Drumbestseller kritisch beleuchtet! Tamburo Studio Set (20” 10“, 12,“ 14”+ snare und Hardware)
Der Firma Tamburo stand ich jahrelang sehr interessiert und aufgeschlossen gegenüber. Mehrere Drumkollegen hatten mir von ihren Studio-Sets berichtet und auf den ersten Blick wirkte das Preisleistungsverhältnis nicht übel.
In Anbetracht der Fülle der Hardwaremängel erlaube ich mir zum Start auf etwas Positives aufmerksam zu machen: Die Drumkessel des Tamburo Studio sind gut verarbeitet. Dies bezieht sich insbesondere auf die Gratungen, und die Verarbeitung der Holzlagen. Allerdings ist bei der Selektion der Kessel in Bezug auf ihren (Natur-)Farbton dem Werk ein Fehler unterlaufen. Ein Tom ist deutlich dunkler und passt nüchtern betrachtet optisch nicht zum Set. In dieser Deutlichkeit würde man das als Endkunde sicher nicht akzeptieren.
Zur Hardware, die dem Tamburo Studio beiliegt: Diese kennt mancher Drummer von Stagg. Faktisch ist der Hersteller Pao Chia. Das fiel mir vor Jahren bei einem Messebesuch auf… umgangssprachlich bin ich da oftmals etwas ungenau und sage „Stagg“. In diesem Bericht habe ich das vermieden und beziehe mich ausdrücklich nur auf die Tamburo Hardware (u.a. 500’er Kick-Pedal, 1000’er Stands) - auch wenn sie faktisch von Pao Chia gefertigt wurde.
Mängel am werksneuen Set:
1.) Die Hihat ist schlichtweg katastrophal und trotz nettem Fußplatten-Design mit das Schlimmste, was ich jemals als Hihat treten durfte:
a.) Die Hihat-Feder ist viel zu schwach, völlig egal welche Feder-Spannung man einstellt. Folge: Man stellt zunächst für sich die richtige Distanz des Topbeckens zum Bottom Becken ein… zieht die Schraube fest, und plötzlich rutscht das Topbecken samt Mittelstange zentimeterweise! nach unten. Offensichtliche Potenzprobleme! Ganz übel! Die Folge: Man muß diesen „Versatz“ beim Fixieren des Topbeckens immer mental mitberechnen! Dieser Effekt wurde mir interessanterweise auch von einigen Kollegen bei deren Tamburo-Sets bestätigt. Dies ist die Hauptursache (neben den anderen Mängeln…) für ein sehr nerviges, streng betrachtet untaugliches Alltags-Handling dieser Maschine.
b.) Die Nieten sind von unzureichender Qualität – die Doppel-Streben haben viel „Spiel“ und „schlackern“.
c.) Kleines skurriles Detail am Rande: Die Hihat-Unterlegscheibe war total verbogen, das Bottom konnte nicht wirklich gerade bzw. plan (auf)liegen. Da die Verbiegung wirklich extrem war, habe ich sie durch eine andere ersetzt. Die Maschine wäre aber auch aufgrund der sehr kurzen Mittelstange (deutlich kürzer als bei vielen Mitbewerbern) für manche Drummer ungeeignet.
Zur Hihat und einem weiteren Defekt der nach wenigen Wochen Nutzung auftrat, später mehr…
2.) Das Snareschlagfell hatte direkt ab Werk eine stark deformierte Folie – faktisch nicht wirklich korrekt zu stimmen, da man versuchen muß, das Snarefell durch eine „asymmetrische“ Spannung in Form zu bringen bzw. diese Deformationen auszugleichen.
3.) Bassdrum-Resofell war „aus dem Karton“ total deformiert in Bezug auf die Folienoberfläche. Um die „Wellen“ „rauszubekommen“ muß man das Fell so hoch stimmen, dass die Bassdrum nicht mehr tief resonieren und mit montiertem Resofell nicht korrekt gestimmt werden kann. Der Fairness halber: Diese deformierten Resofelle treten auch bei Basix und manchem anderen Anbieter ab und zu auf. Schade!
4.) Der Cymbalstand ist aufgrund seiner geringen Materialstärke bzw. des niedrigen Eigengewichts in Kombination mit dem unzureichend engineerten „Schwerpunkt“ nur unter großer Mühe und mehreren zeitraubenden! Ausrichtungsversuchen durch den Drummer in der Lage, das 14“ Tom zu halten. Ein extra Heavy-Ride hilft etwas. Ein Light Ride wird zum Risiko. Deutliche Umkipp-Gefahr! Da sollte man höllisch aufpassen. Auch er wies direkt wie bei der Hihat die unzureichende Nieten-Qualität und somit nicht wirklich stabile Doppelstreben auf.
5.) Der Snaredrumständer war zunächst kaum in der Höhe zu verstellen. Entweder die Flügelschraube wird vom Drummer zu leicht angezogen, dann rutscht die Snare durch ihr Eigengewicht samt dem Mittelrohr nach unten -bleibt also nicht in Position…
oder man dreht sie fester an… mit der Folge, dass das Mittelrohr kaum noch aus dem Basisteil zu bekommen ist. Also, wenn eine andere Höhe eingestellt werden soll, feststeckt. Dies hat in logischer Konsequenz dazu geführt, dass das 10“-Tom mehrere Dellen abbekommen hat, da mir oder Drumschülern immer wieder beim Justieren der Snarehöhe nur unter enormer Zugkrafteinwirkung gelungen ist, dass Mittelrohr raus zu bekommen – und so tat der Schwung sein übriges. Krafttraining der besonderen Art…
6.) Die Fußmaschine ist in Bezug auf die Fußauflage eine Fehlkonstruktion. Ich glaube Drummerin MR hatte schon mal ein Tamburo-Pedal aufwendig getestet und festgehalten, dass beim Fersenteil „etwas“ unergonomisch übersteht, wenn man das Pedal runtertritt. Schwer in Worten zu beschreiben – und in Anbetracht der offensichtlichen Mängel an dieser Stelle auch Zeitverschwendung. So viele Zeilen ist das Pedal nicht wert. Fakt ist: so wie sie konstruiert ist, fühlt sich der Fuß sehr unwohl. Kenne ich in dieser Form auch nicht. Auch Schülern fiel das im Unterschied zu anderen Pedalen oftmals sehr schnell auf. O-Ton: „Fühlt sich komisch an“ oder „Ist das Pedal verbogen?“. Ihre Laufeigenschaften wären prinzipiell gar nicht so schlecht gewesen – wenn man die dafür passend geformten Füße gleich „mitoperiert bekommt“. Bei der Hihatmaschine ist es konstruktionsbedingt zwar ähnlich, aber beim Spiel kurioserweise nicht weiter störend.
7.) Der Tomhalter beim 14“ Tom ist von Beginn an höchst problematisch gewesen. Das 14“ Tom bleibt nicht korrekt in Position. Der Tomhalter, der bei oberflächlichem Blick wie ein Yamaha-Clone wirkt, ist nur unter härtestem Festdrehen der Flügelschraube in der Lage, diese Position zu halten. Nach ein paar Tagen Drumming ist das Tom nachweislich wieder 2-3 Millimeter im Winkel „abgesackt“. Seltsam!

Einzelne der oben genannten Ausfälle und einige der weiter unten aufgeführten wurden mir auch von mehreren Kollegen bestätigt. Auch die Gefahr des Abbrechens des Tomhalters beim 14" Tom. Ganz wichtig: Die seit Jahrzehnten toll funktionierenden Yamaha-Tomhalter sind von Tamburo (Pao Chia) scheinbar leider nur in unzureichender Materialqualität und mangelhafter Funktionalität nachgeahmt. Man sollte sich von der oberflächlichen optischen Ähnlichkeit zu Yamaha-Produkten und deren Hardware nicht täuschen lassen!
Weitere teilweise gravierende Mängel sind bereits nach wenigen Wochen Nutzung aufgetreten:
8.) Tomhalter rausgebrochen (siehe Bild)

Es gab Nachts einen sehr lauten Schlag und statt der Konfrontation mit Einbrechern, fand ich das 14" Tom auf dem Boden... und das abgebrochene Metallstück noch im Tomböckchen.
9.) Hihatmaschinen-Basis-Teil nicht mehr fixierbar. Schraube greift nicht, offenbar Gewinde ausgefranst… somit rutscht Fußplatte nach links und rechts beim Drumming. Und das, obwohl die Pedal-Position nachweislich aufgrund anderen Aufbaus im Keller nur 3-mal verändert wurde.
10.) Nach 2 Wochen Nutzung liegt ein kleiner Metallstift neben der Fußmaschine. Der gehört eigentlich unter die Kette, dort wo sie zum Fußpedal übergeht. Wie dieser Stift sich bei
normaler Nutzung lösen kann… geschweige denn, unter der Kette rausrutschen kann, ist mir in Sachen praktischer Physik unerklärlich. Aber genau so war es. Das Pedal ist trotzdem noch einsetzbar – aber einen Sinn wird der Stift gehabt haben. Kurios!
11.) Bassdrum-Spurs sind faktisch nicht von Gummi auf Metallspitze einstellbar. Einer der größten Hardware-Fauxpas’, dem ich je „teilhaftig“ werden durfte 
Theoretisch sind die Tamburo Studio-Set Spurs (auch die mehrerer Ash-Sets, die ich sah) von Gummi auf Metalldorn umstellbar. Die Pointe ist aber, daß jenes entscheidende Gummi-Endstück offensichtlich falsch designed bzw. falsch „bemessen“ wurde. Sowohl in Bezug auf seine Dicke, seine Materialqualität als auch die Anzahl der Gewindegänge. Dreht man nämlich das Gummiteil so in das Gewinde, daß es richtig sitzt (und kontert mit der Kontermutter), dann dringt nach ein paar Tagen der Dorn durch das Gummiteil. Man merkt das nicht gleich… mir wurden dadurch mehrere Fliesen im Proberaum beschädigt. Eine ganz üble Sache, die mich bis heute verärgert. Wenn man stattdessen versucht, das Gummi-Stück weiter rauszudrehen (Richtung Boden), eben damit der Dorn den Boden nicht erreicht oder verkratzen kann, dann ist das Gummi nicht mehr mit ausreichend vielen Gewindegängen in den Bassdrum-Spurs verankert. Es schaukelt herum oder fällt ab! Kein Witz. Dies muß nicht alle Studio-Sets betreffen (entzieht sich meiner Kenntnis), aber mehrere Kollegen bestätigten mir diesen unfreiwilligen Effekt.
Nochmals um es klar zu machen: Dies ist einer der kühnsten, unintelligentesten und FOLGENSCHWERSTEN („Sachbeschädigung der Wohnumgebung“) Schildbürgerstreiche, den unzureichend qualifizierte Engineering-Büros uns Drummern je gespielt haben. Bei einem Schüler hat es beim kurzen Abstellen den Holzboden aufgeschlitzt und bei mir (im guten Glauben, daß die Gummieinstellung wirklich Gummi bedeutet) eben mehrere Fliesen verkratzt….
Fazit: Ich muß gestehen, dass ich bislang noch nie eine so hohe Fehlerquote bei einem einzigen Set erlebt habe. Vielleicht erinnert sich jemand an meinen offenen Brief an Basix vor wenigen Jahren. Damals war es so, dass bei manchen neuen Sets 1-2 Mängel vorlagen. Aber oben genannte Mängel des Tamburo-Kits beziehen sich alle auf das EINE SET, das bei mir im Keller stand. In 27 Jahren Trommelei ist mir eine derartige mangelhafte Hardware noch nicht untergekommen. Und um ganz sicherzugehen: Ich habe einige weitere Detailmängel (ja, es gibt tatsächlich noch 4-5 mehr) aus Zeitgründen nicht mehr gelistet.
Zum Klang:
Das Tamburo Set (laut Herstellerangaben ein Mix aus Birke und Maple) klingt recht knackig und druckvoll und hat auch eine gewisse angenehme Wärme/Klanggüte, insbesondere in Bezug auf den Sound der Toms. Die Bassdrum klingt irgendwie etwas „komprimiert“ – aber durchaus gleichwertig mit den Mitbewerbern ähnlicher Preisklasse. Im Rahmen dessen, was bei 20“ möglich ist, produziert sie ordentliche Bässe (das Problem mit dem defekten Resofell mal ausgeklammert - bzw. selbiges abmontiert). Ein gewaltiges Tiefbass-Fundament ist bei 20“ prinzip-bedingt unrealistisch – wer das sucht, hätte das falsche Set bzw. die falsche Kesselkonfiguration gekauft. Die Snare-Drum gefiel mir soundtechnisch nicht sonderlich und fiel deutlich hörbar hinter die Klangqualität von Bass und Toms zurück. Sie klang etwas matt & muffig und auch die Teppichansprache sowie der Teppichsound klangen recht verwaschen. Dies mag u.a. an dem defekten Schlagfell und/oder der Teppichqualität gelegen haben. Das habe ich nicht ausgetauscht und kann dies somit nicht zweifelsfrei belegen. In Sachen Sound steht das Tamburo Studio aber hörbar über Pappelsets wie EX oder ELX etc. die kurzzeitig parallel im Proberaum waren und oftmals in ähnlichen Preisregionen, was UVP betrifft, zu finden waren.
Streng genommen muß man als Endkunde aber berücksichtigen, dass es bei EX (oder ELX) sehr häufig! überraschend niedrige Ausverkaufspreise zwischen 599.- und 666.- Euro EX und 777.- - 888.- Euro beim ELX gibt, während bei Tamburo hingegen die UVP´s deutschlandweit so gut wie nie unterboten werden. Da muß jeder für sich abwägen ob er die Referenzhardware in dieser Preisregion von Pearl schätzt oder etwas mehr zahlt und das bessere Klangpotential der Tamburo-Kessel nutzt, aber völlig untaugliche Hardware und nicht unerhebliche Folgekosten in Kauf nimmt.
Nicht verschwiegen werden sollte auch, dass Tamburo leider (oder vielleicht aufgrund der Hardwarequalität auch besser so) nur einen Beckenstand mitliefert. Insofern fängt man sich mit dem beiliegenden, abgespeckten Hardwaresatz sowieso automatisch Folgekosten ein, die Pearl oder andere Mitbewerber im Hardware-Vergleich nochmals besser dastehen lassen.
Noch ein ganz kurzer oberflächlicher, unfairer! Vergleich mit dem Tama Starclassic Performer (reine Birke-Version, die seinerzeit auch im Proberaum war): Das Tama spielt finanziell in einer ganz anderen Liga – und gerade Rookies fragen sich oft, ob man den Mehrpreis hört. Das Starclassic Performer ist deutlich druckvoller und reicht in Sachen Tiefbass bei den Toms noch ein Stückchen weiter runter… wenn man es mag, Toms sehr tief zu stimmen. Das Starclassic Performer klingt im direkten Vergleich deutlich voller und harmonischer – wertiger oder Hifi-artiger. Ein Bassdrum-Vergleich verbot sich, da die 20“ Tamburo Bass gegenüber der überragenden Performer 22“ ins Hintertreffen kommen muß. Schon bedingt durch den Durchmesser.
Mein Tip: Aufgrund des recht guten Kesselklangpotentials (Snaredrum ausgeklammert, da bin ich noch unsicher, siehe oben) würde ich konstruktiverweise jedem Drummer empfehlen: wenn es unbedingt das Tamburo-Studio sein soll, sich vom Händler diese mangelhafte Hardware „rausrechnen“ zu lassen. Auch die mangelhaften Tomhalter nicht erwerben! Also nur das Shell-Kit kaufen. Die mangelhafte Hardware soll der Händler dem Vertrieb zurückgeben und jene Engineering-Streiche in China überdenken lassen. Da gibt es nachweislich auch überragende, hoch-talentierte Ingenieure, die fachlich sehr viel draufhaben. Prinzipiell sollte man jetzt aber in JEDEM FALLE die kommende Musikmesse abwarten... da sind gerade in dieser Preisklasse heiße Teile der Mitbewerber zu erwarten.
P.S: ich habe unzählige Photos aller beschriebenen Verluste... aus Zeitgründen kann ich die hier nicht posten. Der Thread war ohnehin schon zu arbeitsintensiv. Auf Nachfrage kann ich aber alles detailliert belegen.
edits: Farbe hilft zu strukturieren, Rechtschreibfehler offenbaren Bildungslücken