Heutzutage kann man sich zumindest besser informieren als früher. Das würde ich bei aufkeimender Fragestellung zur Analyse nutzen, wie sich die öffentliche Wahrnehmung in Form von schlichtem Interesse am Tun von Jazz-Schlagzeugern so darstellt. Youtube sollte hier als Gradmesser doch dienlich sein...
Als Einstiegs-Beispiel sei mal Jonas Burgwinkel genannt, der zumindest im Kreis der Interessierten sicher mindestens deutschlandweit ein Begriff ist. Er ist durch seine Professur an der Hochschule in Köln wahrscheinlich doch in der Lage, sich tatsächlich recht komfortabel und unbesorgt auf Kunst konzentrieren zu können, was er ja auch fleißig und extremst kreativ nutzt. Ein echter Meister, der nun mittlerweile auch schon ein paar Jahre unterwegs ist...
Wenn man sich dann also die beeindruckend zahlreichen Projekte unter seiner Mitwirkung ansieht, wird man wieder jeweils auf Namen anderer Musiker stoßen, die ebenfalls bestens ausgebildet in verschiedenen Formationen - in Form von verschiedenen Jazz-Preisen auch "amtlich" anerkannt - großartige Kunst machen, sowohl konzertierend als auch auf CD (eventuell mittlerweile sogar auch in neuzeitlichen Medien um im Akustik-Fastfood-Business mitzuspielen?)...und das häufig seit Jahren bis Jahrzehnten. Auf diese Weise bekommt man also einen Überblick, wie die Praxis bei Top-Niveau Leuten hinsichtlich Bekantheitsgrad und Interesse aussieht, woraus man sicher doch zumindest im Ansatz Rückschlüsse auf hieraus resultierende Einkommensmöglichkeiten ziehen darf. Mir treibt sowas regelmäßig die Tränen in die Augen.... Und anähernd dieses Spielniveau erreichen zu wollen - und auch überhaupt diese Kreativität zu entwickeln - ist schon ein mächtig optimistischer Ansatz....
Mal grundsätzlich etwas zum Thema "Wer Jazz kan, kann auch anderes...". Theoretisch durchaus naheliegend, in der Praxis bedeutet aber Musik gut klingend bedienen zu können immer sehr viel zeitintensive Arbeit.
Jazz (also die Art Musik, die offen pulsierend im Moment entsteht und nicht die Art, wo über einen mehr oder minder eindeutiges backbeat-pattern soliert wird) ist interagierende Improvisation und insofern doch ein sich von anderen Musikstilen relativ stark unterscheidendes Genre. Wer hier richtig gut sein will, darf meiner Meinung nach kaum Anderes machen ( zumindest ab einem gewissen Zeitpunkt, wenn man genug stilistisch unterschiedlichen Input hatte, um eine eigene Sprache entwickeln zu können). Deshalb spielt selbst ein Weckl keine Blade-Jobs und umgekehrt usw
Die Versuchung ist natürlich groß, aufgrund eigener Fähigkeit, wirklichem Interesse und der Idee, vielleicht etwas "mainstreamiger" in Form von Fusion-Musik ein breiteres Publikum im weiten Feld der "Jazz-Musik" zu erreichen, auch dieses Feld zu beackern. Leute wie Wolfgang Haffner z.B bedienen da verschiedene Sachen sehr überzeugend und Till Brönner setzt dann nochmal einen drauf, was die Richtung Kommerzialisierung angeht...aber was sagen die Zahlen bei youtube?
Die beiden dürften zwar tatsächlich als Spieler ihren Lebensunterhalt verdienen können, aber ob sie im Zweifel bereits ausgesorgt hätten (was ich persönlich als "gerecht und absolut angemessen" empfinden würde) weiß ich nicht.Und wer ist aus den vergangenen Jahrzehnten in ähnliche Regionen vorgestoßen?
All die anderen sind also in der Regel sehr dankbar über die notwendigen Zusatzverdienstmöglichkeiten (wohl meist) als Lehrer, denn das ist dann einfach (zumindest relativ) festes und meist unbedingt notwendiges Einkommen, was im Vergleich zu anderen (akademischen sowieso) beruflichen Laufbahnen aber ziemlich weit unten anzusiedeln ist.
Also ist ziemlich sicher "rödeln" angesagt. Städtische Musikschulen haben aufgrund von G8-Abitur und der prinzipiellen Tendenz zur Ganztagsbetreung der Kinder in den Schulen mit rückläufigen Schülerzahlen im Einzelunterricht zu kämpfen (zumindest vielerorts). Diese Zahlen werden durch Großprojekte wie Bläserklassen usw zwar geschönigt, sind aber Fakt, mit entsprechenden Konsequenz, was eben grundsätzlich die diesbezügliche Ausbildung angeht. Honorarverträge, die sich eher mies als nur nachteilig gegenüber Festanstellungen darstellen, sind auch eher Regel als Ausnahme. Tendenz steigend. Öffentliche Gelder werden gestrichen, was Gebührenerhöhungen zur Folge hat, was sich wiederum negativ auf Schülerzahlen auswirkt...Konkurrenzdruck privater Anbieter, die nochmals weniger Honorar zahlen....
In diesem Bereich war es früher deutlich bessser jedenfalls und die wegbrechende Arbeit an der Basis ( also musiklische Ausbildung von Kindern - idealerweise sollte man hier natürlich auch einfach Spaß daran haben, kleine Menschen über einige Jahre in ihrer Entwicklung zu begleiten) tut ihr Übriges, die aktuelle Situation weiter in die sich abzeichnende Richtung zu verschlechtern. Denn diese "musikalisch bildungsfernen Schichten" sitzen irgendwan an den entsprechenden Stellen, wo es um Verteilung von Geldern geht ( aber auch an anderen Stellen, z.B. als Auftraggeber für den DJ der privaten Party) und erziehen selbst Kinder...
Als selbständiger Musikschulbetreiber dürfte man ( zumindest aktuell noch) regelmäßig und dauerhaft ziemlich ordentlich ausgelastet sein und da fehlt dann auf Dauer sicher einiges an Zeit und Energie für Kunst-Projekte, die von "der brennenden Konkurrenz" aber in die Waagschale geworfen werden.
Inwieweit Dozenten von Hochschschulen noch "ans Spielen" kommen, ist ja vielleicht auch mal untersuchungswürdig...und deren Anfangsmotivation und auch Befähigung war sicherlich auch anders ausgelegt. Aber zumindest sind sie finanziell abgesicherter, als viele der sich im freien Flug befindlichen Idealisten-Freaks, die sich mit großen Mühen für den Erhalt dieses Kulturzweigs aufopfern - regelmäßig ohne angemessene Vergütung letztlich. Individuell zufriednstellende Wege wird es sicher immer geben, aber im Grundsatz stellt sich die Situation eben im Vergleich doch eher schwierig dar. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für Jazzmusiker wird es aber wohl leider nicht geben...
Letztlich ist das Leben aber immer eine Individalreise. Den einen (bzw. eher die meisten) drängt es in Richtung "materieller Vernunft" (diese gleichgeschaltete Mentalität ist schon beeindruckend...und der Zenit dieser Lebensidee scheint mir noch nicht überschritten), einige wenige betrachten Leben und Möglichkeiten als zufälliges Geschenk und wagen es einfach, auf eine innere Stimme zu hören. Wer womit glücklich(er) wird, steht sowieso in den Sternen...das ist die einzige Konstante in diesem Spiel.