Also ich kann hier mal ein Update zu Jamulus geben: wir haben als Band zumindest begonnen, diese Art der Probe mal zu erforschen. Nächste Woche soll es zum ersten Mal richtig ernst werden mit Bass und Schlagzeug in einem Raum und zwei Gitarristen jeweils von zu Hause aus dazu.
Vorweg: es geht erstaunlich gut! Die Audioqualität ist brauchbar und die Latenzen liegen bei 35 ms Roundtrip. Das Thema mit den öffentlichen Räumen ist eigentlich keins, denn wenn man sich auf einem der öffentlichen Server einloggt, dann kann man sich und seine Bandkollegen auf dem Minimischpult der Software auf „Solo“ schalten mit dem Ergebnis, dass man eben nur die Leute hört, die man hören will. Das einzige, was man nicht verhindern kann, ist, dass andere einem zuhören oder auch mitjammen für sich. Aber de facto können je nach Größe des Servers bis zu 30 Leute gleichzeitig miteinander spielen und sich wenn gewünscht in „Gruppen“ aufteilen. Einen eigenen Server kann man auch konfigurieren, aber die niedrige Latenz der öffentlichen Server (7-10 ms) erreicht man mit Hausmitteln nicht.
Folgende Regeln muss man zur Erreichung der niedrigst möglichen Latenz einhalten:
- Anbindung des Rechners zu Hause an den Router mit einer LAN-Kabelverbindung. WLAN funktioniert nicht bzw. nicht stabil und erhöht die Latenz erheblich.
- Stabile DSL oder Glasfaseranbindung ans Internet. Ich war bei uns am schwächsten ausgestattet mit DSL bei 50/10 Mbit und das reicht vom Datenvolumen mehr als genug. Wichtig ist eher eine niedrige Pingzeit (bei mir immer so zwischen 7 und 11 ms).
- Ein Audiointerface, dass den Anschluß von mindestens seinem Instrument sowie einem Mikrofon erlaubt. Sänger kommen also mit einem Eingang aus, die anderen brauchen zwei Eingänge. Mehr kann man dann auch nicht übertragen.
- Einen stabilen ASIO-Treiber für das Interface. Asio4All geht auch, aber erhöht in den meisten Fällen die Latenz um ca. 10 ms. Wir hatten Steinberg und Focusrite Interfaces am Start mit jeweils eigenen ASIO-Treibern und alle hatten ca. 30-40 ms Roundtrip Latenz. Einer aus unserer Band hatte für den Test nur ein t-Bone USB-Mikrofon mit Asio4All und kam auf 45 ms Roundtrip.
- Einen Kopfhörer für das Monitoring. Dies verhindert Echos über die Mikrofone und eliminiert eine weitere Quelle für Latenz.
- Es gibt zwei Wege sich selber zu hören: entweder über Hardware-Monitoring im Interface, dass ist dann latenzfrei. Oder aber über die Jamulus Software, dann hört man sich selber mit der Roundtrip-Latenz. Für mich kommt nur die latenzfreie Variante in Frage.
- Jeder Musiker sollte ein Mikrofon haben, damit man kommunizieren kann. Ohne ist es sehr sehr mühselig.
- Als Server sollte man sich einen mit möglichst niedriger Latenz aussuchen - das sind meistens die Server, die Nahe am eigenen Standort stehen.
Ihr seht schon, das alles bestimmende Thema ist die Roundtrip Latenz. Nach Aussage von Musikern, die wir bei unseren Testaufenthalten kennengelernt haben, geht es bis 35 ms sehr gut, bis 45 ms so „na ja“, ab 50 ms kann man es vergessen. Ich bin sehr gespannt, wie es dann mit dem echten Schlagzeug ist. Bisher habe ich zum Testen nur einen Shaker gespielt, da ging es problemlos, dass alle zusammenblieben... 30 - 35ms wären in einem Raum 10-12m Abstand, weiter wollte man freiwillig wahrscheinlich nicht auseinander stehen wollen ohne Monitore oder IEM.
Bei uns wird der nächste Test so ablaufen, dass ich mit dem Bassisten zusammen gemeinsam in einen „Slot“ von Jamulus spiele. Wir werden dabei in mein X32 spielen und uns auch von dort (IE)-Monitoren (ohne Latenz). Die beiden Gitarristen spielen von zu Hause aus und Mischen sich ihr Monitoring über ihre Interfaces bzw. Jamulus zurecht. Wir werden die Gitarristen aus Jamulus zurück auf das X32 führen und dort in unsere IEM-Mixe einbinden. Da man in Jamulus keine großartige Manipulation der Signale machen kann, muss jeder Teilnehmer von sich möglichst einen optimalen Sound ans Interface liefern. Die Gitarristen müssen also mit Kemper/Helix/You-name-it antreten, das Drumset muss gut mikrofoniert und abgemischt sein und der Bassmann kann ggf. mit einem DI-Signal leben oder aber eine IR- Boxensimulation dazwischen schalten. Der/die Sänger sollte mit einem Mikrofon ins Interface gehen, dass möglichst schon so gut klingt oder aber mit einem Channelstrip vorarbeiten. Hall und Effekte helfen eher nicht oder sollten nur lokal über das eigene Interface zugemischt werden, wenn man nicht drauf verzichten kann.
Soviel erstmal zu meinen bisherigen Erfahrungen, mehr dann nach der ersten virtuellen Probe mit vollem Gerödel!
Nachtrag: Als Bassist habe ich an Jams teilgenommen mit jemandem, der mit einem E-Drumset gespielt hat (ganz passabel sogar). Es waren mindestens noch zwei Gitarristen, ein Keyboarder und eine Sängerin und ein Sänger dabei. Ich hatte am Bass kein Problem mit dem Timing (meine Software zeigte 36 ms Roundtrip an).