Ich versuche mal, meine Gedanken aufzuschreiben und hoffe, dass es kein Roman wird...Zitate spare ich mir.
Über den Kunstbegriff diskutieren wir ja schon ansatzweise im Moises-Thread. Ich finde, man kann nicht klar abgrenzen, wo Handwerk aufhört und Kunst beginnt. Man spricht ja auch vom "Kunsthandwerk". Gibt es überhaupt Handwerker, die nur für die "Stange" produzieren, ohne jede eigene Handschrift und Individualität? Ein Fliesenleger fliest so gut wie nie dasselbe Bad, ein Goldschmied schmiedet wohl nie mehr als zwei identische Eheringe (nicht mal die sind gleich groß), Ein Zimmermann errichtet niemals zwei gleiche Dachstühle...mag der Vergleich hinken, ich glaube ihr versteht. Letztendlich fließt vor der eigentlichen Handwerksleistung auch Beratung durch Erfahrung der Ausübenden mit ein.
Nun ist es doch bei der Musik auch so, dass jede Neu-Interpretation anders ist. Selbst die Urheber legen ihre Werke manchmal neu auf, oder spielen/präsentieren sie live etwas anders, weil ihnen vielleicht erst im Laufe der Zeit Dinge klar werden oder einfallen, die sie lieber so und so gemacht hätten. Ich kenne das von meinen eigenen Stücken. Und mir geht es oft so auf Parties (nicht selten auch unter Alkoholeinfluss
), dass ein bestimmter Song läuft und ich denke "da, jetzt müsste der Fill kommen" - aus meiner Sicht als Drummer - "warum haben sie das nicht so und so gemacht?!"
Ich möchte auch (die meisten) Coverbands nicht verumglimpfen, weil sie "nur nachspielen". Wenn der Vibe des Originals gut getroffen wird, dann ist das super. Wenn nicht, dann sollte rüberkommen, warum etwas (bewusst) anders gespielt wird - dass die "Künstler" den Song verstanden bzw. sich Gedanken darüber gemacht haben. Ein Beispiel dazu ist "Bed of Roses" von Bon Jovi, das ich mal von einer Coverband mit durchaus fähigem Drummer gehört habe. Er hat aber halt einfach einen 6/8 Beat dazu gespielt und entsprechende Fills. Der Rest der Band hatte sich auch ziemlich ans Original gehalten. Aber wenn man den Song so "original" spielt, dann braucht er auch das schwerfällige Feeling von Tico Torres. Da reicht es m. M. n. nicht, wenn Hauptsache die Melodie erklingt, auch wenn es 80% im Publikum nicht merken (ein gutes Beispiel dazu die für mich unsägliche "Hochzeitsmusik" aus Gitarre und Gesang, ohne songprägende Elemente...).
Also daher: Wenn da wie oben verlinkt einer "nur" Whole lotta Rosie "genau wie Phil Rudd" spielt, dann ist es doch seine eigene Interpretation, denn der banalste 8el Beat klingt doch bei jedem anders. Und wenn es am Ende nur die Videoschnitte sind und weniger das Gespielte, hat sich der Verfasser doch irgendwelche Gedanken gemacht.
Darum geht es mir bei meinen Covers. Ich habe erst eine Handvoll gemacht, weil ich erst damit angefangen habe, seit es keine Auftritte mehr gibt. Ich dachte, das wäre eine Möglichkeit den Leuten um mich herum ein bisschen was zu geben und vor allem ist es für einen selber eine Herausforderung und interessant zu sehen, wie das dann ankommt. Die viel schmerzlichere Erkenntnis sind bei mir aber weniger die Dislikes - sondern die Zuschauerbindung. Dislikes habe ich bisher keine. Liegt aber wohl daran, dass ich noch keine 100 Views pro Video habe und die Videos vor allem in meinem Dunstkreis angesehen werden, also Leute, die prinzipiell gut finden, was ich mache und mir mindestens kein Dislike geben. Aber es zeigt sich eben, dass 80% nach spätestens 1 Minute weg klicken. Das war mir natürlich von vorneherein klar, denn wir leben in einer kurzlebigen Zeit von Snapchat, TikTok, Twitter..., in der ein Durchschnittsbürger sich nicht sehr lange auf etwas einlässt. Es hat ja wohl auch einen Grund, dass Instagram-Stories maximal 15 Sekunden gehen.
Auch sollte man sich fragen, warum ein Nicht-Drummer einem Drummer 5 Minuten beim Spielen zuschauen sollte, wenn da nicht noch mehr passiert als Schlagzeugspielen. Ein Showman bin ich nicht, Grimassenschneiden auf Kommando ist auch nicht mein Ding. Schließlich schauen zu 80% Menschen zu, für die die Hochzeit gerettet ist, wenn einer Halleluja mit Strumming-Gitarre spielt.
Die schalten dann spätestens weg, wenn nach 4 Takten Bum-Tschak nicht gleich was passiert.
Btw, kennt ihr Domino Sanantonio?? Die ist durch 15sekündige Cover-Snippets innerhalb des letzten Jahres auf TikTok bekannt geworden und hat mittlerweile einige Endorsements! Covert so gut wie nichts 1:1, hat aber definitiv ihren Stil und nicht zuletzt durch ihre Ausstrahlung ihren Erfolg.
Aus diesem Grund habe ich mir zum Konzept gemacht, meine Gedanken zum gecoverten Song irgendwie in das Video zu bringen (Bilder von verschneiten Wäldern oder an Fasnacht zuletzt einen "Ugly Christmas Anzug"). Hilft aber auch nur bedingt. 
Beim Covern selber vertrete ich zu 90% schon den Ansatz, originalgetreu "note by note" zu spielen bzw. bei Fills, die nicht songprägend sind, wenigstens im Stil zu bleiben. Wenn ich an der ein oder anderen Stelle aber eine gute Idee habe, bringe ich die trotzdem rein. Solange das ganze songdienlich ist, sehe ich kein Problem. Bei der Songauswahl bediene ich mich an einer Mischung aus dem, was wahrscheinlich gut ankommt und was mir gefällt bzw. was thematisch gerade gut reinpasst oder mich gerade bewegt. Es ist mir dabei auch relativ egal, wie gut ich etwas spiele, wenn das Endergebnis für mich stimmt. Und dann kann auch jemand sagen, das gefällt mir nicht. An sowas wie Rosanna würde ich mich aber (momentan) nicht rantrauen, weil ich es spielerisch im Ansatz nicht hinbekomme und auch keine Idee hätte, das irgendwie zu kompensieren.
Für mich ist es einfach wichtig, dass man sich bei der ganzen Sache irgendwas gedacht hat und nicht einfach einen Übe-Jam mitgeschnitten hat, so wie der Kollege hier. Da gebe ich dann schon mal ein Dislike. Ich hoffe jetzt mal, dass das nicht jemand von euch ist.
Falls doch, wisst ihr jetzt, warum 
Bon Jovi These Days Drum Cover - YouTube