Hallo,
netter Versuch, aber schon das Blaue am Anfang ist für mich nicht nachvollziehbar.
Grundsätzlich darf erst mal jeder tun und lassen, was er will, Art. 1, 2 I GG.
Dummerweise gilt das auch negativ (Art. 1, 2 GG) und schon haben wir es: die Abwägung.
Sie zieht sich durch alles Weitere und oft kommen wir dann zu ganz allgemeinen Fragen des Zusammenlebens,
rein rechtlich gesehen auf verschiedenen Rechtsgebiete: Zivilrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht.
Das nur grob.
Beim Öffentlichen Recht kommen noch landesrechtliche Besonderheiten hinzu, aber auch die Gerichtsbarkeit ist untergliedert in Bundes- und Landesgerichte.
Da kann es bei feineren Untergliederungen durchaus auch vielfältige Rechtsprechung geben, davon erfahren wir im Internet ein bisschen was, in Fachpublikationen deutlich mehr und schließlich an der Basis (im wirklichen Leben) so manche Überraschung, denn ein Gericht vor Ort kann einen bestimmten Fall vielleicht ganz anders entscheiden wie ein ganz anderes Gericht irgendwo ganz anders und am Ende erfahren von den Urteilen nur die Beteiligten, weil sie gar nicht veröffentlicht werden, was übrigens die Regel ist.
Und ab jetzt kann man ein Buch schreiben, das letztendlich auch keine Rechtssicherheit bietet.
Konkret:
§ 117 OWiG ist eine Bußgeldvorschrift für Lärmverursacher. Der Tatbestand ist sehr grob umschrieben und lässt massig Spielraum für Interpretationen. Zur Anwendung kommt die Vorschrift meist dann, wenn ein genervter Nachbar die Polizei ruft und diese vor Ort dann die Situation so interpretiert, dass es sich um unzulässigen Lärm handelt. Das Ergebnis ist dann, dass entweder eine Einstellung erfolgt, eine Verwarnung erteilt oder ein Bußgeld verhängt wird. Also im schlimmsten Fall heißt es für den Lärmenden, dass er zahlen muss.
Landesimmissionsschutzgesetze gibt es mehrere, wir haben in Deutschland ein paar Bundesländer, dank des föderalen Systems machen die teilweise jeweils ihre eigenen Gesetze, die oft sehr ähnlich, manchmal auch sehr verschieden sind. Da muss man dann schon wissen, wo man wohnt, wenn man da nachsehen will. Auch hier handelt es sich um öffentlich-rechtliche Normen.
Daneben gibt es aber auch namentlich im Bereich des Nachbarschaftsrechts und Mietrechts zivilrechtliche Normen, welche zur Anwendung kommen könnten, hier handelt es sich ja offenbar um eine Mietwohnung, da spielen sich die Verhältnisse zwischen Vermieter (V) und Mieter (Mn) ab. Wenn also der musikalische Mieter M1 Schlagzeug spielt und der unmusikalische Mieter M2 das doof findet, wird M2 gegen V vorgehen und V gegen M1. Das steht dann aber nicht im öffentlichen Recht, sondern im Zivilrecht, hier im Mietrecht und das steht vor allem in §§ 535 ff BGB. Dummerweise wird dort kein Wort über Schlagzeug oder Musik verloren, noch nicht mal explizit über Lärm, es geht ganz allgemein um Störungen. Im Nachbarschaftsrecht ist das ähnlich, da muss zum Beispiel § 1004 I BGB so ziemlich für alles herhalten. Wer sich die Vorschriften mal ansieht und daraus nicht schlau wird, hat eine ungefähre Ahnung davon, warum man das nicht eben mal mit einer Abschrift von irgendeiner seriös erscheinenden Homepage getan ist.
Und nein, es gibt keine wirklich allgemeingültige Aussage. Musizieren ist grundsätzlich erlaubt, aber nur im Rahmen des Erträglichen, was das ist, entscheidet im Zweifel (und den muss man aufgrund der Rechtslage immer haben) das zuständige Gericht vor Ort. Für meine Hütte wäre das AG Frankfurt am Main Außenstelle Höchst. Kennt jemand ein Urteil von diesem Gericht?
Aha.
Und ja, es kommt immer darauf an, auf die Umstände des Einzelfalles.
Wenn die im Gewerbegebiet gelegene Wohnung des Berufsjazzmusikers ansonsten nur Werktätige oder Schwerhörige wohnen und der zwei Stunden am helllichten Tag mit dem Besen seine Schnarre wischt, sieht die Sache anders aus, wenn im Stahlbetonbau, wo massenhaft Familien mit kleinen Kindern hausen, der Schwermetallmeister sein Quadruples vierstündlich täglich auf dem ungebremsten Kachelboden grundsätzlich zur Mitternachtsmesse zelebriert.
Man kann immer wieder nur raten, einfach mit allen aural Beteiligten Vereinbarungen zu treffen, das ist das Einzige, was halbwegs sicher ist.
Grüße
Jürgen