Die Diskussion lässt mir keine Ruhe ![]()
Mittlerweile diskutieren wir doch zwei komplett gegensätzliche Positionen: Das freie Musizieren vs. an den Noten kleben.
Man müsste sich mal über die Kosten, Effizienz oder überhaupt die Machbarkeit von Filmmusik Gedanken machen, würden alle Orchestermitglieder ohne einen Plan miteinander arbeiten, so wie man das in einer Band tut. Oder wie würden sich Mozart, Beethoven etc. heute anhören, wenn die Stücke rein über die Ohren weitergegeben worden wären? ![]()
Aber das ist jetzt bewusst provokant geschrieben und darum ging es mir auch nicht. Es hat ja alles damit angefangen, dass es für Nicht-Notenleser schwerfällt, Übungen in Notenschrift zu entziffern. Es ist vielleicht ähnlich wie das Hausaufgabenheft in der Schule: Schreibt man sich die Hausaufgaben nicht auf, dann kann man sie sich immer noch im Kopf merken. Man kann nachmittags auch jemanden anrufen, der einem das auf der Tonspur wiederholt. Gegen das alles ist auch gar nichts einzuwenden. Wäre es aber nicht praktisch, hätte man irgendein Medium, mit dem man etwas festhalten kann? Hier das Hausaufgabenheft mit Bleistift und Sprache/Schrift, dort das Leadsheet, Notenblatt, was auch immer. Da kann auch jeder seine eigenes Medium haben bzgl. Form und auch "Intensität" (Informationsdichte, also was/wieviel schreibe ich mir auf). Hier mal als Beispiel ein Leadsheet, das ich kürzlich gemacht habe für ein Cover:
Das ist keinesfalls eine komplette Transkription des Songs, an dem ich dann kleben würde, sondern es enthält den Ablauf und die wesentlichen Fills und Akzente, die ich spielen möchte. Da ich mich beim Aufschreiben schon ausgiebig mit dem Song befasst habe, reicht mir das, wobei ein Außenstehender sicherlich Probleme damit hätte. Allerdings käme er bestimmt schneller ans Ziel, wenn er sich den Song ein-/zweimal anhört und mein Sheet aktiv mitliest. Da ich eben früher mal Notenlesen gelernt habe, nutze ich dieses Werkzeug um mir signifikante Dinge zu visualisieren. Das heißt aber ja nicht, dass ich daran kleben würde und kein Feeling mehr reinbringen kann. Der Vorteil ist, dass ich nach dem Notieren im Prinzip schon den halben Song gelernt habe und nach einigem Proben bis zum ersten Gig die meisten Songs auch auswendig kann. Im Prinzip wie Spickzettel schreiben, man lernt durch das Schreiben und braucht ihn dann nicht mehr. Das ist natürlich kein pauschales Konzept, das bei jedem funktioniert. Aber man kann sich sehr viel Zeit sparen.
Mir persönlich wäre es einfach zu blöd, müsste ich jedesmal eine Aufnahme anhören, wenn ich vergessen habe, wie diese Übung oder jeder Fill im Song nun wieder geht. Ich kenne einen Gitarristen, der kann manchmal nicht auf Anhieb das Riff von Born to be wild" spielen, je nachdem, welcher Song/Riff vorher dran war.
Hätte er hier eine Art "Notenschrift" wie auch immer die aussehen mag, wäre das dann vielleicht eine echte Hilfe.
Ich hatte mal einen Schüler, der brachte die Schule seines früheren Lehrers mit, da waren die verschiedenen Notenpatterns mit Wörtern versehen, z. B. 4 Sechzehntel nacheinander als "Kla-ri-net-te". Ich könnte mir tatsächlich da am Ende des zweiten Chorus 2x Klarinette hinschreiben, aber ich ziehe die Notenschrift vor - weil das für mich einfach einen gewissen Normfaktor hat, den man auch Jahre später verstehen kann, wenn man es einmal gelernt hat. Wogegen "Klarinette" rhythmisch auch anders ausgesprochen werden könnte. Es ist ja beim normalen Lesen und schreiben auch so. Warum können wir das heute so flüssig? Weil wir es ganz langsam und heruntergebrochen gelernt und geübt haben. Heute würde niemand mehr Silbenbögen unter Wörter malen, wenn er einen Text zum ersten mal liest. Trotzdem hat in der 1. Klasse niemand gesagt "du klebst ja komplett an den Buchstaben". ![]()