Klangzonen Snare Schlagfell Mitte vs Randbereich

  • CataBOOZEta

    Gut erklärt. Den Zusammenhang hatte ich ja weiter oben schon kürzer dargestellt. Nils hat dazu halt sehr umfangreiches Wissen mit theoretischem und mathematischem Hintergrund und könnte das noch tiefergehend erklären.


    Dass das Fell in Form von Auslenkung weniger Energie aufnehmen kann merkt man Actio=Reactio, stärkerer Rebound; siehe besser funktionierende Presswirbel.

    Das verdeutlicht auch die direkte "Schnittstelle" zum Spielgefühl bzw. was sich in welchem Bereich besser spielen lässt. Ich hatte gestern tatsächlich mal kurz ein paar Backbeats am Rand des Snare-Fells probiert (ich lerne ja auch nicht aus), aber mein Fazit war schnell so ernüchternd, wie ich erwartet hatte. Es klingt da nicht nur dünn, sondern man hat überhaupt keinen passenden Rebound bzw. kein passendes Spielgefühl für laute Schläge.


    Daher sehe ich spieltechnisch noch einen weiteren Zusammenhang:

    Laute Schläge und langsamere Schlagfolgen lassen sich besser in der Mitte spielen (auch mit genutztem Rebound), leisere Schläge mit schnelleren Schlagfolgen lassen sich besser am Rand spielen - wie eben z.B. Presswirbel.


    Man kann aus einer Snare ja zig verschiedene Sounds nur durch die Spielweise rausholen. Aber es gibt dabei eben trotzdem logische Zusammenhänge.


    Mittig kann das Fell weiter als am Rand ausgelenkt werden. Das ermöglicht größere Amplituden (höhere Lautstärke) und auch dominantere bzw. lautere Grundtöne.

    Hinzu kommt, dass bei korrekt "genutztem" Snarebed (Stimmung des Resos) der Teppich in der Mitte am besten anspricht.

  • Eine Schwingung ist ja grob gesagt immer ein irgendwie gearteter Sinus, und der lässt sich auch als Visualisierung dessen benutzen, was passiert, wenn man auf das Fell haut.

    leider bei der Membran eben nicht, dort wird die Auslenkung als Funktion vom Ort in Form von Besselfunktionen als Lsg der Differentialgleichung beschrieben. Liegt am 2D Problem mit Kreissymmetrie. Wobei das "sehr grob" sich mit einzelnen Sinusfunktionen annähern lässt...

  • Danke für die Ergänzung/Vertiefung, mit "grob" bzw. "irgendwie geartet" wollte ich mal umschreiben, dass es ums Prinzip geht. Und aus, wenn man so will, "didaktischer" Sicht genügt das hier m.E. um das Prinzip zu verdeutlichen, das für den entsprechenden Klangeindruck sorgt. Wir wollen ja keine Computersimulation schreiben, die das Ganze erfasst.

  • Er meint, dass die Wellenform von Trommelanschlägen Sinus-ähnlich aussieht. Und ich kann auch anhand der Wellenform erkennen, ob ich mich mal verhauen habe.


    Wenn ich bei komplizierten und schnellen Tom-Fills mal ungewollt auf den Fellrand haue höre und sehe ich das sofort.


    Man kriegt am Fellrand einfach nicht die Amplituden bzw. Lautstärken und eben auch nicht so einen dominanten Grundton wie (ungefähr) auf der Fellmitte.


    Dass das genau genommen gar keine "Sinüsse" sind ist natürlich eine wichtige Info.

  • Ja, Sinus heißt in meiner verkürzten Analogie nur: Schwingung mit Maximum und Minimum um eine Nullstelle. Würden wir das Fell beim Spielen von der Seite beobachten, gäbe es da halt Ähnlichkeiten, zumindest unmittelbar beim Auftreffen und Abprallen des Sticks.


    Danke für die fachliche Klarstellung. :)

  • Das könnte dir nils sehr gut erklären. Vielleicht meldet er sich ja noch zu Wort

    Mich würde einfach mal physikalisch interessieren, warum das so ist und ob man diesen "Randeffekt" durch eine bestimmte Stimmung auch in Fellmitte hin bekommt.

    Den Randeffekt bekommst du in der Mitte nicht so ohne Weiteres. Das liegt an der Klangentstehung auf der schwingenden Kreismembran, wie ein Fell aus physikalischer Sicht genannt wird.


    Ich hole mal etwas aus.


    Schwingende Objekte haben normalerweise eine Grundschwingung (Grundton, Fundamentalnote) und Oberschwingungen (Obertöne), die sog. Schwingungsmoden, die mithilfe der Bessel'schen Zylinderfunktionen berechnet werden können. Die Obertöne sind dabei geometrisch auf der Membran in Form von schwingenden Bereichen (Schwingungsbäuche) und unbeweglichen Bereichen, sog. Knotenlinien, angeordnet.


    Die Schwingungsmoden

    0,1. Die eingespannte Kreismembran hat auch für die Grundschwingung eine unbewegliche Knotenlinie genau auf der Gratung.

    1,1. Der erste Oberton hat eine diagonale Knotenlinie durch den Mittelpunkt und zwei Halbkreisflächen, die gegenphasig schwingen.

    2,1. Der zweite Oberton hat zwei diagonale Knotenlinien und Kreisviertel, die jeweils abwechselnd gegenphasig schwingen.

    0,2. Der dritte Oberton hat eine konzentrische Knotenlinie, die auf halbem Weg zwischen Gratung und Mittelpunkt parallel zur Gratung verläuft

    3,1. Der vierte Oberton hat drei diagonale Knotenlinien

    usw., siehe Bild unten.


    Dort sind auch die Multiplikationsfaktoren der jeweiligen Oberschwingungen zur Grundschwingung angegeben.

    Man kann erkennen, dass die Obertonreihe nicht harmonisch ist. Bei einer Gitarrensaite sind alle Oberschwingungen ganzzahlige Vielfache der Grundschwingung, bei der Kreismembran ist das offensichtlich anders.


    38182-pasted-from-clipboard-png


    Nun zu deiner Eingangsfrage, ob man den Randeffekt auch in der Mitte bekommt:

    In der Mitte treffen sich alle diagonalen Knotenlinien. Das bedeutet, dass die Mitte für alle Obertöne mit diesen Knotenlinien unbewegt ist. Im Umkehrschluss kann man durch einen Schlag auf die Mitte diese Obertöne nicht anregen (erzeugen), da man den Kreuzungspunkt all dieser Knotenlinien trifft. Man bekommt statt dessen lediglich Obertöne mit ausschließlich konzentrischen Knotenlinien, daher der trockene Klang, weil im Obertonspektrum wenig los ist.

    Je weiter zum Rand das Fell angeschlagen wird, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, eine oder mehrere Knotenlinien zu treffen, entsprechend bekommt man mehr Obertöne, der Klang ist offener und komplexer.


    Die einzige Chance auf mehr Obertöne in der Mitte ist eine stark asymmetrische Fellspannung. Diese wiederum birgt aber auf Dauer das Risiko, den Kessel zu beschädigen, weil er durch ungleichmäßige Seitenkräfte krumm werden kann.

  • Genau,


    diese Darstellung der Moden hatte ich auch mal gefunden.

    Diese Darstellung gilt für eine einzige gleichmäßig gespannte Membran. (Mit Resofell sieht das u.U. schon wieder etwas anders aus.)

    Und meine Vermutung, diese Obertöne beim Anspielen in der Mitte anzuregen indem das Schlagfell arg unsymmetrisch gestimmt wird, bestätigst du ja.


    Grüße

    "Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." - Walter Lübcke, 22. 8. 53 - 2.6.19, ermordet.

  • Eine Schwingung ist ja grob gesagt immer ein irgendwie gearteter Sinus,

    Hmmm, nein eigentlich nicht.


    Mathematisch ist der Sinus die Projektion einer rotierenden Radiuslinie des Einheitskreises auf der Vertikalen. Dreht sich die Radiuslinie mit konstanter Winkelgeschwindigkeit, ist die Projektion über der Zeit eine Sinuslinie.


    In diesem GIF von Wikipedia kann man das schön sehen.


    Ein Screenshot davon:


    Eine Sinusschwingung ist eine reine Schwingung einer einzigen Frequenz, wie der 50Hz Sinus des Stromnetzes. Wenn du das durch ein Frequenzfilter jagst und genau 50Hz entfernst, ist Stille, Nulllinie.

    Die meisten Schwingungen sind keine reinen Sinusschwingungen einer einzigen Frequenz, oft sind sie auch nicht linear.

    Aber jede Schwingung kann durch eine Summe von Sinusschwingungen beschrieben werden. Das macht man mit einer Fourier-Analyse: man schiebt ein Signal vorne rein und bekommt hinten eine Spektrumsdarstellung heraus, aus der man erkennen kann, welche Frequenzen mit welcher Amplitude enthalten sind.

    Ein Rechtecksignal beispielsweise, wie es in Synthesizern oft verwendet wird, aber auch in Straßenbahnantrieben mit gepulster Gleichspannung, hat eine unendliche Reihe von Oberschwingungen. Ein Dirac-Impuls, den wir näherungsweise mit einem Schlag des Sticks auf ein Fell vergleichen können, enthält sogar alle Frequenzen gleich stark.

  • Und meine Vermutung, diese Obertöne beim Anspielen in der Mitte anzuregen indem das Schlagfell arg unsymmetrisch gestimmt wird, bestätigst du ja.

    Allerdings rate ich gleichzeitig davon ab. Kessel aus Glockenbronze oder dicken Stahl mögen das verzeihen, Holzkessel neigen aber zum Nachgeben.

  • Alles fein, wobei es sich hierbei um die zeitliche Darstellung der Amplitude eines Punktes handelt.

    Bei der Betrachtung der Schwingungmoden der Membran auf dem Trommelkörper handelt es sich aber um eine räumliche Betrachtung aller Punkte im Fell. Der einzelne Punkt führt dabei eine Bewegung aus, die der Überlagerung der Einzelschwingung entspricht, die räumliche Verteilung bleibt aber die der Besselfunktion wie du sie mit den Modenbildern gezeigt hattest.

  • Der einzelne Punkt führt dabei eine Bewegung aus, die der Überlagerung der Einzelschwingung entspricht,

    Ja, na klar, das Fell führt eine Bewegung aus, die alle angeregten Obertöne gleichzeitig beinhaltet und damit führen einzelne Punkte sehr komplexe Bewegungen aus. Aber der zitierte Post bezieht sich ja nicht auf die Fellbewegung, sondern auf die Aussage, dass alle Schwingungen ja irgendwie Sinus seien, was sie nicht sind.

  • Ich glaube mein Denken ist da so visuell bis nahezu metaphorisch, dass sich das mit den nackten Zahlen und strengen Definitionen beißt.


    Ich denke z.B. an eine Stiftspitze, die an der exakten Mitte des Fells befestigt ist. Dieser Punkt, die Spitze liegt praktisch, wie bei einem Graphenschreiber, auf dem Papier, das Papier läuft "als Zeit" immer weiter.

    Wäre der Stift der wie der Exzenterantrieb einer Dampflok mit einem Rad, also einer Kreislinie, verbunden, würden wir den Sinus sehen, wenn sich das Rad dreht.


    Statt dem drehenden Rad stelle ich mir das schwingende Fell vor, das mit seiner Auslenkung (2-dimensional von der Seite betrachtet eben) den "Sinus" malt.


    Keine Ahnung ob das Nachvollziehbar ist ^^ ^^

  • Die einzige Chance auf mehr Obertöne in der Mitte ist eine stark asymmetrische Fellspannung. Diese wiederum birgt aber auf Dauer das Risiko, den Kessel zu beschädigen, weil er durch ungleichmäßige Seitenkräfte krumm werden kann.

    Jetzt bin ich verwirrt. Hat der Masshoffsche Tuning-Trick mit lockeren Spannschrauben nicht den genau gegenteiligen Effekt? Ich hatte das auch schon ausprobiert. Wir hatten uns auch schon mal drüber unterhalten, dass das nicht gut für den Spannreifen und auch den Kessel ist (zumindest bei Holzkesseln).


    Trotz der Richtigkeit aller Aussagen wird aber nicht deutlich, dass eine offene Befellung ohne Dämpfung den meisten eigentlich zu viele Obertöne und zu viel Sustain hat. Auch mit mittigem Anschlag! Besonders auch auf Snares. Daher kommt mir die Fragestellung immer noch spanisch vor.


    Piet

    Bitte poste doch mal Audio/Video-Beispiele.

  • das mit seiner Auslenkung (2-dimensional von der Seite betrachtet eben) den "Sinus" malt.

    Das tut es eben nicht. Das Material erlaubt so keine Sinusschwingung, da die Dehnung des Fells keine Federkonstante hat, sondern sich mit der Auslenkung ändert.

    jetzt bin ich verwirrt. Hat der Masshoffsche Tuning-Trick mit lockeren Spannschrauben nicht den genau gegenteiligen Effekt?

    Ja, eine einzelne lockere Schraube verändert durchaus das Obertonverhalten, weil das Fell durch die ungleichmäßige Spannung zwar mehr Obertöne entstehen können, aber diese sind für sich wesentlich leiser.


    Um den Schnittpunkt der Knotenlinien relevant aus der Mitte zu schieben, müsste man schon eine Hälfte der Schrauben ein Stück weit entspannen, und auch dann werden es wohl nur wenige Zentimeter sein.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!