Hallo,
ich teile die Bedenken der fachkundigen Kollegen.
Ob die Beklagte eine Summe von rund 16.000 Euro als ihre Testikel betrachtet oder ob man das als Außenstehender realistisch so betrachten kann, halte ich für euphorisch.
Es ist in der Tat vollkommen unbekannt, wieviele Prozesse Ebay verliert, denn wenn es niemand veröffentlicht, dann wird es niemand erfahren und wenn ich beim Amtsgericht Klein-Kleckersheim gegen Ebay klage und keine Lust auf Presse habe und der Richter auch nicht und Ebay auch nicht, dann passiert dort das Gleiche wie meistens beim Amtsgericht: die Öffentlichkeit ist zugelassen, besteht jedoch nur aus Leuten, die anschließend auch noch einen Prozess zu behandeln haben oder einer Berufsschulklasse (und ähnliche Gruppierungen), die mit dem Schlaf kämpft.
Jedenfalls bescherte die Beklagte mit einem monatlichen (!) Umsatz von 400.000 Euro der Plattform sicherlich die ein oder andere Einnahme.
Jede Fallentscheidungl ist eine Einzelfallentscheidung.
Um einen Plattforumbetreiber in die Haftung zu bekommen, müssen mehrere Faktoren eintreten. Der Wichtigste zuerst: von dem eigentlichen Gegner (der Verkäufer) ist nichts zu holen. Das war hier aufgrund der Insolvenz der Fall. Dann muss der Plattformanbieter vorsätzlich oder grob fahrlässig handeln, einfache Fahrlässigkeit genügt nicht, außer bei wesentlichen Vertragsverletzungen. So jedenfalls die Rechtslage hierzulande aufgrund der AGB und dem Gesetz. Und da kommt es - wie immer - auf die gesamten Umstände des einzelnen Falles an.
Zunächst ist es so, dass es eine Vielzahl von Gerichtszuständigkeiten gibt, so dass wir kaum ermitteln können, wann, wo und wie oft Ebay bereits verklagt wurde. In Deutschland ist bei Verbrauchern als Käufer der Gerichtsstand der Wohnsitz des Käufers, je nach Klageforderung ist das Amts- oder Landgericht zuständig, davon haben wir einige.
Hier gab es einen Status als "Power-Seller", dem zahlreiche Warnungen hinsichtlich des Geschäftsgebarens gegenüber standen und dann einen eher einfach gestrickten Kläger, dem das Gericht eine bestenfalls "mikroskopische" Mitschuld attestierte. Ich würde mich nicht darauf versteifen wollen, dass die nächste Instanz insbesondere Letzteres genauso sieht.
Ich würde es aufgrund dieses Urteils auch nicht wagen wollen, allgemein den Verlauf von anderen Verfahren bewerten zu wollen. Die Konstellation umsatzstarker Verkäufer, Gold, einfacher Kläger, zahlreiche nachweisbare Warnungen, die Ebay bekannt, dem Käufer aber unbekannt waren, ist nicht die Regel.
Es ist weiterhin nicht die Regel, dass Käufer solche Summen bei Ebay investieren und das Prozessrisiko tragen wollen.
Da das Verfahren ja nun bereits veröffentlicht ist, sehe ich keinen Grund dafür, dass Ebay nicht in die nächste Instanz gehen sollte. Schließlich können die dort nur gewinnen.
Selbst wenn es bei dem Urteil bleibt, halte ich Spekulationen hinsichtlich anderer Fälle für das, was sie sind: spekulativ.
Was ich allerdings für bezeichnend halte, ist das Verhalten der Beklagten in dem Verfahren. Unternehmen mit einem solchen Geschäftsgebaren landen bei mir regelmäßig auf der Liste derjenigen, mit denen ich keine Geschäfte mache. Meine bislang ohnehin leicht abzählbaren Ebay-Aktivitäten werde ich wohl nicht nennenswert ausbauen, um es mal so zu formulieren.
Wenn ich auch mal spekuliere darf: ich würde meinen, dass Ebay ohnehin dem Untergang geweiht ist, jedoch nicht aufgrund von gerichtlichen Entscheidungen, sondern aufgrund von schwindenden Umsätzen und weiterem Käufer- - und wohl auch Verkäufer- - -schwund.
Grüße
Jürgen
PS
Zur Verjährung: die gilt natürlich für jeden Einzelfall. Wer nicht klagt, hemmt oder unterbricht keine Verjährung.
Edith: wer mal lesen will: die ganze Wahrheit