat auf dem Klick laufen, um bei der eins wieder in Time zu sein. Das übe ich gerne und hilft dabei Rhythmen in der Geschwindigkeit korrekt einzuordnen bzw zu eben zu befreien. Der Klick hat einen schlechten Ruf, aber für mich ist er ein gutes Hilfsmittel. Wenn du Mitmusiker hast, die sehr straight und timmingfest spielen, dann macht es zum Klick keinen Unterschied. Wobei, die Mitmusiker können noch justieren, während der Klick gnadenlos ist. Das macht den Unterschied zwischen Musikalität, also das ganze organisch zu gestalten oder sehr straight zu sein, aus.

    DF: Was bedeutet das Internet für dich und wie nimmst du die Veränderungen der letzten Jahre im Musikbusiness wahr?

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    MS: Als ich anfing, war noch Alles doch vor allem handgemacht. Klar, gab es Drummaschinen, aber für die meiste Musik musstest du erst Mal dein Instrument lernen. Ohne Vorbildung ging da nur sehr wenig. Das hat sich radikal geändert, du kannst heute erfolgreich sein, ohne ein guter Musiker zu sein. Der Preis dafür ist, dass die Musik weniger komplex und eher einfacher strukturiert ist. Dem Publikum ist dadurch aber auch die Feinfühligkeit in Richtung Handgemachtes abhanden gekommen. Besonders deutlich ist das beim Formartradio. Viele Leute hören aber diese Sender, das muss ich akzeptieren. Insofern hat es seine Daseinsberechtigung, wenn es die Leute glücklich macht.
    Die Musik läuft mehr im Hintergrund, anstatt wie bei einer Platte oder CD sich bewusst etwas auszusuchen und dann nur Hören ohne etwas anderes dabei zu machen. Auch fehlt zum Beispiel beim Abspielen einer Playlist der ganz haptische Aspekt und sich die Zeit zu nehmen, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Es fehlt die Wertschätzung für die handwerklichen und kreativen Fähigkeiten, die zum Beispiel zum Schaffen eines Albums nötig sind.

    DF: Dein Tipp für Anfänger oder junge Drummer?

    MS: Grundsätzlich steht der Spaß an erster Stelle. Die Frage ist, wie erreiche ich das. Im Idealfall werde ich dabei von einem Lehrer unterstützt, der mir die größten Steine oder Hindernisse aus dem Weg räumt. Es gibt immer Punkte, an denen ich alleine nicht weiter komme. Zu dem hilft ein Lehrer, dass ich mir keine Fehler antrainiere, die später nur schwer zu korrigieren sind.
    Zudem sollte man nicht nur die Hausaufgaben üben, sondern das neu beigebrachte in sein Spiel mit einbringen, damit die Freude erhalten bleibt.


    Vielen Dank an Felix Alexander Müller, der ein Teil der Fotos machte.


    Weitere Infos: https://www.youtube.com/channel/UCVf4CdcblF0nigy0SIBb9wg

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