Nun von mir auch mal etwas Ausführlicheres zum Thema.
Vorneweg: Ich bin sehr zufrieden mit meiner Wahl, Musiker zu werden. Wie bei vielen anderen auch hatte ich zuvor auch Bedenken und Zweifel, ob ich überhaupt das Zeug dazu habe und ob ich mich mit der Entscheidung nicht letztlich meinem Hobby versklave. Doch die Rechnung ging auf und ich könnte mir nichts anderes mehr als Beruf vorstellen.
Ich bin sicher kein großer Fisch im Musikbusiness und mir würde es davor grauen, eine Soloperformance auf der Musikmesse spielen zu müssen. Meine Fähigkeiten am Instrument würde ich als "solide" einstufen - nicht mehr und nicht weniger.
Meine Brötchen verdiene ich mit einer Basis aus Unterricht (derzeit 3 Nachmittage mit insgesamt etwa 25 Schülern), Auftritten und verschiedenen Projekten, in denen ich nicht unbedingt als aktiver Musiker beteiligt bin (aber dafür z.B. als musikalischer Leiter). Zu solchen Projekten bedarf es eigene Kreativität und Kontaktfreudigkeit. Man muss sich als Musiker einen Teil des Betätigungsfeldes selbst schaffen und gucken, wo z.B. Gelder für welche Projekte verfügbar sind. Im Sektor Jugendförderung geht da z.B. einiges. Natürlich muss auch der Bedarf daran bestehen.
So habe ich eine für mich gesunde Mischung aus festem Einkommen (Schüler) und beruflicher/ künstlerischer Freiheit gefunden, wobei ich versuche Dienstleistung und Kunst nicht getrennt zu betrachten. (Ok, manchmal ist es schwer einem "Song wie Marmor, Stein und Eisen bricht" die Kunst einzuhauchen, doch das kommt bei mir auch nur extrem selten vor.) Im Unterricht könnte ich keine Musik vermitteln, wenn ich nicht selber auch Musik aktiv spielen würde, denn der Unterricht kann sich nicht selbst befruchten. Der Unterricht kann mich aber dazu beflügeln, neue Projekte ins Leben zu rufen, wenn ich z.B. nachforsche, wie sich meine Schüler eine musikalische Umgebung in ihrer Stadt vorstellen. Als Lehrer sitzt man da direkt an der Quelle.
Zum Finanziellen sei gesagt, dass ich gut über die Runden komme. Eine Familie zu ernähren fiele mir zwar gerade schwer, doch auch das ist zu bewerkstelligen, wenn man bedenkt, dass man ja nicht alles Geld alleine erwirtschaften muss. Außerdem kenne ich einige Musikerehepaare, bei denen es tadellos funktioniert. Ansonsten achte ich darauf, die monatlichen Fixkosten gering zu halten (ich brauche kein teures Auto, wohne etwas außerhalb der Stadt...) und kann mir so den Luxus leisten, auch mal in den Urlaub zu fahren, gutes Essen zu kochen, lecker Wein zu trinken etc. (In Maßen natürlich.)
Ab und zu rutscht mein Kontostand natürlich auch mal gefährlich in Richtung Dispogrenze, und ein dickes Sparguthaben kann ich auch nicht vorweisen. Was ich mache, wenn ich keinen Stock mehr halten kann, weiß ich auch noch nicht - beruhige mich aber damit, dass heute sowieso kaum jemand weiß, wie er als Rentner dastehen wird...
Natürlich tauchen immer wieder mal Zweifel auf. Vor allem, ob ich hier, in der Provinz, dauerhaft als Musiker glücklich bleiben kann. Da schiele ich dann schon gelegentlich etwas neidisch auf die Vita einiger meiner Studienkollegen und frage mich, was ich nun wohl machen würde, wenn ich z.B. in Amsterdam geblieben wäre. Doch letztlich habe ich hier ein für mich gutes Umfeld gefunden: Ein gesundes soziales Netz, immer wieder neue und interessante Betätigungsfelder, eine Stadt, die viel Lebenskomfort bietet und ein Einkommen, mit dem ich nicht darauf angewiesen bin, auf jeder Hochzeit spielen zu müssen.
Ich habe Spaß!
Beste Grüße
Sven