Es wäre natürlich irgendwie praktisch, wenn man das Spielniveau nach objektiven Maßstäben in Klassen einsortieren könnte. Ich persönlich bin der gleichen Meinung wie einige Vorschreiber, dass zum Musikmachen mehr gehört als messbar gute Technik und solides Mikro- und Makrotiming. Trotzdem stimme ich nicht zu, dass der Vergleich mit sportlichen Leistungen generell falsch ist. Für mich sagen zwar irgendwelche Benchmarks beim Musizieren nicht viel aus, aber das heißt nicht, dass die Bewertung und der Vergleich nicht weit verbreitet wären. Es gibt doch jede Menge Drum-Offs und Battles mit Platzierungen, es gibt in jeder Highschool Talentwettbewerbe, es gibt Musik-, Band- und Songwriting-Contests von Metal bis Jazz, ESC und Musik-Castingshows sind seit vielen Jahren extrem erfolgreich, es gibt Musikpreise und Awards, es gibt Abstimmungen zu den besten, einflussreichsten, überbewertetsten usw. Musikern und Bands, Jugend musiziert ist ein Wettbewerb und mit den Single- oder Album-Charts haben wir ja auch quasi eine Landesliga. Dazu kommt, dass es eben in vielen Bereichen der Musik eben doch hauptsächlich auf messbare Kriterien ankommt. Ein Speed-Metaller legt keinen Wert auf persönlichen Groove und ausgefuchste Dynamik sondern auf Geschwindigkeit und Genauigkeit. Auch bei Marching-Drummern ist wenig "Musikalität" oder Kreativität gefragt, sondern im Wesentlichen Technik. Und, etwas provokativ formuliert, kommen die meisten Top-40 und Tanzbands ohne Schlagzeuger mit eigener Note aus. Der muss im Wesentlichen den Takt und die Time halten können. Und das ist schon messbar.
Messen, Vergleichen, Bewerten, Beurteilen liegt wohl einfach in der Natur des Menschen. Und das macht auch vor Kunst nicht halt. Bei Gemälden ist es am Ende der festgesetzte oder der bereitwillig gezahlte Preis.
Und prinzipiell scheint die Bewertung ja auch mehr oder weniger gut zu funktionieren: In der Schule gibt es Noten für Musik und Kunst und an der Uni Einstufungstests, um einzuschätzen, wie gut jemand ein Instrument beherrscht. Es gibt vergleichbare Ausbildungs- und Hochschulabschlüsse wie z.B. A-B- und C- Ausbildung für Kirchenmusiker. Es gibt also praktikable Maßstäbe, um das Niveau einzustufen.
Das Problem liegt dann eher in der Selbsteinschätzung. Bin ich Anfänger oder schon Fortgeschritten? Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich der wild drauf los trommelnde junge Mann in dem Video als eindeutig fortgeschritten bezeichnet hätte. Wenn er jetzt zurück blickt, sieht er das anders, weil er jetzt die typischen Anfängerfehler und -Probleme erkennt. Beim Musikmachen neigt man sehr schnell und leicht dazu, sich gehörig zu überschätzen. Dass es nicht reicht, die richtigen Töne an der halbwegs richtigen Stelle zu spielen, um gut zu klingen, lernt man oft erst mit der Zeit, weil man den Einfluss von Mikrotiming und Dynamik noch nicht raushören kann. Und da ist der Vergleich mit einigen Sportarten schon wieder nicht so abwegig: Ein junger Fußballer denkt auch, dass er das Spiel seines Lebens gemacht hat, weil er 5x aufs Tor geschossen und einmal getroffen hat. Dass aber gerade das Spiel ohne Ball entscheidend für die Mannschaft ist, sieht er schlichtweg noch nicht.