Guten Morgen,
der freie Kapitalismus ist nichts anderes als Monopoly.
Und die meisten Leute - auch hier - verschließen die Augen und glauben irgendetwas Schönes aus dem Märchenland.
Der Thomann hat das verstanden.
Seitdem läuft der Laden.
Als ich anfing (1986), gab es für Minderjährige lokal wenig Möglichkeiten. Damals lebte ich in einem Stadtteil einer Kreisstadt, manche nennen es auch "Dorf", aber dafür war es auch damals eigentlich schon zu groß. In der Kreisstadt selbst hätte ich nicht gewusst, wo ich da Trommelbedarf hätte bekommen sollen. Am Ort meiner Schule (Gymnasium) eröffnete glücklicherweise ein Laden, das war mein erster Anlaufpunkt. Ansonsten war Musik Produktiv seinerzeit der Versender, wo es auch einen Katalog gab. Das hatte den Vorteil, dass man auch etwas über andere Instrumente lernen konnte, es gab nämlich auch Informationen zu den Instrumenten, heutzutage wird das nur noch rudimentär gehandhabt. Und damals gab es auch noch verrückte Dinge wie Einzeltrommelservice. Den gibt es heute zwar auch noch, aber nur noch bei den sehr teuren Sets. Damals gab es den sogar für Einsteigertrommeln. Das Einzige, was damals schon blöd war, war, dass man meist nicht das Geld hatte, das zu kaufen, was man gerne gewollt hätte. Ein Problem, dass sich stets stellte, stellt und stellen wird, obwohl immer erzählt wird, dass ja früher alles billiger war. Die Leute vergessen allzu gerne, dass auch das Gehalt billiger war und so teure Telefone, wie wir sie heute haben, genau gar nicht vorhanden waren.
Es gab auch noch ein berühmt-berüchtigtes Geschäft in einer größeren Stadt, dort erwarb ich meine ersten Hi-Hat-Becken. Ansonsten habe ich dort aber nicht allzu viel gekauft. Mein erster Koffersatz kam über den genannten Versender (mit Spedition - ein Erlebnis) und mein erstes Drum-Set gab es gebraucht vom Schlagzeuger der Band des Betreibers des Ladens der Stadt, wo ich zur Schule ging. Vieles wurde auch damals schon über den Gebrauchtmarkt geregelt, es gab zwar kein Internet, aber gedruckte Kleinanzeigen in einer Zeitung, welche seinerzeit mit dem sinnigen Namen "Sperrmüll" auf den Markt kam und das Telefon war daheim mit einer Schnur an die Wand gebunden, man sprach noch blind und war quasi top of the pops, wenn man eine Anzeige für die Nummer hatte.
Das neue Schulschlagzeug wurde in Koblenz gekauft, das war damals der große Spezialladen, es war ein Sonor Performer in ... White Sparkle ... (Sonderfarbe, Sondermodell, hatte wohl auch Sonderpreis). Dort bekam ich auch mein erstes Beckenflightcase. Ansonsten hat mich der Laden auch nicht mehr gesehen, er war aber auch gut weit weg von daheim.
Mit der Zeit machte der Laden in der Stadt meiner Schule zu. Von den Trommelstöcken und Fellen, die ich dort kaufte, konnte er wohl alleine nicht leben, ansonsten war der halt auch zu klein, es gab Stammkunden, aber eben zu wenig Umsatz bzw. Gewinn.
Irgendwann hörte ich von Thomann.
Er hatte wohl das Schlagzeug entdeckt und strebte nach Versandhandel. Damals verschickte der Prospekte bis zum Umfallen.
Ich habe das lange Zeit ignoriert.
Mit dem Umzug in die Großstadt konnte ich das auch weiter vergessen, denn nun hatte ich einen regional größeren Laden sogar in der Nähe.
Dort war es kultig. Die Schlagzeuger mussten in die Gruft. Dort fanden sie dann aber so ziemlich alles, was man brauchen könnte. Das war gut.
Als ich vor rund 25 Jahren mein Zweitset kaufte, konnte ich zwischen vier Modellen wählen. Das hieß: ausgiebig testen vor Ort im Kreis aufgebaut.
Das bot und bietet kein Versand, das gab es auch seinerzeit nur in den größeren Läden an den bekannten Orten. Und es ist eine ganz andere Sache, wenn man selbst hören, sehen und fühlen kann, was besser passt. Die Testberichte in den damals bekannten Zeitschriften waren einerseits immer in Zeugnissprache (die nicht jeder versteht) und andererseits eben bei weitem nicht so intensiv. Mir war schnell klar: beste Bass Drum, beste Toms, beste Snare, beste Hardware, ja, wo liegt der Fokus? Jedes Set hat(te) seine Vor- und Nachteile.
Der Thomann wurde mit dem Internet immer stärker, der Musik Produktiv stellte seinen Katalog ein (zu teuer), ein paar musikaffine Waldörfer aus dem SAP-Dunstkreis starteten ein Geldverbrennungssystem. Letztere kauften einen lokalen Händler auf und waren weiter auf der Suche nach Kaufobjekten, allerdings erstaunlich wenig erfolgreicht. Letztendlich hat es bei Musik Produktiv dann auch geklappt. Bis dahin hatten sie gelernt und den Laden nicht direkt umgetauft und in ihr defizitäres System integriert. Auch der Thomann kaufte wie ein Weltmeister, allerdings stärker marketingorientiert. Extrem intelligent. Inzwischen ist eine Testplattform und eine Kontaktbörse mit Informationsinhalten fest in seiner Hand. So unterwandert man alles. Praktischerweise etabliert man dann auch noch Eigenmarken bis zum Exzess.
Letzteres versuchen auch andere, mehr oder weniger erfolgreich.
Inzwischen gilt Thomann als die Referenz für den Preis.
Faktisch war es zunächst so, dass man im Laden weniger zahlte. Der Laden im Bahnhofsviertel hatte zunehmend Probleme mit dem Standort (Drogenszene) und zog schließlich um, dabei fiel die Schlagzeugabteilung faktisch weg, sie ist als kleinster Schlagzeugladen der Welt quasi tätig, aufgrund der Größe natürlich ohne die bisherige Auswahl vor Ort.
Thomann ist schlau und betreibt nebenbei auch noch ein Ladengeschäft, so dass testwillige Kunden gerne mal zu ihm reisen.
Damit gräbt er den verbliebenen nennenswerten (und überwiegend richtig guten Läden) nochmal mehr Wasser ab.
Vieles kann man verstehen.
Dass sich manche Läden halten, liegt neben der Qualität des jeweiligen Ladens auch am Standort und auch der erworbenen Reputation.
Im Norden ist Musik Produktiv immer noch ein Ort, wo man hinfahren kann und das ist natürlich näher als am Südende des Landes. Die Drumstation Maintal liegt zwar in einem verhältnismäßig kleinen Ort, hat aber im Umkreis eben viele Einwohner zwischen Frankfurt, Offenbach, Hanau. Da kommen Kunden zusammen und treffen sich tatsächlich auch mal bei Veranstaltungen, wo etwas vorgeführt wird (auch wieder zum Anfassen) und ansonsten fällt den Inhabern immer etwas Neues ein und auch der Gebrauchtsucher wird bedient, gerade aktuell quasi eine Haushaltsauflösung eingetroffen. So hält man sich stabil. Ein paar Handverlesene schaffen das auch noch, der Rest wird von den Investoren oder dem Welteneroberer gefressen oder ausgehungert.
Wer ist schuld daran?
Natürlich die anderen.
Die Politik, die Zeit, das Wetter, bla bla bla.
Leute! Woher kommt das Geld?
Genau.
Aus meinem Portemonnaie.
Ich entscheide, wer überlebt und wer nicht.
Ganz einfach.
Grüße
Jürgen
PS
In allen genannten Läden habe ich schon eingekauft.
Zusätzlich auch bei Meisinger, Schmidkonz, Kolberg u. a.