Ist der einzige Nachteil tatsächlich, dass sie Kugelcharakteristik haben?
Ja und nein.
Es gibt noch ein paar Dinge in denen sich Messmikros von Studiomikros unterscheiden. Die meisten Messmikros haben aufgrund der kleinen Membran ein recht hohes Grundrauschen. Das gilt selbst fürs 450€-teure Haun MBNM 550 E-L, das Rode NT5 für 150€ ist da über 15 dB besser (soweit die Datenblattangaben stimmen...), und auch für Messmikros über 1000€. Dieses hohe Rauschen kann im Studio tatsächlich schnell stören. Um Messmikros technisch auszureizen braucht es zudem auch ein gutes Netzteil, denn je besser die Versorgungsspannung ist (d.h. im Falle von Gleichspannung "glatter"), desto genauer ist es. Da geht es zum einen um die höhe der Spannung die die maximale Aussteuerung beeinflusst (Messmikros haben da bis zu 200V), und auf der anderen Seite die Restwelligkeit (die nur im µV-Bereich liegen darf) die das Grundrauschen bestimmt. Da sowas mit einer sehr aufwendigen Fertigung verbunden ist, kosten gute Messmikros ein paar Tausend Euros (ich meine damit Industrie-/Hersteller-Anwendungen, um ne PA-Anlage einzumessen reicht ein einfaches).
Aber wer will schon zu jedem Mikro einen eigenen Vorverstärker dazu? D.h. dickeres Kabel, extra Strom für den Vorverstärker, man muss aufpassen dass man immer den richtigen Vorverstärker ans jeweilige Mikro anschließt. Da ist die 48V Phantomspeisung um Welten praktikabler.
Wer will kann sich die DPA Mikros anschauen (Brüel&Kjaer), die kann man im Endeffekt als Studiomikros mit Messmikrofontechnik sehen. Da gibt es auch Modelle die nicht mit 48V, sondern mit 130V arbeiten wodurch ein noch hörerer SNR erzielt wird.
Zusammenfassend: Ein Studiomikrofon mit Kugelcharakteristik ist fürs Studio auch praktische und nicht schlechter als ein Messmikrofon (außer der Preis und Handlich sind einem egal).
Ein Druckempfänger hat immer Kugelcharakteristik, und das ist meist nicht gewünscht bei Aufnahmen, besonders bei Nahabnahme. Richtmikros (d.h. alles außer Kugel) sind Druckgradientenempfänger (Schnellemikrofone), sie reagieren nicht auf den Schalldruck sondern auf den Druckgradienten bzw. die Schnelle. Der Druckgradient gibt die Änderungsrate und die Richtung des steilsten Anstiegs des Skalarfeldes an einem Punkt im Raum an. Ich versuchs in einfachen Worten: Der Druckgradient hat eine Richtung, und da das Richtmikro auf die Richtung reagiert, interessiert es sich für den frontaleinfallenden Schall mehr als für den von der Seite (im Falle der Niere). Die Schnelle ist die Geschwindigkeit mit der die Luftmolekühle schwingen, die ist direkt mit dem Druckgradienten verknüpft. Druck dagegen hat keine Richtung. Reagiert ein Mikro auf den Druck, ist die Richtung vom Schall irrelevant.
Die Richtcharakteristik ist aber gewünscht und notwendig, weil man nur den Schall aus einer bestimmten Richtung haben will. Besonders live, wenn da 20 Mikros alles aufnehmen hast du den reinsten klanglichen Müll. Das zu "sortieren" (im Mischpult) geht kwasi nicht.
Deshalb: Richtmikros für Musiker: sinnvoll.
Oder anders gefragt: Der optimale Druckempfänger existiert schon seit Jahren? Und die Industrie müht sich "nur" noch um tolle Nieren usw.?
Ja, aber das "nur" ist wie du bereits andeutest eben gar nicht so einfach.
Das Problem ist die Richtcharakteristik weitestgehend unabhängig von der Frequenz zu bekommen (sofern man das will). Und das ist sozusagen die Königsdisziplin, da steckt enormer technischer Aufwand und Know-How dahinter. Deshalb gibt es Mikros für 100€ und für 1000€.
Aber man ist schon länger technisch in der Lage, Kleinmembranmikros so zu bauen dass sie ebenbürtige wenn nicht bessere Daten haben als Großmembran. (Damit meine ich z.B. das Grundrauschen, bei hohen Freuquenzen kann die große Membran eh keine gute Richtcharakteristik mehr halten, da der Membranumfang im Bereich der Wellenlänge liegt, somit diesbezüglich kleine Membrane immer im Vorteil sind.)
Wenn das das Fazit ist, dann könnte man wieder die Frage stellen, ob es nicht ein "normales" Mikrofon mit ein bisschen Schrauberei an der Peripherie getan hätte.
Genau das würde ich auch behaupten wollen, habe es aber nicht ausprobiert. Beliebiges Mikro das weit runter geht per EQ beschnitten und dazugemischt dürfte einen ähnlichen Booster-Effekt bringen. Einzige das träge Ein- und Ausschwingen ist nicht so einfach nachzubilden, wenn man nicht weiß wie man das geht (also es für Enduser kein Plug-In gibt dass das macht).