Richtcharakteristik für Raummikrofone

  • Moin allerseits!


    Ich stelle einfach mal hier diese Frage bzw. würde mich ein Meinungsaustausch dazu interessieren, da es ja bekanntlich keine Regeln gibt.


    Ich habe bald die Möglichkeit, in einer L-Förmigen, sehr hohen (5-6m) und sehr voll gestellten Werkshalle Aufnahmen zu machen. Und gehe davon aus, dass die Akustik sehr gut sein wird. Natürlich lohnt sich das dann nur mit Raummikrofonen.


    Jeder verfolgt ja so seine Philosophie. Ich will den Raum mit zwei gleichen Mikros (matched pair muss nicht unbedingt) in Stereo aufnehmen und im Mix gemeinsam bearbeiten, vor allem ordentlich komprimieren. Von der Aufstellung abgesehen stellt sich mir da halt noch die Frage, welche Richtcharakteristik geeignet ist.


    Kugel ist meines Wissens für Raumaufnahmen prädestiniert. Aber auch Off-Axis zur Schallquelle ausgerichtete Nieren habe ich schon gesehen (Simon Phillips hat z.B. zwei Shure SM7 mit dieser Aufstellung genutzt). Bändchenmikrofone mit der typischen Acht habe ich auch schon gesehen. Mein t.bone RB500 hatte ich aber kürzlich wieder verkauft. Als einzelnes Raummikrofon hatte ich das schon getestet.


    Wie sind denn so die Philosophien und Erfahrungen dies bezüglich? :)

  • Ingenieurs-Sicht:

    Raummikrofone befinden sich im Diffusfeld. D.h. so weit von den Schallquellen entfernt, daß die Mikros praktisch betrachtet kaum noch Direktschall abkriegen, sondern nur noch den Raum-Sound. Dieser besteht aus (mehrfachen) Reflexionen, trifft daher aus allen Richtungen gleichverteilt aufs Mikro. Das bedeutet zum einen, daß die Richtcharakteristik des Mikros nicht mehr "wirkt", und zum anderen daß der Diffusfeld-Frequenzgang des Mikrofons (der mit Schall aus allen Richtungen gleichzeitig gemessen wird) zum Tragen kommt, und nicht der Freifeld-Frequenzgang (der ausschließlich mit Schall aus der Hauptrichtung gemessen wird). Der Unterschied zwischen den beiden: Da die Richtcharakteristik von Richtmikros zu den tieferen Frequenzen immer weniger ausgeprägt wird, ist der Freifeldfrequenzgang eines Mikros immer untenrum etwas "schlanker" als der Diffusfeld-Plot des gleichen Mikros. Je nach Einsatzweck des jeweiligen Mikrofones geben die Hersteller üblicherweise nur einen der Plots an, steht aber meistens dabei, welcher das ist.

    In Kürze also: Richtcharakteristik des verwendeten Mic ist "im Raum hängend" wirkungslos. Resultierender Sound einer typischen Niere vermutlich basslastiger und mumpfiger als im normalen "Close-Mic" Einsatz, Ein absenkender Griff an den EQ behebt das aber leicht.


    Technisch-Religiöse Sicht:

    Als Raummikrofone darf man nur Druck-Empfänger-Kugeln einsetzen, Einsatz von EQ ist des Teufels!


    Künstlerische Sicht:

    Erlaubt ist alles, was gefällt!


    Künstlerisch-Religiöse Sicht:

    X hat es so und so gemacht, darum ist das das beste!

    "Leute im Internet erfinden immer irgendwelche Zitate."Albert Einstein

  • Danke :)


    Ich hatte mal recherchiert um eine ungefähre Entfernung zur Unterscheidung zwischen Freifeld und Diffusfeld auf dem Schirm zu haben. Aber es geht wohl tatsächlich nur um die Unterscheidung zwischen "Freifeld / Direktfeld = Direktschall, keine Reflektionen vom Raum" und "Diffusfeld = Raumschall, der nur aus Reflektionen besteht".


    Ist es nicht so, dass die Übergänge - zumindest in einem bestimmten Bereich - in der Praxis fließend sind? Bspw. sollten doch Overheads eigentlich sowohl Direkt- als auch Diffusschall aufnehmen. :/


    Ich hatte gestern mal einen kurzen Test in meinem 2,5m hohen 18m² Proberaum gemacht. Verglichen habe ich ein Rode M5 und ein Behringer ECM8000 als Raummikros - ungefähr in Ohrhöhe, 1-1,5m vom Drumset entfernt. Das M5 stand dabei Off-Axis zum Drumset. Das ECM8000 - ein Messmikrofon - war das einzige Kugel-Mikrofon, das ich da hatte. Zuerst dachte ich, dass ich damit absoluten Frevel begehe, aber es klang im Vergleich zum M5 für diese Anwendung erstaunlich gut.


    Da die Richtcharakteristik von Richtmikros zu den tieferen Frequenzen immer weniger ausgeprägt wird, ist der Freifeldfrequenzgang eines Mikros immer untenrum etwas "schlanker" als der Diffusfeld-Plot des gleichen Mikros.

    Verstehe. Aber nur, wenn der Nahbesprechungseffekt außer Acht gelassen wird, oder?


    Mir ist zumindest geläufig, dass Kugel- und auch generell Bändchenmikrofone meistens etwas Bass-lastiger als Nieren(-ähnliche) sind. Konnte ich auch schon in der Praxis mit einem t.bone RB500 und gestern dem ECM8000 feststellen. Letzteres war weitaus basslastiger und insgesamt weniger spitz als das M5, obwohl letzteres eigentlich auch einen recht linearen Frequenzgang hat (von einer 2dB Höhenbetonung abgesehen).


    In Kürze also: Richtcharakteristik des verwendeten Mic ist "im Raum hängend" wirkungslos. Resultierender Sound einer typischen Niere vermutlich basslastiger und mumpfiger als im normalen "Close-Mic" Einsatz, Ein absenkender Griff an den EQ behebt das aber leicht.

    Aufgrund des Nahbesprechungseffekts sind meine Erfahrungen dies bzgl. das komplette Gegenteil. Ein paar Zentimeter am Schlagfell klingt ein Druckgradientenempfänger sehr basslastig und ein paar Meter weiter weg vergleichsweise dünn. Oder verstehe ich dich falsch?

  • Oder verstehe ich dich falsch?

    Nee, deine Beobachtungen sind schon richtig. Den Nahbesprechungseffekt habe ich vergessen zu erwähnen zur Vereinfachung bewusst außen vor gelassen :D Den gibts in der Praxis natürlich auch noch, und der wirkt sich in die gegenteilige Richtung (näher -> bassiger) aus. Wichtig hier ist, richtige Druckempfänger-Kugeln wie dein Messmikrofon haben den Nahbesprechungseffekt nicht. Also überhaupt gar nicht - prinzipbedingt.

    Alle Richtmikrofone haben den Effekt dagegen prinzipbedingt immer, außer daß bei manchen Mikros der Frequenzgang "entzerrt" wird. Also für einen bestimmten Abstand berechnet, wird mit eingebauter EQ-Kurve gegen den Nahbesprechungseffekt "gegengehalten". Diese Mikros klingen dann bei größerem Abstand erstmal dünn, weil dann der Nahbesprechungseffekt weg ist, aber die eingebaute EQ-Kurve immer noch da ist.


    Die Übergänge zwischen Freifeld und Diffusfed sind übrigens natürlich fließend, es gibt in der Raumakustik dazu noch den Begriff des Hallabstandes, das ist für eine bestimmtes System (Quelle, Raum, Mikro) der Abstand zwischen Mikro und Quelle, bei dem Direktschall und Diffusschall gleich laut sind. Ein Merksatz in der Tontechnik lautet, daß die Richtcharakteristik eines Mikros nur innerhalb des Hallabstandes wirkt, und Mikrofone immer innerhalb des Hallabstandes zu positionieren sind, wenn man keine Raummikrophonierung erreichen möchte.


    Außerdem gilt grundsätzlich zum Hallabstand:

    Große Räume haben einen größeren Hallabstand als kleine

    Nachhallendere Räume haben einen kleineren Hallabstand als trockene Räume.

    Richtende Mikros machen einen größeren Hallabstand als Kugeln (Niere und Achten das 1,7-fache von Kugeln, Hypernieren das 2-fache von Kugeln)

    Richtende Quellen machen einen größeren Hallabstand als kugelförmig abstrahlende.


    In guten Aufnahmeräumen, wo man gute direktschall-lastige Aufnahmen machen können will, muss der Hallabstand so groß sein, daß man das Mikro gut innerhalb des Hallabstandes platzieren kann, ohne daß man in den Bereich hineingerät, wo der Nahbesprechungseffektes zu ausgeprägt wird.


    Als Amateure sind wir - zumeist nicht in solchen Räumen unterwegs - halt in den Arsch gekniffen: Innerhalb des Hallabstandes bedeutet für uns (wenn wir nicht gerade mal Open Air oder in einem großen Saal sind) automatisch auch: ordentlich im Bereich der Nahbesprechung.


    In den Proberäumen wo ich so unterwegs bin, bedeutet ein Abstand von 30cm mit einer Niere oft schon, daß man sich ungefähr am Hallabstand bewegt, und so klingts dann auch - viel Raumanteil auf allem, was nicht zentimeternah an der Quelle hängt (und entsprechend ordentlich low-cut braucht, wegen Nahbesprechung)


    So Späße wie Grenzfläche vor der Bassdrum oder Glyn-Johns-Methode, aber leider auch schon stinknormale Overheads sind in solchen kleinen Räumen defakto alles Raum-Mikrofone. Eben weil sie sich am oder jenseits des Hallabstandes befinden -> Diffusfeld.

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  • Sehr informativ! :thumbup:


    Wieder was dazu gelernt. Den Begriff "Hallabstand" hatte ich schon mal gehört.


    Ich bin im Allgemeinen auch ein Freund von nicht zu stark genutztem Nahbesprechungseffekt, zumindest bei bestimmten Quellen wie Gesang und z.B. Akustikgitarre. Deine oben beschriebenen Zusammenhänge machen aber auch deutlich, dass man (nach meiner Auffassung) eine richtende Quelle wie Gesang mit einem Richtmikrofon in einem kleinen trockenen Raum (Gesangskabine) dennoch gut mit bspw. 30cm Abstand aufnehmen kann. Ich hatte bei mir schon Aufnahmen in der Manier gemacht - sogar mal mit 0,5m Abstand.


    Demgegenüber finde ich z.B. bei Overheads einen Diffus-Anteil sogar wünschenswert, auch wenn noch Raummikrofone dazu kommen sollten. Durch die Nahmikrofonierung der Trommeln und ggf. bestimmten Becken klingt die Sache ja grundsätzlich sowieso erstmal sehr direkt und trocken.


    (und entsprechend ordentlich low-cut braucht, wegen Nahbesprechung)

    Ich hatte mich zeitweise sehr intensiv mit Studio-Mixing beschäftigt und auch ab und zu Geld damit verdient. Möchte an der Stelle nur anmerken, dass ich "echte" Low-Cuts für sowas nicht benutzen würde. Generell würde ich Low-Cuts nur für den Rumpel einsetzen, der nichts mit dem Nutzsignal zu tun hat. Um den Bass- und Tiefmittenbereich auszudünnen, eben um z.B. den Nahpesprechungseffekt zu kompensieren, würde ich immer Low-Shelfs nehmen.

  • Du hast mich schon wieder erwischt,hihi..

    Low Cut ist tatsächlich das falsche Wort, bzw. ist so eine typische Low-Cut Taste am Mixer mit so 18dB/Oktave ab 80Hz abwärts nicht das richtige Werkzeug gegen Nahbesprechungseffekt. Diese Dinger sind ja mehr so gegen Körperschallgerumpel, Trittgeräusche und sowas geeignet.


    Die Bassanhebung beim Nahbesprechungseffekt steigt glaube ich so um den Dreh mit 6dB pro Oktave an, und dementsprechend flach müsste man einen Low-Shelf ansetzen, und die Frequenz je nach Abstand wählen.


    Meine zwei Digitalpulte (ich habe ein UI24 für die Band, und zwei Behringer XR12 für den Heimgebrauch am Gaming PC und E-Drumkit) haben zwar beide stimmbare Low-Cut filter, aber die sind für diesen Zweck (also als Werkzeug gegen Nahbesprechung) auch zu steil. Wenigstens kann man am UI24 zwischen 12 oder 18 dB/Oktave wählen, aber die für den Nahbesprechungseffekt sinnvolle Variante "6dB/okt" fehlt. Naja, nimmt man eines der parametrischen Bänder her, hat man heutzutage ja genug von in jedem Kanal ;)

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  • Ja. Bessere Pulte haben ja auch mitunter parametrische Low- und High-Cuts.


    Im Allgemeinen ist es natürlich am besten, den Klang schon durch die Aufnahme weit möglichst zu formen. D.h. eben auch den passenden Anteil Nahbesprechungseffekt und so weiter. Zumindest für so Sachen wie Leadvocals. Das Problem bei EQs ist halt immer, dass sie färben. Phasenverschmieren, Nachschwingen ... gibt ja nicht ohne Grund Linear-Phase EQs. Und selbst die klingen nicht neutral (brauchen aber viel Rechenleistung). Gerade im Bassbereich wird die "EQ Farbe" ja deutlicher. Und es macht dann auch schon einen Unterschied, ob man absenkt oder anhebt.


    Aber ich will mal nicht klugsch...en. ;)

  • Am Wochenende hatte ich eine Testaufnahme in der Werkstatt bzw. Halle gemacht. Erstmal um zu checken, wie die ganze Sache tatsächlich klingt und ob sich der Aufwand für meine nächsten beiden Videos lohnen würde.


    So sah das ganze aus ... nur zur Info: die Halle wird von ein paar Freunden gemeinsam angemietet. Da findet auch öfter mal 'ne Feier statt (sind noch weitere Räume mit Küche und so weiter drin). Kürzlich ein 18. Geburtstag ...



    Das sind ein Beta 52a (Bassdrum), SM57 (Snare), 2x Oktava MK-012 (Overheads) und ein Behringer ECM8000 (Raum).

    Insgesamt habe ich vier Positionen für das Raummikro getestet. Zu sehen ist hier die letzte Variante von Sonntag. Da war dann auch die Einfahrt leer (kein Auto drin).


    Diese Aufstellung (Raummikro in Einfahrt) klingt so ... das Raummikro ist hier recht laut:

    Testaufnahme Halle 13.02.22 - MIT Raummikro.mp3


    Hier zum Vergleich ohne Raummikro:

    Testaufnahme Halle 13.02.22 - OHNE Raummikro.mp3


    Das ist ein Gesamtmix mit Nachbearbeitung - EQ, Kompression, Sättigung. Kein zusätzlicher Hall.

    Auf dem Raummikro habe ich mit einem SSL-4000E Channel ein bisschen Tiefbass reingedreht und mit 8:1, kurzer Attackzeit und 400ms Release komprimiert (10dB GR max.). Es ist zudem 100% rechts gepannt und Post-FX an einen 100% links gepannten und um 6,3ms verzögerten Track gesendet (Haas-Effekt -> etwas mehr Räumlichkeit). Es kriegt durch die Summenbearbeitung ansonsten die gleiche weitere Nachbearbeitung wie die anderen Spuren.


    Falls Interesse an einzelnen Rohspuren besteht, einfach bescheid geben. ;)


    Mir ist auf jeden Fall klar, dass ich den Raum in Stereo aufnehmen und im Mix auf irgendwelche Experimente mit Delays verzichten will. Wo ich die Mikros dann genau aufstelle, muss ich noch sehen bzw. hören. Fakt ist jedenfalls, dass Schlagzeug-Aufnahmen in so einem Raum grundsätzlich gleich ein ganz anderes akustisches Kaliber kriegen. Mit Raummikros kriegt man dann eine Fülle, Natürlichkeit und einen "Glue" in die Sache, die sich halt nicht nachträglich simulieren lassen ... 8) ... ;(

  • Fakt ist jedenfalls, dass Schlagzeug-Aufnahmen in so einem Raum grundsätzlich gleich ein ganz anderes akustisches Kaliber kriegen. Mit Raummikros kriegt man dann eine Fülle, Natürlichkeit und einen "Glue" in die Sache, die sich halt nicht nachträglich simulieren lassen ...

    Was Deine Testaufnahmen sehr eindrücklich belegen! Ich finde vor allem die Bassdrum gewinnt unglaublich dazu. Ein guter Raum ist durch nichts zu ersetzen.

  • Aber nur, wenn der Nahbesprechungseffekt außer Acht gelassen wird, oder?

    Den sollte man bei einem Overhead nicht haben, da er nur unterhalb von etwa 20cm Entfernung der Signalquelle zur Membran auftritt.

    Raummikrofone befinden sich im Diffusfeld. D.h. so weit von den Schallquellen entfernt, daß die Mikros praktisch betrachtet kaum noch Direktschall abkriegen, sondern nur noch den Raum-Sound.

    Naja, also die Anordnung des Signals in der Tiefenstaffelung, entsteht ja primär durch die Anfangszeitlücke. Je größer diese ist, desto näher wirkt das Signal in der Aufnahme, je kleiner sie ist, desto weiter weg. Deswegen ist der Direktschall auch bei Raummikros von Bedeutung. Man kann natürlich auch ein Nahmikro und das Raummmikro mit einem delta-t zusammenmixen, um die Tiefenstaffelung zu gestalten.


    Ich habe beides schon eingesetzt (Kugel und Niere offaxis). Ich fand Kugel besser…

    Technisch-Religiöse Sicht:

    Als Raummikrofone darf man nur Druck-Empfänger-Kugeln einsetzen, Einsatz von EQ ist des Teufels!


    Künstlerische Sicht:

    Erlaubt ist alles, was gefällt!

    Ich bin ja des öfteren bei Musikproduktion in verschiedenen Studios zugegen. In der Regel sind dort ganz normale (gerichtete) Kondenatoren für den Raum im Einsatz.

  • Den sollte man bei einem Overhead nicht haben, da er nur unterhalb von etwa 20cm Entfernung der Signalquelle zur Membran auftritt.

    Wirklich? So weit ich weiß und mit eigenen Aufnahmen bisher gehört habe, hört die Überbetonung der Bässe erst bei ca. 0,5m komplett auf. Ich konnte bei Gesangs- und Akustikgitarrenaufnahmen zwischen 0,3 und 0,5 jedenfalls noch einen leichten Unterschied dies bzgl. feststellen.


    Naja, also die Anordnung des Signals in der Tiefenstaffelung, entsteht ja primär durch die Anfangszeitlücke. Je größer diese ist, desto näher wirkt das Signal in der Aufnahme, je kleiner sie ist, desto weiter weg. Deswegen ist der Direktschall auch bei Raummikros von Bedeutung. Man kann natürlich auch ein Nahmikro und das Raummmikro mit dein delta-t zusammenmixen, um die Tiefenstaffelung zu gestalten.

    Ja, wie das Pre-Delay von Reverbs ... bei der in #9 zu sehenden und hörenden Position hat das Raummikro eine natürliche Verzögerung (bezogen auf die Snare und das SM57) von über 20ms. Zusammen mit der um ca. 6ms verzögerten Spur im Mix hört man das dann schon, find ich. Ist vielleicht sogar schon zu viel. :/

    Je weiter weg das Raummikro, desto mehr Diffusanteil ist aber dann halt auch drauf. Dazu dann noch die Frage, wo der Raum wie klingt ... sehr interessant auf jeden Fall.


    Ich bin ja des öfteren bei Musikproduktion in verschiedenen Studios zugegen. In der Regel sind dort ganz normale (gerichtete) Kondenatoren für den Raum im Einsatz.

    Das wundert mich ein bisschen. Denn ich finde bis jetzt auch, dass Kugel am besten dafür klingt.

  • Klasse Beitrag! Besonders die beiden Vergleich-Files sind sehr hilfreich. Ich habe kürzlich einfach mal mein USB Mic (ein Beecaster Condenser-Mic, das ich sonst für Videokonferenzen o.ä. nehme) in den Raum gestellt und mir hat die Bassdrum viel besser gefallen als beim Close-Micing. Werde das demnächst auch mal kombinieren.


    Hier noch etwas interessantes für kleine Räume: Youtube

  • Wirklich? So weit ich weiß und mit eigenen Aufnahmen bisher gehört habe, hört die Überbetonung der Bässe erst bei ca. 0,5m komplett auf.

    Naja, wenn man sich die Physik näher anschaut, ist das sog. Nahfeld etwa 2 Wellenlängen groß, also grundsätzich frequenzabhängig, gleichzeitig ist er aber auch abhängig von der Richtcharakteristik des Mikrofons. Er entsteht, weil die Schallwellen die Membran einer offenen Kapsel (Druckgradientenempfänger) von beiden Seiten erreichen, aber mit Zeitversatz und dabei im Nahfeld die Wellenfronten nicht parallel verlaufen. Bei sehr tiefen Frequenzen beginnt der Effekt theoretisch also bereits im Radius von einigen Metern. In der Praxis hängt es von der Signalquelle und dem verwendeten Mikro ab, wie stark die Ausprägung ist. Logischerweise tritt er bei Mikros mit Kugelcharakteristik (Druckempfänger) nicht auf, da die Kapsel geschlossen ist.

  • Danke :thumbup:

    So ungefähr war mir das schon geläufig.


    ist das sog. Nahfeld etwa 2 Wellenlängen groß

    Das würde aber doch bedeuten, dass das Nahfeld bei bspw. 100Hz fast 7 Meter groß ist (Durchmesser?). :/


    Klasse Beitrag! Besonders die beiden Vergleich-Files sind sehr hilfreich. Ich habe kürzlich einfach mal mein USB Mic (ein Beecaster Condenser-Mic, das ich sonst für Videokonferenzen o.ä. nehme) in den Raum gestellt und mir hat die Bassdrum viel besser gefallen als beim Close-Micing. Werde das demnächst auch mal kombinieren.

    Ich denke, es ist letztendlich die Kombination aus Nahmikrofonierung und Raummikrofonen. Besonders bei der Bassdrum: Modernes und fettes Low-End kriegt man nur mit Nahmikrofonierung mit (meistens) speziellen Bassdrum-Mikros. Auf Overheads und Raummikros wird die Bassdrum immer zu mager sein. Aber Raummikros bringen eben die Räumlichkeit und "Größe" ins Spiel.


    Hier noch etwas interessantes für kleine Räume: Youtube

    Hab ich mir gerade mal angeschaut. Die erste Methode war mir neu - geht aber in eine ähnliche Richtung, die ich bei mir kürzlich getestet hatte: habe einen kleinen Vorraum zu meinem Proberaum. Dort klingt das dann schon ein ganzes Stück mehr nach Raummikrofon.


    Die anderen Methoden sind mir geläufig - also richtende Mikros off-axis zur Schallquelle, ordentlich Kompression (das ist bei Schlagzeug Raummikros quasi Standard), zusätzliches Pre-Delay einbauen, Höhen raus ziehen. Was letzteres angeht bin ich aber etwas skeptisch. Denn die Höhenreflexionen sind ja zum einen natürlich und zum anderen geben sie den Becken eben auch mehr Räumlichkeit. Besonders geschlossen angespielte Hi-Hats gehen oft weit in den erweiterten Höhenbereich (über 10kHz, deutlich höher als andere Becken oder offen gespielte Hi-Hats) und "kleben" dann im Mix gern mal am Ohr, wenn man sie aufgrund fehlender Höhen auf den Räumen nicht ein bisschen in die Tiefe staffelt. Ich würde für Raummikros schon eher neutral klingende Mikros benutzen. Ein SM57 betont halt bei 6-7kHz, fällt ab 10kHz steil ab und bringt unter 200Hz nicht mehr viel rüber.

  • Das würde aber doch bedeuten, dass das Nahfeld bei bspw. 100Hz fast 7 Meter groß ist (Durchmesser?).

    Ja, genau. Damit hat man den Nahbesprechungseffekt im unteren Frequenzbereich quasi immer. Die Frage ist, ab welcher Distanz das tatsächlich messbar ist, bzw. man könnte vermuten, dass er in der Messkurve, die dem Mikro beiliegt schon eingepreist ist.

  • Ich habe gestern ein paar Aufnahmen bei mir im Raum mit dem Raummikro in dem kleinen Vorraum gemacht (Tür offen). Natürlich ist das nicht vergleichbar mit oben thematisierter Halle. Habe allerdings festgestellt, dass es weitaus besser kommt als ein (zusätzlich zu etwas Plate-Reverb) künstlicher Raum (ggf. auch Faltungshall), an den alle Spuren geschickt werden und der auch komprimiert wird.


    Obwohl das Raummikro im Vorraum für sich genommen nicht wirklich "groß" und toll klingt, rundet es (zusammen mit einem Haas-Delay) die ganze Sache weitaus besser ab. Hätte ich nicht gedacht. Hatte das bisher vernachlässigt und werde ab jetzt wohl immer mit mindestens einem Raummikro aufnehmen, wenn ich das komplette Set nah mikrofoniere ... mit 4 Toms sind das bei mir z.Z. ja schon 12 Mikrofone ohne Raummikro ...


    Mal sehen, wie ich es dann mache. Macht auf jeden Fall Spaß 8)

  • Moin!


    Tatsächlich ist es immer noch das Behringer ECM8000 Messmikro, das sich für meine Ohren - zumindest im Vergleich zu diversen Nieren - sehr gut für diese Aufgabe eignet. Ich benutze ja auch immer noch t.bone MB85 Beta für die Toms, die sich da m.E. besser als waschechte SM57s machen. Ist natürlich auch Geschmackssache.


    Derzeit stelle ich das Raummikro im Vorraum meines Proberaums auf und mache die innere Tür bei Aufnahmen dafür auf. Dann betone ich da ein paar Bässe (ohne EQ), ziehe Mitten raus, entschärfe die Transienten ein bisschen und komprimiere es mit schnellen Attack- und Releasezeiten. Zusätzlich panne ich es hart links/rechts und schicke es an ein sehr kurzes Haas-Delay (z.B. 6ms), welches gegenüberliegend hart gepannt und gleich laut eingestellt ist. Und dann geht das noch - wie alle Drumspuren und zusätzlichen (Receive) Kanäle - in meinen Drumbus mit weiterer Frequenz- und Dynamikbearbeitung.


    Beispiel :)


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    Die hier thematisierte Halle klingt schon geil, aber das ist mir in Summe z.Z. zu aufwändig für meine Aufnahmen.

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