Neues aus dem Laden...

  • Juhuu! Die neue Woche fing schon großartig an...



    Montag: Tag des inoffiziellen Clarina-Freundeskreises
    Also, das ist schon eine seltsame Sache, wie bestimmte Kundenwünsche manchmal zeitlich zusammen fallen. Es gibt wochenlang keine Nachfragen zu einem bestimmten Gerät, aber an einem einzelnen Tag, in einer einzelnen Stunde, kommen plötzlich pausenlos Leute, die genau DAS wollen - und zwar NUR das. Sicher spielt meine selektive Wahrnehmung da auch mit rein, aber zumindest für diesen Montag tat sie das ganz sicher nicht. Es wollten gleich mehrere Kunden unbedingt eine Clarina ( http://www.hohner.eu/index.php5?1054 ). Ein Instrument, nach dem seit meinem Dienstantritt in dem Laden noch niemand gefragt hatte - und zumindest Dienstag und Mittwoch auch keiner wieder gefragt hat.


    Schön an diesen geballten Anfragen ist, dass man nur ein mal die nötigen Recherchen macht und allen weiteren Kunden dann sofort erzählen kann, dass z. B. die Clarina aktuelle EU-Richtlinien für Kinderkram nicht mehr erfüllt und deshalb aus dem Verkehr gezogen wurde...


    Witzig ist aber, wie unterschiedlich die Kunden auf diese Nachricht reagieren.
    Typ A: "So ein Quatsch!Mir hat es auch nicht geschadet! Die EU hat se nicht alle!"
    Typ B: "Ach, wie schade! Gibt es Alternativen?"
    Typ C: "Ohgott! Ich hab alle meine Kinder mit SOWAS (teuflischem) spielen lassen???"
    Typ D: "Ok, dann bestell ich sie bei Amazon."


    Typ A und D waren recht schnell wieder aus dem Laden raus (ich tippe auf "Fußballschuhe kaufen" ), bei Typ B und C hatte ich noch Gelegenheit, nach einer adäquaten Lösung suchen zu dürfen und auch da gab es doch drolliges Individualverhalten.
    Der erste Vorschlag war die Triola ( http://de.wikipedia.org/wiki/Triola )


    Einigen Kunden war dieses Instrument zu unsexy designed. Es sei "kantig", "sehe ja gar nicht aus, wie ein Instrument", da "wolle doch kein Kind drauf spielen", usw...
    Da frag ich mich ernsthaft, ob es das Grauen an sich irgendwie verbessert, wenn das Teil eine Pseudo-Trötenform hat??? Eigentlich sind beide Instrumente in der Funktion identisch. Übrigens sieht man hier auch den Unterschied zwischen BRD und DDR, denn beides waren früher absolut alberne, musikpädagogisch eher zweifelhaft nutzbare Spielzeuge aus Plastik mit fürchterlichem Klang, nur eben jeweils auf einer Seite der Mauer...
    Gut, die Triola gewinnt bei mir emotional, weil wir Verwandte in der DDR hatten und ich diesen als Kind dort sehr gerne und ausgiebig mit ihrer Ostblock-Tröte den letzten Nerv geraubt habe. Wir, im Westen, hatten immerhin Sonor-Glockenspiele, mit denen ich den diesseitigen Verwandten den letzten Nerv,... äh... ich schweife ab.


    Andere Kunden bemängelten, dass die Triola aus Plastik sei. "Haben sie nicht was aus Holz?"
    Was soll man denn da noch sagen? ...Die Clarina nicht?




    Dienstag: "Eine Matallsaite für meine Yamaha-Gitarre, bitte!"


    Schon wieder geballt. Zwei Kunden stellten nahezu die gleiche Aufgabe an mich, einer morgens gegen 10, der andere Nachmittags gegen 16 Uhr.
    Beide hätten eine Yamaha-Gitarre und beide wollten einfach nur "eine Metallsaite".
    Beim ersten hab ich, zugegeben, noch etwas naiv reagiert, gefragt welche Saite es denn genau wäre und dann bei den Saiten für Westerngitarren danach gewühlt. Als er dann nebenbei fragte, ob die Plastiksaiten auch irgendwann reißen würden, kam ich mir zwar etwas verarscht vor,... aber ok... Also doch keine Western, dann bekommt er also die Nylon A-Saite mit Metallumspinnung.


    Beim 2. war es deutlich einfacher. Gleiche Ansage, aber
    1. Indiz: "Es ist die dritte von den Dicken." - also eine D-Saite
    2. Indiz: "Da sind drei Metallsaiten und drei Plastiksaiten drauf"
    3. Indiz: "Ich bin ja noch Anfänger"


    Ahja - das erste Indiz reicht eigentlich. Ich arbeite noch nicht so lange im Musikladen und bin absolut kein Gitarrist, aber man lernt hier schnell, dass die D-Saiten bei den Nylons schnell mal reißen, da sie im Verhältnis die höchste Zugkraft/Material haben.
    (Um Das kurz ins Bewusstsein zu rücken: Als Einzelsaiten haben wir für Nylons die dreifache Menge an D-Saiten vorrätig, es gibt auch komplette Nylon-Saitensätze mit doppelter D-Saite. Der erste Kunde hatte mich mit seiner A-Saite etwas in die Irre geführt, aber auch die kann ja mal reißen...)


    Zu 2.: Eine Belehrung in Sachen "das ist alles Nylon, aber bei den Basssaiten ist eine Metallumspinnung drumrum" kann ich mir bei solchen Kunden leider nicht verkneifen, die haben sie beide bekommen. Wenn ein Drummer nicht weiß, welches Fell zu seinem Wunschsound passt, ist das was Anderes, denn hier geht ja prinzipiell echt alles, aber bei "Gitarristen", die nicht wissen, was für einen Gitarrentyp sie spielen,... hmmm... Ey Leude, sucht euch doch bitte mal nen Lehrer!


    Das dritte Indiz ist etwas schwammig, aber die meisten Anfänger sind auf ner Nylon-Gitarre unterwegs. Schwammig... also ich z. B. hab mit ner E-Gitarre angefangen, mein Bruder mit ner Western. Wir können aber beide nicht wirklich Gitarre spielen, also war das wohl falsch ;)



    Mittwoch: Tag des Akkordeon-Terrors


    Der heutige Mittwoch war gespickt mit Akkordeon-Kunden. Glücklicherweise leiten wir solche Kunden direkt an den Chef in die obere Etage weiter, wo auch die meisten Akkordeen stehen. Unglücklicherweise sind die Dinger laut und es gibt keine schalldichte Trennung zwischen den Etagen. Ich hatte heute einen echt üblen Tag.

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  • Davon abgesehen, dass ich ein Akkordeon durchaus als ein fähiges Instrument betrachte, wünsche ich Dir noch eine schöne Restarbeitswoche! :)


    P.S.: Ich fand als Kind immer diese Melodikas dämlich, sowohl in Bezug auf das Material (Geschmack!!), den Klang (Tröööt...), als auch auf die Farbe (immer türkis!!!).
    Von Clarinas oder Triolas hatte ich bis jetzt noch nie etwas gehört... ^^

  • Kannst Du noch eine Fundstelle zur Clarina-EU-Problematik liefern? Ich habe nix gefunden... Danke für die heiteren Anekdoten!

    Rogers, Gretsch und Toontrack beherrschen mein Leben!

  • Davon abgesehen, dass ich ein Akkordeon durchaus als ein fähiges Instrument betrachte,

    Ja, ich verallgemeinere natürlich etwas. Grundsätzlich ist es nicht die Waffe, die tötet, sondern der Finger am Abzug,... also habe ich z. B. den Bulgarier verheimlicht, der weder Musettewalzer noch Shanties, sondern interessante, komplexe Kompositionen gespielt hat - und das beeindruckend gut!
    80% aller Akkordeonkunden sind aber leider Hobby-Hamburger-Fährmänner über 70, ohne Talent und Können...
    Wenn jemand ernsthaft damit umgehen kann, kann ein Akkordeon tatsächlich cool sein.

    Kannst Du noch eine Fundstelle zur Clarina-EU-Problematik liefern?

    Ich hab halt beim deutschen Vertrieb angerufen. Nach deren Aussage wird das Teil möglicherweise überarbeitet, um besagte Richtlinien für Kinderspielzeuge dann wieder zu erfüllen. Was genau das Problem war, habe ich nicht erfahren. Wahrscheinlich wie immer - Kleinteile verschluckbar, oder zu viel Weichmacher im schmackhaften Kunststoff, oder so ;) Jedenfalls wurde es vom Markt genommen.



    Edit: Da Deutschland heute in die USA einmarsch... äh... gegen die USA gespielt hat, war eigentlich ab Mittag niemand mehr im Laden. Somit nix Neues aus dem Laden ;)

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  • Es ist schon witzig, wie schnell man Kunden nur wegen optischer Merkmale eingeordnet hat, noch bevor sie die Glastür zum Laden ganz öffnen konnten.
    Noch witziger ist, dass man dabei mit wenig Übung schnell nah an die 100%-Trefferquote ran kommt und eigentlich immer vorher schon weiß, wie die Frage des Kunden lauten wird.
    Ok, das ist so natürlich übertrieben. Eine grobe Einteilung der Kunden passiert aber wirklich auf den ersten Blick - ob gewollt oder nicht. Schön ist 's, wenn man sich dabei mal total irrt, aber erschreckend oft trifft das Vorurteil dann doch zu - mal ganz exakt, mal nur nah dran. Diese Vorauswahl erfüllt nebenbei auch einen sehr substanziellen Zweck für mich: "Will der Kunde zu mir oder will er in die Notenabteilung? Bekomme ich was zu tun oder kann ich endlich mal eine rauchen gehen?"


    Zuerst ein paar vereinfachte Kunden-Grundtypen für den kleinen Vorurteils-Anfänger:


    - Geschlecht egal, Alter egal, Klassik-Gitarrentasche auf dem Rücken -> die D-Saite ist gerissen. Entweder wünscht er die einzelne Saite oder einen ganzen Satz. Ich muss sie allerdings auch aufziehen.


    - ganze Familie (Vater, Mutter + X Kinder) -> für das älteste Kind wird ein Anfängerinstrument gesucht. Vater bezahlt mit EC-Karte. ( Ab 7 Jahren: Junge - Gitarre / Mädchen - Geige. Jünger: Blockflöte)
    (- Mutter mit einem Kind -> Das Kind ist mindestens das zweitgeborene. Mutti hat das Geld in Bar bei sich... sonst s. O.! )


    Abgesehen von diesen Sonderfällen ist das Alter meist ein gutes Indiz:
    (Kinder und Teenager ohne Eltern, sind nur von Vorurteils-Fortgeschrittenen und -Profis einzuschätzen!)


    - weiblich, zwischen 20 und 30, sportlich -> sucht ne Alt-Blockflöte, Klassik-Gitarre, vielleicht sogar ne Geige oder, ganz selten, ne Querflöte, jedenfalls für Anfänger
    - männlich, zwischen 20 und 30, sportlich -> sucht ne Anfänger-Western-Gitarre
    ( - Männlich, gleicher Typ mit langen Haaren -> E-Gitarren-Starter-Set)
    - weiblich, zwischen 20 und 30, aber alternativer Öko-Typ -> sucht ein Cajon
    - männlich, 20-30, gleicher Typ -> Didgeridoo, Rainmaker, Ethno-Percussion... was in der Art


    - w, 30-40, geschminkt, gepflegter Typ -> Geigensaiten oder -zubehör. Seltener Gitarrensaiten (Nylon)
    - m, 30-40, geschminkt, gepflegter Typ -> "Mamma Mia"-Musical-Songbook für Keyboard
    - m, 30-40, weniger aufs Äußere bedacht -> Western-Gitarren zwischen 500,- und 1000,- Euro
    - w, 30-40, weniger aufs Äußere bedacht -> Chor-Noten


    - w, 40-50, sonst undefinierbar -> was "Verrücktes" (ich zitiere nur :rolleyes: ) wie Djembe, Ukulele,... vielleicht sogar "mal 'ne Western?"
    - m, 40-50, sonst undefinierbar -> Western-Gitarre von Martin


    - m, 50-60, gepflegt und gut in Schuss -> wahrscheinlich Streicher, oft sogar Profi. Noten oder Zubehör für Geige, Bratsche, Cello. NICHT für Kontrabass!
    - w, 50-60, gepflegt und gut in Schuss -> Chornoten (Mezzosopran oder Alt) oder Klaviernoten.
    - m, 50-60, untersetzt und Bluthochdruck -> ne Westerngitarre ab 1000,- Euro
    - w, 50-60, ähm... naja,... sehr stark geschminkt -> Noten für Querflöte, Klarinette, Bratsche oder Cello



    - w, über 60, körperlich fit -> Gospelchornoten oder Klangschalen
    - m, über 60, körperlich fit -> Akkordeon (je nach Herkunft Hohner, Weltmeister oder ein Italienisches)
    - w, über 60, körperlich nicht mehr so fit -> was für's Enkelchen... Windspiele, Glockenspiele, Rasseleier, Klanghölzer, generell jeder Orff-Kram, pentatonische Flöten, etc... Aber bitte nur aus Holz! ...oder Gospelchornoten.
    - m, über 60, körperlich nicht mehr so fit -> Mundharmonika ("Echo-Harp" oder "unsere Lieblinge")


    Es ist natürlich absolut unfair, ab 60 schon den Vorurteilsschlussstrich zu ziehen, aber leider ändert sich darüber tatsächlich nicht mehr viel am Kundenwunsch. Und überhaupt geht es hier ja nur um "Vorurteile", also darf ich da auch alle über 60 einfach mal platt als Altsäcke diffamieren! :D . Die Realität sieht natürlich viel differenzierter aus, aber als kleine Einführung in die Kunden-Vorurteilskunde, taugen die Beispiele leider schon irgendwie...


    Einen mächtigen Altersschritt gibt es dann aber doch noch: Wenn es einzelne Menschen über 90 noch mal aus eigener Kraft bis in unseren Laden schafften, dann gehörten gerade DIE zu den interessantesten, spassigsten, homorvollsten und einfach angenehmsten Kunden, die ich bisher kennenlernen durfte.
    Wie die Jüngsten sind die aber nur was für den Fortgeschrittenen oder gar Vorurteilsprofi.

  • Oh, eine Sache noch:
    "Das hab ich bei Tho... aber deutlich billiger gesehen!"
    - ist eine Aussage, die wir sehr häufig hören.


    Ja, glaub ich, stimmt! Was können wir als Einzelhändler denn auch dagegen anstellen?
    Wir wissen, wieso das goße T so günstig anbieten kann, wir haben selbst als Fremd-Mitarbeiter alle auch selbst schon mal dort bestellt und echt viele Kundenberatungen gegeben, die aber dann doch nur zu Bestellungen beim T führten,... eigentlich schämen wir uns alle... Ob für unseren Geiz oder für die Beratungsresistenz mancher Kunden.


    Nein, keine Sorge! Ist schon ok! Herr T kann halt fast alles günstiger anbieten, als wir das bei Ihnen vor Ort können, also vergleichen sie ruhig und bestellen lieber online! Den Service bietet er ja dazu auch an.


    Nur bitte! Von etwa 60 Instrumenten, die ich seit Oktober wieder spielbar gemacht habe, oder denen ich sogar neue Ersatzteile maßanfertigen musste, waren mindestens 40 Eigenmarken vom großen T. Wenn sie schon dort kaufen, belästigen sie uns doch nicht mit deren Wartungsaufgaben. Wir müssen ihnen dafür echt Geld abnehmen, dort haben Sie nen kostenlosen Garantieanspruch!


    Ja, war diesmal garnicht lustig, aber denken sie bitte mal drüber nach!

  • Ich möchte ja nicht eine Spaßbremse sein, aber ich würde bei Euch nicht kaufen wollen.
    Warum nicht? Weil ich Schubladen für Verkäufer habe, die mit einer gewissen Überheblichkeit an unbedarfte Kunden herangehen.


    Was soll ich nur mit Streichernoten anfangen? :D

  • Naja, die erste Vorauswahl passiert ja bereits lange bevor jemand in die Nähe unseres Laden kommt - du würdest vermutlich eher zu einem unserer Mitbewerber gehen, die tatsächlich Drumsets im Sortiment haben. Wer in unseren Laden kommt, ist also schon durch das erste Sieb durch und lässt sich dann etwas einfacher bevorurteilen ;)

  • Das eigentliche Highlight heute, war definitiv eine Dame, die erst nur von außen durch die Glastür in den Laden schaute.
    Gut, sie macht sich erst ein Bild vom Laden. Find ich ok. Nach einigen Minuten fand ich das aber irgendwie doch seltsam. Ich war schon auf dem Weg zur Tür, da kam sie rein, ignorierte meine "Wie kann ich Ihnen helfen"-Anfrage und schaute sich näher im Laden um. Nach etlichen weiteren Minuten kam sie dann doch zu mir, kramte einen Zettel aus der Tasche: "XXX-CD-Player aus den 90ern, Plötzlich defekt".
    Ich erklärte, dass wir mit Elektronik nichts am Hut hätten, sondern fast ausschließlich rein akustische Instrumente anbieten würden, worauf sie mir die ganze Geschichte vom CD-Player-Erwerb bis zum plötzlichen Ableben des Gerätes erzählte. Ich erklärte ihr nochmals, dass wir für Elektrogeräte nicht der richtige Ansprechpartner wären und empfahl ihr einen Laden in der Nähe. Sie schien nun zu verstehen und wandte sich zur Tür. Kurz davor drehte sie sich um, und fragte mich, welche CD-Player ich im Angebot hätte. ..."Herrgottsackranochmalverdammteinzucht!" - sagte ich natürlich nicht, sondern bat sie nur höflich, den besagten Laden aufzusuchen, da ihr dort sicher geholfen werden könnte.


    Nach ner halben Stunde kam sie wieder. Dort hätten sie nur neue Geräte, also wollte sie noch mal fragen, welche günstigen Gebraucht-CD-Player wir hätten.
    Was ich dann gedacht habe, schreibe ich besser nicht auf, aber gesagt hab ich: "Leider gerade keine. Geben sie mir ihre Telefonnummer? Falls sich da was tut, melden wir uns natürlich gerne bei Ihnen."

  • Zitat

    - m, 40-50, sonst undefinierbar -> Western-Gitarre von Martin


    Mist, erwischt :D Wobei das ja einfach ist, welcher 18-jährige hat schon Geld für ne 1600€ Gitarre.




    Zitat

    plötzlich jemand fragt, ob wir auch was von Helene Fischer spielen könnten


    Oh ja, den Gag kenn ich ;( Ich konnte mir gerade noch auf die Zunge beißen und den Kommentar runterschlucken, der da unbedingt raus wollte.

  • welcher 18-jährige hat schon Geld für ne 1600€ Gitarre

    Ja, das ist halt kein Normalfall. Aber um auch Mc.Mans subtilen "Schubladendenken"-Vorwurf wieder aufzugreifen:
    Manchmal liegt man mit solchen Einschätzungen echt vollkommen daneben. Diese Fälle waren bisher immer irgendwie geil, nur leider viel zu selten.


    In einem Fall lagen wir Mitarbeiter alle gleich mehrfach daneben. Schlanker, sportlicher Jüngling (so ca. um die 20?), Lange blonde Haare, Kutte, Black Metal-Aufnäher, darunter ärmelloses Muscle-Shirt, enge Jeans offene Stiefel,... Mehr optisches Klischee geht eigentlich gar nicht. Er kaufte zuerst auch tatsächlich E-Gitarrensaiten, und schaute sich nur kurz mal bei den Akk.-Gitarren um. Da waren wir alle noch in unseren Vorurteilen bestätigt. Er war offensichtlich Student, auffallend eloquent ohne abgehoben zu sein und einfach nett.
    So eine Erscheinung ist in unserem Laden selten (also optisch! Eloquent und nett sind die meisten... und etwas abgehoben ;) ), deshalb merkt man sich diese Kunden natürlich sofort.
    Nach dem 3. oder 4. Besuch, fragte er dann sehr höflich, ob er mal die richtig teuren Klassik-Gitarren anspielen dürfe. Nicht die Westerns, sondern die Klassischen! Erstes Vorurteil im Arsch! Er suche etwas in Fichte/Palisander. (oh,... er kennt die Hölzer? Hat er vielleicht sogar richtig Ahnung von der Materie?)
    Als er darauf dann sehr sauber und einfühlsam Bachwerke spielte, war auch das 2. Vorurteil zertrümmert.
    Die richtige Gitarre war im High-End-Sortiment auch schnell gefunden.


    Allerdings haben "junge Leute halt keine Tausender locker" oder wie war das?
    Er kam dann noch ein paar mal vorbei, verglich auch weiter mit den Neuzugängen und kaufte das Teil schließlich - 3. Vorurteil dahin! Ok, bezahlt hat er in 3 Raten, die aber wegen der Gesamtsumme trotzdem noch heftig genug waren.


    Er kommt immer noch regelmäßig vorbei um seine Saiten oder Zubehör zu kaufen, testet aber keine Gitarren mehr. Wir Mitarbeiter der Instrumentenabteilung haben intern beschlossen, dass er immer nen starken Sympathie-Rabbatt bekommt - noch ein Grund, weshalb mein Chef hier besser nicht mitlesen sollte ;)



    Edit: Achja @ Trommeltom:
    "Das ist ja in etwas so, wie wenn wir einen Auftritt haben, und nachdem
    wir die Hälfte unserer Songs durchgespielt haben, plötzlich jemand
    fragt, ob wir auch was von Helene Fischer spielen könnten."
    - Eine Classic-Rock-Party-Band, bei der ichab und zu aushilfsweise getrommelt habe, hat genau diese Anfragen tatsächlich aufgegriffen und 2 Helene Fischer-Songs ins Programm aufgenommen... Als Hardrock-Cover, was es leider nur wenig besser macht. Man kann Kacke halt nicht aufpolieren.

    2 Mal editiert, zuletzt von jalokin ()

  • ^^ Da bist du in guter Gesellschaft, und es passiert den Besten. Auch bei Marc-Uwe Klings Känguru-Manifest ist in der ersten Auflage von "Akkustik" die Rede. Wo kann man sich eigentlich als Korrekkturleser bewerben?

    -
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  • Hm... Ein Randgespräch mit einer heutigen Blockflötenkundin ist irgendwie erwähnenswert, wenn auch nicht lustig gemeint. Es würde allerdings auch in den "Nichtschlagzeuger-Thread" passen... Naja - es war in unserem Laden, also hier!


    Die Dame wollte für ihren Sohn (7 Jahre) eine Kunststoffblockflöte, weil er inzwischen die teure hölzerne von ihr anektiert hätte und sie sich einfach Sorgen um ihr Instrument machte. Nebenbei erwähnte sie noch, dass er sich auch nix aus Sport mache, aber voll auf Musik abfahren würde ( ...Hab den Jungen nie gesehen, aber YESSS!!! Du hast meine volle Sympathie!).


    Das eigentliche Verkaufsgespräch lief ganz sachlich und problemfrei ab - hier also nicht erwähnenswert - aber die anschließende Unterhaltung hat mal wieder gezeigt, wie Nichtschlagzeuger über unser Instrument und generell über Rock, Pop, usw... denken - selbst wenn sie dabei wirklich extrem wohlwollend und tolerant sind!


    Der Junge hätte seit der musikalischen Früherziehung immer wieder gesagt, er wäre gerne Trommler. Alle anderen Instrumente interessierten ihn bisher nur für wenige Monate, Trommeln wollte er aber seit dem immer. Er sei mit der Musik der Eltern (Classic Rock) aufgewachsen und genau das wolle er machen. Sie habe dann einen Bekannten gefragt, der in ner Rockband singt, und der meinte tatsächlich, dass man das nirgendwo lernen könnte - die Drummer machten das halt alle nur irgendwie aus Spaß. (...bessten Dank auch!)


    Da bin ich eingeschritten und warf das Stichwort "Musikschule" in den Raum. Sie guckte irritiert und meinte, dass das ja wohl falsch wäre - er wolle ja nicht Orchesterschlagwerk lernen.


    Dann hab ich mich selbst als Drummer geoutet, der ebenfalls Schlagzeugunterricht an ner Musikschule hatte, hab ihr erzählt, dass fast jede Musikschule auch Pop und Rock und sogar deren Drumming vermittelt und ihr noch ein paar entsprechende Flyer in die Hand gedrückt.
    Ihr Gesicht sprach Bände. Eine Mischung aus Unglauben, Freude, Erleichterung und "Verarschen Sie mich?"... Sie konnte nicht glauben, dass Musikschulen inzwischen im nächsten Jahrhundert angekommen sein könnten, obwohl es genau das war, was sie sich für ihren Sohn wünschte! Ich hab echt keine Ahnung, wieso sie da vorher nie nach gesucht hatte aber nun hoffe ich drauf, dass sie das endlich mal tut!


    Vielleicht muss da echt nur mal mehr Öffentlichkeitsarbeit gemacht werden - Zielgruppe und Unterstützer gibt es!

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