Tibet
Über den völkerrechtliche Status Tibets gibt es einigermaßen einen Konsens: Tibet gehört zu China. Ein selbständiges Tibet fordern nur wenige Tibeter, der Dalai Lama inzwischen auch nicht mehr. Die Autonomierechte innerhalb Chinas - so wie sie ca. 200 Jahre bis zur gewaltsamen Annexion durch die Chinesen 1950 galten - werden von den Tibetern eingefordert und dabei werden sie von sehr vielen Staaten unterstützt.
Es wundert nicht, daß nach Jahren vergleichsweiser Ruhe ausgerechnet im Jahr der Olympischen Spiele gewaltsame Unruhen ausbrechen. Zu keinem anderen Zeitpunkt wäre die öffentliche Wirkung größer gewesen. Aus Sicht der Aufständischen war dies der „richtige“ Zeitpunkt. Die Reaktion Chinas war vorhersehbar. Das Echo im Rest der Welt ebenfalls. Ob sich hierdurch was ändert, kann ich im Moment nicht abschätzen (Wer kann das schon?). Ich vermute, es ändert sich nichts.
Das IOC
Die Vergabe der Olympischen Spiele nach China war nach meiner Auffassung ein Fehler. Das IOC stellt sich jetzt hin und sagt sinngemäß: Es geht bei Olympia um Sport, nicht um Politik. Diese Probleme müssen die Regierungen lösen. Ich will nicht hoffen, daß das IOC so naiv ist, daß es seine Äußerungen selbst glaubt. Das Problem ist, daß die Entscheidung, wo Olympische Spiele stattfinden, natürliche eine höchst politische ist. Und diese Entscheidung wird von einem Gremium getroffen, daß nach irgendwelchen Kriterien zusammengesetzt ist, die alles mögliche sind nur nicht nachvollziehbar, geschweige denn demokratisch legitimiert. Die Entscheidung selbst wird durch alle möglichen Interessen beeinflußt, wobei persönliche Interessen der Entscheidungsträger (Bestechung, Vorteilsnahme etcpp ist nachweislich eher die Regel als die Ausnahme) und wirtschaftliche Interessen von Sponsoren garantiert nicht die geringsten sind. Das ist aber beileibe kein Einzelfall und gilt beispielsweise für die FIFA (aktuell der Prozeß um Schmiergelder und Konkurs der ISL /ISMM) und andere Verbände wie IAAF ebenso.
Die Politik und die Wirtschaft
Die Aufregung ist groß und die Geschichte lehrt uns, daß es bei der Aufregung bleiben wird. Gegen die Spiele 1936 in Berlin, die WM 1978 in Argentinien gab’s auch Proteste, Boykotte gab’s 80 und 84. Was ist passiert? Egal ob Boykott oder nicht, im Großen und Ganzen nichts. Warum eigentlich? Meiner Meinung nach, weil man nirgendwo gefahrloser das Maul aufreißen kann, ohne spürbare Konsequenzen erleiden zu müssen. Protest light sozusagen. Alle Staatsoberhäupter der Welt können prima dagegen sein und China kritisieren. Die Chinesen wissen, daß das genau so eine PR-Show ist, wie die, die sie im August veranstalten werden. Wenn jemandem daran gelegen ist, daß was passiert, muß er wirksame Mittel wählen. Und da sind es in erster Linie die wirtschaftlichen Beziehungen die zur Diskussion stehen. Hat irgendein einflußreicher Politiker diese Thema ernsthaft angefaßt? Das wird nicht passieren, weil dies neben den Auswirkungen auf China auch welche für die eigene Volkswirtschaft hätte. Und gerade Deutschland als – ich kann’s nicht mehr hören –Exportweltmeister wir einen Teufel tun, hier etwas zu ändern. An dieser Stelle wird üblicherweise das Argument eingeführt, daß eine Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen eine Verbesserung demokratischer Strukturen und der Menschenrechtssituation nach sich zöge. Üblicherweise nicken dann alle und es geht weiter im Tagesgeschäft. Würde an dieser Stelle das Denken einsetzen, käme man schnell zum Schluß, daß es nicht stimmt. Die Öffnung Chinas beispielsweise wurde unter Deng Xiaoping (Schreibweise ähnlich) begonnen. Das war Mitte der Achtziger. Hat sich die Menschenrechtssituation seither wesentlich geändert? Vom Tiananmen-Massaker bis zu den Unruhen heute sind’s fast 20 Jahre… Man muß erwarten, daß sich in gewissen Zeiträumen Dinge verändern. Passiert das nicht, sollte man ernsthaft über die eigene Strategie und auch Ziele nachdenken. Offensichtlich geht es aber gar nicht darum. Das Ziel ist es offenbar, die wirtschaftlichen Beziehungen weiter auszubauen – Menschenrechte, Umweltauswirkungen hin oder her. Dies gilt natürlichnicht nur im Verhältnis zu China, sondern auchzu anderen Staaten, insbesondere gegenüber Rußland (Schröders Verhalten gegenüber Rußland und China war beschämend für jeden Demokraten –aber er steht da nicht alleine).
Das DF & ich
Ich will hier nicht nur Politikerschelte betreiben, denn es betrifft auch Dich und mich. Es ist einfach hier die Fackel der Menschenwürde hoch zu halten und einen netten Beitrag im DF zu verfassen. Das einzige was zählt, ist die Tat. Und auch hier kann man selbstverständlich was tun. Ihr wißt, worauf ich raus will. Genau, wenn wir Waren kaufen, die unter nicht zumutbaren Umständen produziert werden, stabilisieren wir dieselben. Ich höre schon die „Steinigt ihn!“-Rufe. Das ist ein heikles Thema und gewiß kein einfaches. Doch von anderen zu fordern, wozu man selbst nicht bereit ist, ist Heuchelei. Und ja, ein einzelner kann die Welt nicht verändern. Aber wer soll’s denn tun? Der andere? Immer der andere? Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich bin kein Heiliger und ich genüge meinen eigenen Ansprüchen bei weitem nicht immer. Aber ich arbeite dran.
fwdrums