Interessanter Artikel: Alles Populäre ist falsch

  • Ich finde den taz Artikel auch super, nicht unbedingt weil er "wahr" ist,
    aber in seinem Versuch die aktuellen gesellschaftlichen Grundlagen des Musikmachens in Worte zu fassen.
    Und von Luddi bis Diddi freue ich mich sehr, dass es hier im Forum auch Platz für quasi politische Diskussionen gibt.


    Da einige Beiträge hier fast schon das Niveau einer Gesellschaftskritik erreichen, fühle ich mich ermutigt dazu einen weiteren Artikel zu verlinken.
    Der hat zwar mit Musik machen explizit nichts zu tun, aber es geht um die hier diskutierten Grundlagen von Markt, Geld, Verkaufen,
    Arbeit in immer stärker rationalisierten und automatisierten Prozessen, etc.
    Implizit hat es also doch ganz konkret mit unserem Thema hier zu tun.


    Hier also mal kein Musiker sondern ein Wirtschaftsprofessor über die schöne neue Welt, wenn ich Euch das zumuten darf:
    http://derstandard.at/12852006…en-erfinden-Geld-aus-Luft


    Viele Grüße aus Berlin - j

  • Ich finde diese ganze Entwicklung übrigens sehr spannend, weil sie auch viele gute Seiten hat. Man kann unfassbar gute Nischenmusik finden, die (wie im Artikel beschrieben) ohne Rücksicht auf Verluste genau die Leute glücklich machen kann, die sie hören wollen. Dort wirken sich die Segnungen des Netzes sehr schön aus. Dann all die Kontakte, die tollen Instrumentenbauer, auf die man früher nie gekommen wäre, der Blick auf so viele Musiker via youtube...


    so gehts mir auch. Gerade wenn man sich sehr Nischenmusik interessiert erreichen einen haufenweise Bands die man früher nie und nimmer gehört hätte! Unterstützung erfolgt durch das Besuchen von Konzerten und das Kaufen von Merchendiseartikeln. Jedoch ist ein finanzielles Auskommen natürlich nicht möglich.


    Man schaue auch einfach mal auf das Lineup aller größeren Festivals, die Bands wiederholen sich alle 2 Jahre.

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  • Die Tatsache, dass vor ein paar Tagen eine unbekannte Person meine Apple ID geknackt und innerhalb von wenigen Minuten für fast 1000 Euro auf meine Kosten eingekauft hat, stimmt mich da auch nicht euphorischer


    Au weia, tut mir Leid das zu hören.
    Auf Spiegel online ist heute ein Artikel mit einer beängstigenden Statisik zu lesen: in den letzten 24 Monaten wurde in Deutschland 8,7 Millionen Menschen Opfer von Internetbetrug, wie Abofallen, Warenbetrug oder Phishing wurden.


    Ansonsten bin ich auch der Ansicht, dass ein Lamento á la "früher war alles besser" nicht hilft, sondern ein konkreter und konstruktiver Umgang mit den realen Gegebenheiten erfolgen muss. Dabei ist es hilfreich sich klarzumachen, dass es "DAS NETZ" nicht gibt, sondern sich auch in der digitalen welt häufige Paradigmenwechsel ereignen - nicht erst seit facebook zur Infrastruktur wurde. Es zeigt sich dabei immer wieder, dass starkes Festhalten an erworbenen Besitzständen und etablierten Geschäftsmodellen richtungsweisend in Richtung Untergang ist - es sei denn man hat wirklich Werthaltiges zu bieten, denn so etwas hat zumeist einen Zeitlosigkeitsfaktor.


    Nils

  • Naja, ich finde schon, dass der oben zitierte Artikel ein solchen Unterton hat, auch wenn am Schluss noch ein "ist ja ganz spannend" drangehängt ist. Der Maxime, alles populäre weiträumig zu umschiffen haben wir allerdings, und das nicht nur im Jazz, ziemlich viel unterträglichen Quatsch zu verdanken. Gute Selbstverkäufer schaffen es in verschiedenen Branchen mit ausgemachtem Käse den Anschein von Hochkultur zu erwecken und keiner traut sich auszusprechen, dass der Kaiser nackt ist.

  • Upps, hier geht's ja konstruktiv ab ;).


    @Renttuk:
    Natürlich ist Musik eine Ware. Die Frage ist nur einfach, welchen Wert hat sie, wie wird dieser bemessen und wer tut das? Und da sind wir ganz schnell wieder bei den ollen Kalle und Friedel. Das fatale Dreieck von Arbeitskraft, Zeit und Lohn. Wurde das Problem zu der Zeit der beiden alten Säcke noch mit Streikbrechern, Lohndrückern und dem einfachen Zusammenknüppeln und -schießen der ungehörigen Proleten erledigt, so ist heute das subtile, "selbstbestimmte" Selbstausbeuten das Rädchen für das Drehen an der Lohnspirale, bzw. das Verbilligen einer Arbeitsleistung (und dazu gehört dann ja auch Musizieren). Das digitale Zeitalter macht uns ja alle zu immer und überall erreichbaren "Spezialisten". Und dieser Faktor läßt sich sehr gut ausbeuten. Das ist der Denkanstoß den ich mit dem ersten Artikel geben wollte. Wieviel leiste ich als Künstler umsonst und gehe in eigene Vorleistung, bis jemand mich entdeckt, fördert, vermarktet?
    Wie mache ich mich bemerkbar in diesem Malstrom des digitalen Rauschens, wo jeder sich produzieren, veröffentlichen und zum Depp machen kann?
    Die "klassische" alte Musikindustrie in Form der Majors, bleibt da offensichtlich konservativ und fährt damit (noch?) gut. Man setzt auf den repetiven Charakter der Popularmusik, im Sommer irgendein Trällerliedchen, lateinamerikanisch angehaucht, in dem die Schlagwörter "Sol, Playa, Fiesta" so häufig wie möglich vorkommen und im Winter wieder was im Stile von "Last Christmas". Das war jetzt überspitzt, aber eben einfach "keine Experimente".
    Ich hab eh das Gefühl, dass sich so richtig viel nicht bewegt. Liegt aber gerade in dem Bereich Popularmusik (das ist übrigens ungleich von der landläufige sogenannten "Pop-Musik") einfach in der Natur der Sache. Seitdem das afroamerikanische Volkslied, aka Blues, Einzug in die mittlerweile komplett globale Popularmusik gehalten hat, gibt es das offensichtlich repetive Moment. Selbst Stile wie Metal oder Elektrokram ziehen ihren Saft immer noch aus diesen Wurzeln (wobei Metal mit all seinen Abarten wahrscheinlich am weitesten vom Orginal entfernt ist und so eine Art Blues des Kalkleisten-Landeis darstellt). Elektronische Musik liegt da schon näher dran und ist unglaublich repetiv und nur voll mit Zitaten (man denke an den "Amen Brother Break" der Winstons). Beim Aufkommen des ganzen Elektronikkram haben wir das, egal ob man es jetzt mag oder nicht, trotzdem als progressiv und neu empfunden. Deswegen stehe ich der Aufforderung des TAZ-Artikels, dass man doch irgendwas mindblowing Neues produzieren soll, das mit alten Regeln bricht, sehr skeptisch gegenüber. Im Endeffekt benutzt doch genau das was schon da ist, zerpflückt Zitate, fügt hier etwas aus einem Stil hinzu, benutzt eine ausgewöhnliche Performance oder Instrumentierung und Ooops, da ist die Ausdifferenzierung und Abgrenzung zum Rest. Ohne Frage kann dabei was großes und auch Berührendes raus kommen.


    Aber trotzdem, und gerade heute muss es gesagt sein: "Früher war mehr Lametta!"

    "Diese Tapete ist scheußlich, einer von uns beiden muß jetzt gehen."

    Einmal editiert, zuletzt von newbeat ()

  • JCVS


    der artikel ist sehr interessant, wobei ich das mit 2011 bricht alles zusammen und Geld wird abgeschafft nicht ganz unterstützen möchte ;).


    auch das beispiel mit den Krediten ist zu gut! Jedesmal wenn die Börse zusammenbricht verlieren viele Leute ihr nicht existentes Vermögen!

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  • @ Newbeat: Danke, dass du den leider verstorbenen Loriot einschmuggelst!! Da will ich gleich noch ein passendes Loriot-Zitat aus einem Interview hinterherschicken:


    "Große Kunst ist ja zumeist ein Kind des Wahnsinns"


    Hochinteressante Diskussion übrigens hier, danke dafür.

    "Most drummers are crazy, aren't they ? They don't all start off crazy, but they end up that way." ;( Charlie Watts

  • Naja, ich finde schon, dass der oben zitierte Artikel ein solchen Unterton hat, auch wenn am Schluss noch ein "ist ja ganz spannend" drangehängt ist.


    Nein, eben nicht. Das wird einfach rein interpretiert.
    Der Artikel beschäftigt sich einzig und allein mit der Entzauberung des Mythos, das durch das Internet und die neuen "Möglichkeiten" etwas besser geworden ist.
    Er beschreibt einzig und allein die erste Euphorie und Begeisterung für die neuen Möglichkeiten und was tatsächlich am Ende dadurch passiert ist.
    Statt der versprochenen grösseren Freiheit kam es eher zu mehr Ausbeutung (entweder selbst oder noch krasser durch die Industrie).
    Früher war alles besser ist ein dämlicher Satz, der aber gerne in solchen Diskussionen in die Runde geworfen wird, um Kritiker heutiger Entwicklungen ähnlich mundtot zu machen, wie man früher gesagt hat, wenn es dir hier nicht passt, dann geh doch nach drüben™ (in die DDR). Müsste man vielleicht auch schon so langsam eine Bezeichnung für finden ähnlich dem allseits gerne benutzen Godwin's law...
    Hebt man den Finger und findet den ganzen Cloud und Datensharing und Social Network Hype etc. nicht einfach nur toll und feiert die "neuen" Möglichkeiten, dann ist man halt ein ewig Gestriger und findet angeblich früher alles besser.

  • Wisst ihr was ich mal intresant fände?
    eine grobe Überschlagen sämtlicher verschiedener Songs, die es gibt. Auch Klassik, einfach alles, was es gibt. Wie viele Jahre man wohl bräuchte, um das alles zu hören?


    Es ist halt schon irgendwie "pervers" wie viel Mukke es gibt auf der Welt.

  • Was mich interessieren würde sind die eingeworfenen Fakten, die als solche akzeptiert werden, wie z.B.


    1. "Studiozeit und Vertrieb waren früher so teuer, dass ausschließlich Großunternehmen sie finanzieren konnten."
    Für das erste Demo meiner Band im Jahre 1983 haben wir damals 4-500 DM pro Tag für ein Studio in Hannover bezahlt. Mit Aufnahmeleiter.
    Wenn ich mich heute umschaue ist das nicht unbedingt billiger geworden. Gute Studios kosten auch heute noch ihr Geld.
    Unerschwinglich, oder nicht erreichbar, war ein Vertrieb ausserhalb der Majors sowie das Herstellen von Schallplatten.


    2. "Die mentale "Regalfläche" ist knapp – analog zum alten Handelsmodell, in dem nur eine Auswahl Tonträger auf die Regale passt, kann sich niemand durch mehr als einen Bruchteil des Angebots arbeiten."
    Das war früher auch schon in den Plattenläden nicht möglich. Es war vielleicht weniger als heute, aber immer noch viel mehr als ein Einzelner überhaupt sichten konnte.


    3. "Jetzt bemühen sich ein paar Millionen Künstler um jeweils ein paar hundert Kunden."
    Dito. Nur das man es dem vermeintlichen Hörer nicht direkt verabreichen konnte, sondern vorher die Majors gefiltert haben. Und ganz so gleichmässig verteilt sich die Hörerschaft ja auch nicht.


    4. "Das liegt an der benannten Aufmerksamkeitsbegrenzung. Dieser sozialpsychologische Superstar-Effekt lässt nicht zu, dass pro Kategorie mehr als eine Handvoll Künstler überhaupt wahrgenommen werden."
    Hmm, erzähl das mal meinen Metal-Freunden. Die haben ganze Schränke voll mit verschiedensten Bands aus einer Kategorie. Und wehe einer weicht etwas zu sehr ab vom Mainstream.... :D
    Auch den darauf folgenden Absatz kann ich so nicht nachvollziehen.


    Bis auf diese zumindest anzweifelbaren Aussagen, finde ich den Artikel grundsätzlich gut. Die Schlüsse die er zieht finde ich etwas sehr naiv.
    "Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht"
    ;)

  • Was mich interessieren würde sind die eingeworfenen Fakten, die als solche akzeptiert werden, wie z.B.

    Ja, da hakt es manchmal, ist aber halt auch ein subjektive Sicht des Verfassers.

    1. "Studiozeit und Vertrieb waren früher so teuer, dass ausschließlich Großunternehmen sie finanzieren konnten."
    Für das erste Demo meiner Band im Jahre 1983 haben wir damals 4-500 DM pro Tag für ein Studio in Hannover bezahlt. Mit Aufnahmeleiter.
    Wenn ich mich heute umschaue ist das nicht unbedingt billiger geworden. Gute Studios kosten auch heute noch ihr Geld.
    Unerschwinglich, oder nicht erreichbar, war ein Vertrieb ausserhalb der Majors sowie das Herstellen von Schallplatten.

    Hmm, 1983 war ja schon die Dekade der unabhängigen Strukturen. Er bezieht sich da wohl auf die 60er/70er, als Studios noch zum großen Teil labelgebunden waren und nur Supergruppen sich monatelang dort für ihr nächstes Konzeptalbum rumlümmeln durften. Das ist heute anders, da kann jeder mit seinem Homestudio auch Monate bis Jahre an seinem Dreifachalbum rumbasteln. Ob da aber was Tolles rauskommt, steht auf einem ganz anderen Blatt.


    Vertrieb: Auch da sind die 80er ja anders gewesen, 1983 war EfA ja schon am Start und hat für Deutschland so einiges bewegt.

    "Diese Tapete ist scheußlich, einer von uns beiden muß jetzt gehen."

  • Ja, da hakt es manchmal, ist aber halt auch ein subjektive Sicht des Verfassers.

    Hmm, 1983 war ja schon die Dekade der unabhängigen Strukturen. Er bezieht sich da wohl auf die 60er/70er, als Studios noch zum großen Teil labelgebunden waren und nur Supergruppen sich monatelang dort für ihr nächstes Konzeptalbum rumlümmeln durften. Das ist heute anders, da kann jeder mit seinem Homestudio auch Monate bis Jahre an seinem Dreifachalbum rumbasteln. Ob da aber was Tolles rauskommt, steht auf einem ganz anderen Blatt.


    Vertrieb: Auch da sind die 80er ja anders gewesen, 1983 war EfA ja schon am Start und hat für Deutschland so einiges bewegt.


    Das dachte ich auch, aber er schreibt ja "bis tief in die 1980er Jahre ein". ;)

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