Hallo,
ich habe damit gerechnet.
Als ich die 80-Jahre-Sache im Fernsehen ausschnittsweise nachgesehen habe,
war mir klar, dass der Zenit vorüber ist und der Mann sich mit einer Tournee
doch ordentlich etwas vorgenommen hat.
Das musikalische Werk ist handwerklich fundiert, die Melodien gefällig und ganz
offensichtlich massenkompatibel, auch wenn sie gelegentlich ein bisschen, aber
eben nur ein kleines bisschen mutig waren.
Auch die Texte, welche ja regelmäßig nicht vom Komponisten stammten, changierten
zwischen einer konservativen Gemütlichkeit, die nirgends aneckt, aber dann eben doch
immer wieder mal einem zarten kritischen Wort. Somit war er für einen Schlagerfuzzi zu
gut und für einen Revoluzzer zu brav.
Aus Sicht eines Trommlerforums fällt mir auf, dass er stets die gleiche Kapelle dabei hatte,
und somit für einigermaßen gesicherte Verhältnisse sorgte. Ich hoffe, dass die naheliegenden
Ausfälle (im Showgeschäft heißt no show nicht etwa Lohnfortzahlung, sondern eben null Knete).
Aus Sicht der Familie stelle ich schon fest, dass das Privatleben offenbar nicht vom schönen
Schein geprägt war, da war dann noch der meiste Rock 'n' Roll, mit Charme lagen die Groupies
Schlange.
Zweifelsfrei werden diverse Ohrwürmer weiter zelebriert werden, leider oft von Leuten, die
es noch abwaschbarer machen, als der stets korrekt gekleidete Neffe unseres ehemaligen
Frankfurter Bürgermeisters.
Das war natürlich weit vor meiner Zeit, aber in meiner Zeit gab es tatsächlich das "ehrenwerte
Haus", eine durchaus in der Zeit ungewöhnliche Boogie-Woogie-Nummer mit einem Text von
Michael Kunze. Wenn die Texte hier und woanders immer wieder so sehr gelobt werden, dann
darf man ja mal erwähnen, wer diese geschrieben hat.
Ansonsten habe ich gestern im Bayerischen Rundfunk eine Sendung gehört, die vor fachlich
miserabler Lobhudelei unerträglich war. Da erzählte ungestraft jemand vom durchsichtigen
Steinway-Flügel, dabei weiß natürlich jeder, dass Steinway so ein Show-Ding nicht baut.
Von daher ist es hier verhältnismäßig erfrischend,
die besseren Beiträge gab es dann aber doch wieder im Deutschlandfunk.
Udo Jürgens war zweifelsfrei ein erfolgreicher und beliebter Unterhaltungskünstler, mit
dessem Werk der ein oder andere (wohl fast jeder) etwas verbindet, auch wenn man selbst
oft gar nicht so genau weiß, was es tatsächlich ist. Ich als missratenes Kind der Schlagerzeit
bin tatsächlich noch am ehesten über das "Ehrenwerte Haus" gestolpert, vielleicht, weil es
wenigstens so ein bisschen anders war.
"Aber bitte mit Sahne", "Mercie, Cherie" und "Griechischer Wein" eignen sich dagegen für
Werbung und Ballermann gleichermaßen, das gilt dann auch für "Ich war noch niemals in
New York", das auf jeder Party für Stimmung sorgen kann, wenn sie gesittet genug ist.
"Buenos Dias Argentina" (im oben genannter Radiosendung übrigens "Buenos Aires" bezeichnet)
war ein echter Coup. Fußbal ist unser Leben, wer da einen Fuß hinein bekommt, der hat
ausgesorgt. Kritik in homöopatischen Dosen, die keinem weh tut, so wird man massenkompatibel
und weitgehend geachtet.
Aber künstlich erhöhen muss man die Sache nicht, es war gute Unterhaltung für ein Massenpublikum.
Wer Udo Jürgen wirklich war, das weiß doch keiner (wobei da in der Radiosendung auch jemand
meinte, erzählen zu müssen, was der Spaziergänger bei seinen "stets alleinigen" Gängen so dacht) und
die Familie hält sich ja bedeckt. Ich wette, dass es da demnächst vom berüchtigten Boulevard genauso
viel Schmutz geben wird, wie vorher Lametta geworfen wurde.
Alles ist relativ.
"Mit 66 Jahren" sollte den Jüngeren Hoffnung geben, bis 80 kann man es schaffen, auch auf Tournee,
aber dann bitte mit Kamillentee.
Gute Gesundheit!
Jürgen
PS
Den Wahlwerbesong hat vermutlich weder der Verdächtigte geschrieben noch gesungen, es klingt zwar
ein bisschen so, aber für so einen Unfug hätte sich der Verdächtigte auch und gerade damals wohl kaum
hergegeben. Da bin ich mir dann doch relativ sicher, ich muss aber sagen, eine leichte Recherche kommt
doch zu nicht ganz eindeutigen Ergebnissen, ich meine zwar die Autoren gefunden zu haben, halte die
Bezeichnung auf dem Cover aber für Pseudonyme.